Kritisieren ohne zu verletzen
[Abo] Unangenehmen Gesprächen gehen die meisten Menschen gerne aus dem Weg – das gilt beruflich und privat. Wenn aber in Ihrer Praxis bestimmte Verhaltensweisen stören, fachliche Leistungen mangelhaft sind oder die Zusammenarbeit nicht richtig funktioniert, wird ein Kritikgespräch unumgänglich. Mit der richtigen Vorgehensweise und etwas Einfühlungsvermögen können solche Gespräche konstruktiv sein und positive Veränderungen herbeiführen, ohne den Gesprächspartner zu verletzen oder zu verärgern. Birgit Hallmann erklärt wie es geht.
Der Begriff „Kritik“ stammt ursprünglich aus dem Griechischen, bezeichnet die Kunst der Beurteilung und ist somit eigentlich positiv besetzt. In der heutigen Zeit hat der Begriff „Kritik“ eher eine negative Bedeutung erhalten. Statt „Kritik“ wird daher auch gerne der Begriff „Feedback“ (= Rückmeldung) verwendet. „Feed-back“ ist ein neutraler Begriff, der Abwertungen des Gesprächspartners von vorneherein ausschließt.
Ziel des Kritikgesprächs
Ziel des Kritikgesprächs ist es, positive Verhaltensänderungen herbei zu führen oder Arbeitsergebnisse zu verbessern. Das Gespräch darf daher keinesfalls zu einem persönlichen Angriff auf den Gesprächspartner führen, denn die positiven zwischenmenschlichen Beziehungen sollen unbedingt erhalten bleiben.
Der richtige Zeitpunkt
Ein Kritikgespräch sollte in der Regel so zeitnah wie möglich geführt werden. Häufig werden eigentlich erforderliche Gespräche immer wieder hinausgeschoben, weil man die unangenehme Situation mit dem Mitarbeiter scheut – in der Hoffnung, dass er sein Verhalten von selbst ändert oder dass er von anderen Mitarbeitern darauf aufmerksam gemacht wird. Wenn sich das Gespräch dann irgendwann doch nicht mehr vermeiden lässt, erfährt der überraschte Mitarbeiter erst mit zeitlicher Verzögerung, worüber sich sein Kollege schon längere Zeit ärgert. Er wird sich in diesem Fall fragen, ob es vielleicht weitere, unausgesprochene Kritikpunkte gibt und das Vertrauen zu dem kritisierenden Mitarbeiter verlieren.
Der Ton macht die Musik
Nicht nur der richtige Zeitpunkt ist entscheidend für den Erfolg des Kritikgesprächs, sondern auch die Art und Weise, wie Sie mit Ihrem Gesprächspartner reden. Für alle Kritikgespräche gilt der bewährte Grundsatz: Kritik immer sachlich und nie persönlich formulieren! Nicht die Person, sondern die sachlichen Auswirkungen des unerwünschten Verhaltens ansprechen! Wortwahl, Stimme, Lautstärke und Tonfall spielen im Kritikgespräch eine entscheidende Rolle. Emotionale Kritik mit Vorwürfen, Beleidigungen oder Sarkasmus können das zwischenmenschliche Verhältnis dauerhaft zerstören oder belasten. Bleiben Sie daher stets sachlich – auch wenn Ihr Mitarbeiter zunächst verständnislos oder emotional auf die Kritik reagiert. Ein Kritikgespräch sollte daher nie mit Wut und Ärger im Bauch geführt werden. Der Mitarbeiter fühlt sich angegriffen, ärgert sich und „macht dicht“ – statt konstruktiv über Verbesserungen nachzudenken. Wenn Sie Ihre Kritik wirklich einmal spontan und zu emotional ausgedrückt haben, dann entschuldigen Sie sich. Sagen Sie dem Mitarbeiter, wie leid es Ihnen tut, die Beherrschung verloren zu haben beziehungsweise sich im Ton vergriffen zu haben. Nehmen Sie aber die Kritik inhaltlich nicht zurück. Betonen Sie, dass Sie gemeinsam nach einer Lösung suchen wollen.{pborder}
„Ich-Botschaften“ statt „Du-Vorwürfe“
Eine gute Möglichkeit Kritik auszudrücken ist es, sogenannte „Ich-Botschaften“ zu verwenden. Der Wechsel vom „Du“ zum „Ich“ nimmt die Schärfe aus Ihren Aussagen. Statt: „Ständig überziehst Du (!) Deine Pausen.“ ist es besser zu sagen: „Damit alle Mitarbeiter eine Pause bekommen, finde ich (!) es wichtig, dass die Pausenzeiten eingehalten werden.“
Eigene Fehler zugeben
Oft kann man das Gesprächsklima auch dadurch verbessern, dass man im Kritikgespräch eigene Fehler zugibt („Mir ist das auch schon passiert.“ oder: „Früher dachte ich auch …. bis ich gemerkt habe, dass …..“). Eigene Fehler zuzugeben signalisiert, dass man selber auch nicht perfekt ist und dass man das Kritikgespräch nicht negativ betrachtet. Auf diese Weise fällt es dem Gesprächspartner leichter, eigene Fehler einzugestehen oder das bisherige Verhalten kritisch zu überdenken.
