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25. Januar 2019
Redaktion

Maßschuhe für Diabetikerin

Diabetisches Fußsyndrom und Polyneuropathie: So lautet die Diagnose einer Patientin, die sich vor fünf Jahren das erste Mal im Orthopädieschuhtechnik-Betrieb von Martina Hennicke vorstellte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits einen langen Leidensweg hinter sich.
Foto: Hennicke

Die heute 63-jährige Patientin (65 Kilo­­gramm, 168 Zentimeter) leidet vermut­lich seit ihrer Kindheit an Diabetes mellitus, die Diagnose erfolgte aber erst 1989. Durch Ernährungsumstellung und Lebensintervention ­sowie durch regelmäßige ärztliche Kontrollen konnte sie ihre Blutwerte ohne Medikation halten. Im Jahr 2000 bemerkte sie Empfindlichkeitsstörungen an ihren Füßen. Alles begann mit einem Kribbeln und anschließender leichter Taubheit, erst am rechten Fuß, dann links. 2006 wurde die Diabetikerin insulinpflichtig. Sie hatte immer das Gefühl, kalte Füße zu haben. Zusätzlich stellte sich eine Psoriasis an den unteren Extremitäten ein.

Foto: Hennicke
1. Diese Schuhe trägt die Diabetikerin heute. Eingebaut wurde unter anderem eine leichte, noch etwas flexible Sohlenversteifung sowie eine Stützlasche und Hinterkappenverlängerung

2008 bekam sie massive Schmerzen im linken Fuß, worauf der behandelnde Arzt eine Antibiose bei Verdacht auf Erysipel und Wundrose verordnete. Kurz darauf wurde sie mit Verdacht auf Thrombose stationär in einer Klinik aufgenommen. Dort konnte mittels einer Ultraschalluntersuchung eine Polyneuropathie diagnostiziert werden. In einer computertomographischen Untersuchung stellte man linksseitig einen Char­cot­fuß fest. Es wurde eine sechsmonatige Gipstherapie angeordnet, leider mit unzureichenden Kontrollen.

2. Die diabetesadaptierte Fußbettung wurde an den überlasteten Stellen mit weicherem Material gepolstert

Nach diesen Monaten zeigten sich massive Deformierungen des linken Fußes. Auch die Statik war sehr verändert: Der gesamte Außenrand des linken Fußes war und ist komplett überlastet. In der Folge hatte die Patientin Knie- und Hüftschmerzen sowie Rückenprobleme. Durch die Fehlstellung des linken Fußes wurde der gesamte Bewegungsapparat in Mitleidenschaft gezogen. Das veränderte Gangbild forderte den bis dahin „gesunden“ rechten Fuß so, dass dieser an den Hauptbelastungsstellen überlastet wurde. Dies zeigte sich durch Druckstellen mit starker Hornhautbildung im Mittelfußbereich.

Da die Haut der Patientin sehr dünn (pergamentartig) ist und auf viele Pflegeprodukte empfindlich reagiert, war auch die Behandlung der Psoriasis nicht einfach. Mit speziellen Pflegeprodukten und der Unterstützung einer Podologin konnte sie die trockene Haut und die Hornhautbildung aber weitestgehend in Schach halten.
Die Patientin stellte sich vor fünf Jahren das erste Mal mit einer Verordnung für orthopädische Schuhe bei uns vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie unter dem Mittelfußköpfchen 1 des rechten Fußes eine Einblutung, und auch die überlasteten Außenrandstellen, besonders das Mittelfußköpfchen V plantar, zeigten durch Druck entstandene Veränderungen.

3. Ein detailliertes Bild der Druckverteilung ergibt sich mit Hilfe der Pedografie

Es wurden orthopädische Schuhe angefertigt, die in der Schafthöhe die Knöchelpartie fassen. Um den rückwärtigen Teil der Füße hinten fix im Schuh zu halten und ein „Nach-Vorne-Rutschen“ zu verhindern, wurde eine leichte, noch etwas flexible Sohlenversteifung sowie eine Stützlasche und Hinterkappenverlängerung eingebaut. Links wird zusätzlich die Außenrandpartie bis hin zum Knöchel abgestützt.

Die diabetesadaptierten Fußbettungen werden aus Kombi-Materialien und in Sandwich-Bauweise gefertigt und an den überlasteten Stellen der Füße punktuell mit weicherem Material gepolstert.Hierbei war es wichtig, die plantare Haut während der Schrittabwicklung nicht durch starke Spannung zu überdehnen, und die Punktentlastung nicht zu weich zu arbeiten. In der elektronischen „Insole“-Messung sind auch weiterhin die prominenten Punkte der Fußsohle beidseits zu erkennen. Immer noch empfindet die Patientin fortschreitend eiskalte Füße und Hände. Ihre orthopädischen Schuhe werden deshalb mit sehr warmem Material gefüttert. Trotzdem trägt sie meist zwei Paar Strümpfe, dieses Volumen wird im Schuhbau mit eingeplant.

Die Versorgung von Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom ist inzwischen ein Hauptbestandteil der Orthopädieschuhtechnik. Mit qualifiziertem Wissen, hohem Qualitätsanspruch an die Versorgung und sehr vielen technischen Möglichkeiten ist die Orthopädie­schuhtechnik in der Lage, schwerwiegendere Folgen des Diabetischen Fußsyndroms weiter zu verzögern, den Pa­tienten zu mobilisieren und ihm damit wieder ein Stück Lebensqualität zu geben.

Oft scheitert dies leider an der Compliance des Patienten. Nicht so in diesem Fall: Die aktive und sehr agile, immer positiv eingestellte Patientin kommt regelmäßig zum Kontrolltermin ihrer Schuhe und Füße, so dass wir auch kleine Veränderungen frühzeitig erkennen und darauf reagieren können. Dies ist für alle Beteiligten der Idealfall, insbesondere für die Patientin: Sie ist sich ihres Gesundheitszustands bewusst und weiß auch, dass sich dieser jederzeit verändern kann.

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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