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11. Oktober 2022
Dr. med. Renate Wolansky
Atrophie blanche

Entstehung, Diagnose und Behandlung

In diesem Beitrag widmet sich Autorin und Orthopädin Renate Wolansky dem Krankheitsbild der Atrophie blanche: kleinflächige weiße, atrophische Narbenherde als sichtbare Folge von Gefäßerkrankungen wie der chronisch-venösen Insuffizienz, die im schlimmsten Fall zu schmerzhaften Ulzera führen. Lesenswert ist auch der Exkurs zu Kompressions- und Stützstrümpfen.
Foto: Renate Wolansky

Bei der Atrophie blanche handelt es sich um eine Entzündung der Endgefäße der Arterien (Arteriolitis) meistens als Folge einer lokalisierten chronischen-venösen Insuffizienz (CVI) im Stadium II und III vor allem in der medialen perimalleolären Region, der inneren Knöchelgegend. Des Weiteren liegt ein chronischer Entzündungsprozess in den peripheren kleinsten Hautgefäßen – den sogenannten Kapillaren – vor. Frauen im mittleren Alter sind häufiger betroffen als Männer. Erstmals beschrieben wurde das Krankheitsbild vom französischen Dermatologen M.G. Milian im Jahre 1929. Synonyme sind Atrophia alba, weiße Atrophie, Capillaritis alba oder oberflächliche Arteriolitis.

Arteriolen und ihre anatomischen ­Besonderheiten

Arteriolen bilden den letzten Gefäßabschnitt der Arterien, denen die Kapillaren folgen. Die kleinen und feinsten Blutgefäße sind mit dem bloßen Auge noch sichtbar und befinden sich im gesamten Gefäßsystem des Menschen. Der Wandaufbau besteht aus Intima (innere Schicht der Gefäßwand), Media (mittlere Wandschicht) und Adventitia (äußere aus Bindegewebe bestehende Schicht) – allerdings ohne elastische Fasern, der sogenannten Membrana elastica externa, die bei größeren Arterien vorhanden ist. Im Inneren der feinen Gefäße befindet sich eine zirkulär angeordnete glatte Muskulatur.

Funktionell sind Arteriolen Widerstandsgefäße, die den Blutfluss in der Peripherie regulieren. Durch Kontraktion mithilfe integrierter sympathischer Nervenfasern und einer vasoaktiven Hormonsteuerung kann der periphere Blutzufluss im Gewebe gedrosselt werden. Daraus ergibt sich ein Einfluss auf die periphere Durchblutung. Ebenso ist eine Blutdruckregulierung möglich. Bei erheblichem Blutverlust garantiert eine Zentralisierung des Blutvolumens die notwendige Durchblutung lebenswichtiger Organe.

Chronisch-venöse Insuffizienz – die Grundlagen

Foto: Renate Wolansky

Die CVI betrifft vorwiegend die unteren Extremitäten. Sie entsteht aufgrund einer chronischen Venenerkrankung, die zu Mikrozirkulationsstörungen und daraus resultierender Unterversorgung mit Sauerstoff im Gewebe (Gewebshypoxie) führen kann (Abb. 1a + b). Die gestörte Funktion basiert auf einer Venenschwäche infolge eines reduzierten venösen Blutflusses aufgrund primärer oder sekundärer Klappenschäden bei primärer Varikosis oder Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose. Selten liegen angeborene Ursachen oder sekundäre Traumata vor. Folgen sind frühzeitige reversible Ödeme, pathologische Veränderungen in den Venenwänden, trophische Hautschäden und letztlich Geschwüre (Ulzera) (Abb. 2a + b).

In der Literatur sind mehrere Graduierungen der CVI bekannt. Nach Widmer etwa erfolgt die Einteilung der CVI in drei klinische Stadien: Im Stadium I treten Ödeme bei Belastung auf. Typisch ist die Corona phlebectatica paraplantaris mit varikösem Venenkranz am Rand der Füße – sogenannte Cockpit-Varizen infolge einer Abflussstörung der tiefen Unterschenkelvenen. Sichtbar sind im Stadium II trophische Hautveränderungen wie Purpura jaune dʼocre (gelb-bräunliche Hyperpigmentierung der Haut als Folge einer CVI mit Prädilektionsstellen am Unterschenkel und Fußrücken), Atrophie blanche, Stauungsdermatitis (Stauungsekzem) und/oder eine pathologische Verhärtung der Haut, eine sogenannte Dermatoliposklerose. Bis es dann im Stadium III zu einem ausgeprägten Unterschenkelgeschwür (Ulcus cruris venosum) kommt.