Der Gesprächsablauf
Wählen Sie für das Gespräch einen Ort, an dem sie ungestört sind. Kritikgespräche sollten in der Regel unter vier Augen geführt werden – ohne dass andere Mitarbeiter oder Patienten mithören können.
Beginnen Sie das Gespräch freundlich, aber durchaus etwas formeller als üblich, um die Ernsthaftigkeit Ihres Anliegens deutlich zu machen. Verzichten Sie auch auf einleitenden Small Talk. Machen Sie mit einem Satz deutlich, worauf Sie hinaus wollen („ Es geht um …..“ oder „Ich möchte mit Ihnen über … sprechen“). Benennen Sie den Kritikpunkt und verwenden Sie dazu „Ich-Botschaften“. Sagen und begründen Sie anhand konkreter Beispiele was nicht in Ordnung ist und zeigen Sie die negativen Konsequenzen des derzeitigen Verhaltens auf (z. B. auf Patienten, Mitarbeiter, Arbeitsabläufe, Qualität). Geben Sie dann dem Mitarbeiter Gelegenheit, sich zu dem Kritikpunkt zu äußern („Wie sehen Sie das?“). Stellen Sie anschließend dar, welche Verbesserungen oder Veränderungen Sie erwarten. Fragen Sie den Mitarbeiter nach konkreten Maßnahmen und Lösungsvorschlägen („Was können Sie bzw. was können wir tun, um … zu verbessern?“) und machen Sie gegebenenfalls eigene Vorschläge („Ich schlage vor, dass….“). Treffen Sie dann eine konkrete Vereinbarung über zukünftige Veränderungen und Maßnahmen. Vereinbaren Sie bei Bedarf, wann Sie sich erneut zu diesem Thema treffen wollen und welche Verbesserungen bis zu diesem Zeitpunkt erreicht sein sollen. Beenden Sie das Gespräch positiv und signalisieren Sie insbesondere, dass Sie nicht ärgerlich auf den Mitarbeiter sind. („Wir arbeiten ja sonst gut zusammen, Da werden wir sicherlich auch … in den Griff bekommen.“).
Wichtig: Halten Sie dem Gesprächspartner im Kritikgespräch auch niemals einen anderen Mitarbeiter als „leuchtendes Beispiel“ vor Augen. Damit gefährden Sie möglicherweise das Teamklima.
Bedenkzeit einräumen
Falls Sie das Gefühl haben, der Mitarbeiter könnte durch ein unerwartetes Kritikgespräch völlig überrascht werden, so können Sie ihm auch Gelegenheit geben, zunächst in Ruhe über den Kritikpunkt nachzudenken, indem Sie sagen: „Sie brauchen sich jetzt nicht sofort dazu zu äußern! Ich schlage vor, dass Sie einmal in Ruhe über diesen Punkt nachdenken und wir morgen über eine Lösung sprechen.“ Hinter diesem Vorschlag steckt die Erkenntnis, dass sich viele Dinge leichter und weniger emotional besprechen lassen, wenn man „eine Nacht darüber geschlafen“ hat.
Fortschritte loben
Kritik ist für den betreffenden Mitarbeiter im ersten Moment immer unangenehm. Den positiven Effekt, aus Kritik gelernt zu haben, erlebt der Mitarbeiter oft erst zu einem späteren Zeitpunkt. Denken Sie daher an ein lobendes oder anerkennendes Wort, wenn sich der Mitarbeiter im Sinne der Kritik um Veränderungen bemüht. Verstärken Sie auch kleinste positive Ansätze und Bemühungen durch ermutigendes Feedback. („Danke, dass Sie (jetzt) …!“ Oder „Ich finde es toll, wie gut es jetzt mit … klappt!“)
Fazit
Wenn Sie diese Empfehlungen beachten, laufen Sie nicht Gefahr, einen Mitarbeiter im Gespräch vor den Kopf zu stoßen. Man wird Ihnen Ihre Kritik nicht übel nehmen und Sie haben die größten Chancen auf eine Veränderung in Ihrem Sinne. Aus einem Kritikgespräch sollten idealerweise immer zwei Gewinner hervorgehen und niemals ein Verlierer und ein Gewinner. «
Anschrift der Verfasserin:
Birgit Hallmann
Ernst-Strobach-Platz 1, 31535 Neustadt
Ausgabe 03/04 / 2017
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