Folgende Risikofaktoren können bei einer CVI zu einer Atrophie blanche führen:

  • Vererbung
  • Bindegewebsschwäche
  • Adipositas
  • Schwangerschaft
  • tiefe Venenthrombose
  • postthrombotisches Syndrom (PTS)
  • rezidivierende Venenentzündungen in den Beinen
  • Traumata an den unteren Extremitäten
  • vorwiegendes Stehen oder Sitzen im Beruf
  • Bewegungsmangel und/oder wenig sportliche Betätigung
  • Nikotinabusus

Ursachen und Ablauf

Die Atrophie blanche basiert auf einer Arteriolitis mit nachfolgender ischämischer Nekrose und letztlich häufig sehr schmerzhaften Ulzera. Allerdings kann auch eine unklare (idiopathisch) Ursache vorliegen. Das Krankheitsbild verläuft in drei Phasen:

  • In der entzündlichen Phase sind vor allem in der medialen Malleolarregion (innere Knöchelgegend), am Fußrücken und seltener am distalen Unterschenkel umschriebene livide-rote Herde erkennbar.
  • Die atrophische Phase weist typische weiße, etwas eingesunkene, depigmentierte und narbige belegte Hautläsionen auf (Abb. 3a + b).
  • In der ulzerösen Phase treten kleine dauerhaft, schmerzende Erosionen (Gewebeschäden) bis tiefe Ulzera auf.
Foto: Renate Wolansky

Weitere klinische Symptomatik

Anfangs sind die bläulichen (lividen) ins Weiße bis Perlgraue übergehende Hautläsionen schmerzlos. Es entwickelt sich eine Hyalonisierung im Bindegewebe und kleinen Gefäßen. Hierbei handelt es sich um eine krankhafte Bildung und Einlagerung von Hyalin-Proteinablagerungen (Eiweißablagerungen) mit glasigem Aussehen. Die Plaques besitzen eingesunkene, streifen- oder rillenförmige, skleroatrophische Herde (Dermatosklerose), die einen purpurfarbenen Pigmentsaum aufweisen.

An der Oberfläche der Läsionen sind peripherwärts vorliegende Teleangiektasien (bleibende Erweiterung kleiner oberflächlicher Hautgefäße) oder zentrale gelbliche Flecke und Noduli (kleine Knötchen) bis bräunliche Papeln (über dem Hautniveau liegende bis erbsengroße Knötchen) zu erkennen, die auf eine venös bedingte Erkrankung der kleinen Gefäße (Mikroangiopathie) hinweisen. Aus der Vasculitis, die zum Verschluss von Kapillaren führen kann, resultiert letztlich eine Hautnekrose. Oftmals entwickeln sich vereinzelte oder multiple Mikroulzera. Im weiteren Verlauf kann es zu größeren Ulzera kommen. Die typischen, depigmentierten, verhärteten und narbigen Hautareale sind bei der Atrophie blanche nicht auf abgeheilte Ulzera zurückzuführen, sondern sind Folgen einer Mikrozirkulation.

Foto: Renate Wolansky
3 a + b Die verursachte Erkrankung der kleinen Gefäße (Mikroangiopathie) als Folge einer Arteriolitis mit eingesunkenen atrophischen Narben und circumskriptem, entzündlichem Randsaum sind typisch für das Krankheitsbild Atrophie blanche.

Diagnostik

Zunächst erfolgt eine explizite Anamneseerhebung. Dabei sollte abgeklärt werden, ob es sich um eine zugrundeliegende CVI, einen Zustand nach tiefer Venenthrombose, eine Varikosis (Krampfadern) mit rezidivierenden Entzündungen, Traumata oder einen Zustand nach einer Varizenoperation (siehe Fallbeispiel) handelt.

Es folgt die klinische Untersuchung. Mithilfe einer dosierten Palpation ist manchmal ein variköses nachgebendes Polster unter der Hautläsion festzustellen. Infrage kommen folgende bildgebende Diagnostikverfahren:

  • Sonografie
  • Phlebografie (Röntgendiagnostik der Venen und gegebenenfalls der Arterien unter Verwendung von Kontrastmittel)
  • Farbkodierte Duplexsonografie (FKDS) zur Beurteilung sowohl der oberflächlichen als auch der tiefen Venen und Perforansvenen (Verbindungsvenen zwischen tiefen und oberflächlichen Venen)
  • Magnetresonanztomografie (MRT)
  • Photoplethysmografie (PPG, hämodynamische Untersuchungsmethode der CVI) zur Erfassung der Reflexion ausgedehnter Infrarotlichtstrahlen. Eine Variante ist die Lichtreflexionsrheografie (LRR).
  • Des Weiteren kann eine Atrophie blanche auch mithilfe einer Biopsie histologisch erfasst werden.

Histologischer Befund

Mikroskopisch typisch sind

  • Arteriolitis (Entzündung des letzten Gefäßabschnitts einer Arterie)
  • Kapillaritis (Entzündung der Haargefäße)
  • Fibrinansammlungen (Anreicherung der Endprodukte der Blutgerinnung, Bestandteil eines Thrombus)
  • Mikrothromben (kleine Blutgerinnsel)
  • Sklerose (krankhafte Verhärtung von Gewebe oder Organen)
  • Atrophie der Epidermis (Rückbildung der Oberhaut)

Differenzialdiagnose

  • depigmentierte (pigmentlose) postoperative oder posttraumatische Narben
  • Necrobiosis lipoidica, vorwiegend bei Menschen mit Diabetes, zur Nekrose auslösende Entzündungen mit Lipidanreicherung (Fettanlagerung) – besonders in der ventralen (vorderen) Unterschenkelregion
  • Purpura pigmentosa progressiva (Schamberg-Krankheit), lymphozytäre Vaskulitis (Gefäßentzündung) mit chronischer Kapillaritis (Entzündung der Haargefäße)

Prophylaxe

Befolgt werden sollten die 3-S- sowie die 3-L-Regel. Konkret heißt das: Permanentes Sitzen und Stehen sowohl im Alltag als auch im Beruf gilt als schlecht und ist zu vermeiden (3-S-Regel), während die 3-L-Regel „lieber laufen und liegen“ rät. Des Weiteren sind regelmäßige Bewegung und altersentsprechender Sport wichtig. Eine tägliche häusliche Venengymnastik nach physiotherapeutischer oder bildlicher Anleitung sollte zur Aktivierung der Muskelpumpe vom Betroffenen prophylaktisch erfolgen. Ebenso kann ein tägliches mehrmaliges Hochlagern der Beine ein Ödem reduzieren.

Auf Nikotin und Alkohol sollte verzichtet werden. Adipositas bedarf oftmals einer Ernährungsberatung für eine gesunde vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung. Ein Hitzestau in der betroffenen Extremität muss vermieden werden. Ferner ist für reichlich Flüssigkeitszufuhr zu sorgen.

Therapie

Ziel der Behandlung ist es, den Abfluss des venösen Bluts zum Herzen zu fördern und Stauungssymptome wie schwere Beine, Schmerzen und Stauungsempfinden, ein bestehendes venöses Ödem und die Abheilung eines vorliegenden venösen Ulkus zu verbessern.

Einen hohen Stellenwert bei der Atrophie blanche hat eine konsequente lokale Kompressionsbehandlung mithilfe eines Kompressionsverbandes oder langer Kompressionsstrümpfe, die meistens zu einer Besserung der Hautläsion führt. Weiterhin können eine physikalische Entstauungstherapie und alternativ eine apparative Kompression zum Einsatz kommen.

Um die Schmerzen zu lindern, kommen Analgetika (Schmerzmittel) oder NSAR (nicht steroidale Antirheumatika [ohne Kortison]) in Betracht. In der entzündlichen Phase kann eine kurzzeitige lokale Glukokortikoidbehandlung erfolgen, zum Beispiel mit Betamethason-Salbe. Sie wirkt entzündungshemmend, antiallergisch und immunsuppressiv.

Zur Förderung der gestörten Mikrozirkulation kommen gegebenenfalls Infusionen mit niedermolekularen Dextranen (Kohlenhydrate aus Traubenzucker) infrage. Ebenso wird eine Förderung der Durchblutung durch Einnahme von ASS (Acetylsalicylsäure) erreicht. Gleichwohl kann auch niedermolekulares Heparin zur Therapie eingesetzt werden. Es führt zur Schmerzlinderung, wirkt antientzündlich und vor allem antithrombotisch. Bei seltenerer Therapieresistenz und schwerem rezidivierendem Auftreten kommt eine Behandlung mit Kortison in mittlerer Dosierung und anschließender Dosisreduzierung in Betracht. Letztlich kann alternativ eine venöse Verabreichung von Immunglobulinen erfolgen.

Zur Wundbehandlung hat sich weiche Zinkpaste bewährt. Mögliche Ulzera sollten mit sterilem, warmem Wasser vorsichtig gereinigt werden. Ein Hydrokolloidverband (HCV) garantiert ein feuchtes Milieu. Der hautfreundliche Wundverband ist selbstklebend, sodass ein Verbandswechsel vorwiegend schmerzfrei erfolgt. Da der Verband außerdem keim- und wasserdicht ist, bietet er Schutz vor Mikroorganismen – vor allem Bakterien und Schmutzpartikeln.

Exkurs: Kompressionsstrümpfe, Stützstrümpfe und Kompressionsverbände

Unterschieden werden vier Strumpftypen, wobei A den Anfang des Strumpfs bedeutet und die weiteren Buchstaben die Länge des Strumpfs bezeichnen.

  • A – D = Wadenstrumpf
  • A – F = Halbschenkelstrumpf
  • A – G = Schenkelstrumpf
  • A – M = Strumpfhose

Die Einteilung der von der Ärztin oder dem Arzt verordneten speziellen Strümpfe erfolgt in vier Kompressionsklassen:

  • KKL 1 mit leichter oder mäßiger Kompression. Indikationen: mäßige Varikosis, CVI (chronische venöse Insuffizienz) Grad I (s. u. CVI Stadium I) und Thromboseprophylaxe
  • KKL 2 mit mittlerer Kompression. Indikationen: nach operativer Venenverödung bei Varikosis, CVI Grad II (s. u. CVI Stadium II), Atrophie blanche, Zustand nach oberflächlicher Thrombophlebitis (oberflächliche Venen mit entzündlicher Reaktion)
  • KKL 3 mit kräftiger Kompression. Indikationen: CVI Grad III (s. u. CVI Stadium III), Zustand nach Thrombose, massive Ödeme, nach Ulcus cruris (Unterschenkelgeschwür)
  • KKL 4 mit extrem verstärkter Kompression. Indikationen: ausgeprägtes Lymphödem, Elefantiasis, Lipödem

Als Kontraindikationen gelten:

  • entzündliche Erkrankungen, zum Beispiel Erysipel (Wundrose ausgelöst durch Mikroorganismen)
  • akuter Herzinfarkt
  • Lungenödem
  • diabetisches Fußsyndrom (DFS) mit Erkrankung der peripheren Nerven (Polyneuropathie), ggf. spezielle Strümpfe mit nur geringer Kompression und integrierter gepolsterter Fußsohle für Menschen mit Diabetes mellitus
  • Allergie auf Material der Kompressionsstrümpfe
  • Schmerzen
  • Durchblutungsstörungen (hier keine oder nur minimale Kompression)

Ein Kompressionsverband oder sogenannter Wickelverband besteht aus elastischem Material. Sein Einsatz empfiehlt sich bei folgenden Indikationen:

  • ausgeprägte Varikosis
  • Prophylaxe einer Thrombose (vor allem postoperativ oder bereits statt gehabter Thrombose)
  • Atrophie blanche
  • Ulkus cruris (Unterschenkelgeschwür)

Tipps zur Wickeltechnik und zum Anlegen

Ein Kompressionsverband oder Kompressionsstrumpf sollte morgens nach Abschwellung angelegt werden. Mit Kurzzugbinden und entsprechender Bandbreite wird immer peripher oberhalb aller Zehengrundgelenke mit der Wickelung begonnen. An den freiliegenden Zehen können stets Durchblutung, Sensibilität und Motorik überprüft werden. Sprunggelenke werden in Neutral-0-Stellung insgesamt umwickelt. Eine dosierte Wickelung wird anschließend fortgesetzt. Es ist darauf zu achten, dass weder freiliegende Hautareale noch Schnürfurchen bestehen. Der Druck sollte von peripher nach proximal etwas minimiert werden.

Vorstehende Knochenanteile können vor Anlegen eines Kompressionsverbands leicht abgepolstert werden, um Druckstellen zu vermeiden. Die Fixierung des Verbands ist mit einem Pflaster ratsam, da Metallklammern die Haut schädigen können.

Eine sofortige Entfernung eines Kompressionsverbandes ist notwendig bei:

  • zunehmenden Schmerzen
  • Sensibilitätsstörungen
  • Durchblutungsstörungen (weiß oder bläulich verfärbte Zehen) oder Motorikstörungen (aktive Bewegungseinschränkung der freien Zehen)
  • allergischen Reaktionen

Zusammenfassung: Wirkungsweise von ­Kompressionsverbänden und -strümpfen

Durch Kompression der Extremität mithilfe eines Kompressionsverbands oder -strümpfen wird der venöse Rückfluss zum Herzen gefördert. Eine Verengung des Gefäßdurchmessers durch permanenten Druck erhöht die Fließgeschwindigkeit des venösen Bluts zum Herzen; gleichzeitig erfolgt durch eine verstärkte Pumpwirkung der Muskulatur eine Verbesserung des venösen Blutrückflusses. Ferner kommt es zum notwendigen Abtransport von Schlackenstoffen. Ödeme werden reduziert. Ein weiterer positiver Effekt besteht in der Steigerung des Lymphtransports.

Zu beachten ist, dass zu einer konsequenten Kompressionsbehandlung der Extremität immer tägliches Geh-Training gehört. Nur so können die gewünschte Besserung und der Therapieerfolg erzielt werden.

Autorin
Orthopädin Dr. Renate Wolansky
Luisenstraße 26
06618 Naumburg

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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