Moderne Therapie der Rheumatoiden Arthritis
[Abo] Die Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch-entzündliche, meist schubweise verlaufende Systemerkrankung. Die genaue Entstehungsursache ist bis heute nicht komplett geklärt. Diverse Risikofaktoren wurden ermittelt, welche einen schweren Krankheitsverlauf, beziehungsweise eine frühe Manifestation der Erkrankung verursachen (z.B. Nikotinkonsum).
Eine ausgeprägte Anfälligkeit für das Auftreten der Erkrankung scheint jedoch genetisch vererbt zu werden. Die Prävalenz, also der prozentuale Anteil der Erkrankten zu den Nicht-Erkrankten, beträgt weltweit zirka 0,5 – ein Prozent und nimmt mit höherem Lebensalter drastisch zu. Frauen sind dabei zirka drei Mal häufiger betroffen als Männer und erkranken zudem in einem früheren Lebensalter. Die Erkrankung manifestiert sich durch die typischen Entzündungszeichen (Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz und Funktionseinschränkung). Diese treten häufig im symmetrischen Befallsmuster an den peripheren Gelenken auf, bevorzugt anfänglich an den kleinen Gelenken der Füße und Hände. Im Krankheitsverlauf können dann sämtliche auch größere Gelenke betroffen sein, aber auch Sehnen (Tenosynovialitis) und Schleimbeutel (Bursitis). Eine „Heilung“ der RA ist bis heute nicht möglich. Ziele einer Therapie sind somit die Remission der Entzündungsaktivität, der Funktions- und Krafterhalt sowie die Linderung von Schmerzen.
Therapie der rheumatoiden Arthritis
Bei der Behandlung der RA stellt die medikamentöse Therapie die Basis aller Therapiemaßnahmen dar. Die Empfehlungen zum Einsatz der zur Verfügung stehenden Medikamente haben sich dabei in den vergangenen Jahren stark verändert.
Noch bis in die 90er-Jahre hinein wurde die medikamentöse Therapie in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik langsam intensiviert. Für viele Patienten kam es jedoch langfristig zu massiven Folgen: Behinderung, chronische Schmerzen, frühzeitige Berentung, sowie eine erhöhte Mortalitätsrate.
Durch die Einführung neuerer Medikamente wie Leflunomid 1998 und die Gruppe der sogenannten „Biologika“ ab dem Jahr 2000, sowie den Erkenntnisgewinn, dass die Gelenkdestruktion mit der Krankheitsdauer bis zur Ersttherapie vergesellschaftet ist, wurde ein völlig neuer Therapieansatz begründet.
Heutige Therapieziele sind nicht mehr lediglich die Beseitigung von Symptomen, sondern vielmehr das dauerhafte Nachlassen, die sogenannte „vollständige Remission“ der entzündlichen Aktivität und Vermeidung von Gelenkdestruktionen. Diese können in den meisten Fällen durch eine frühe und konsequente medikamentöse Einstellung nach dem Prinzip von „hit hard and early“ (hart und früh zuschlagen) erreicht werden. Bei Nicht-Erreichen der Therapieziele beziehungsweise einem Therapieversagen erfolgt eine umgehende Anpassung der Therapie an die aktuelle Entzündungsaktivität nach dem Prinzip von „treat to target“ (zielgenaue Behandlung).
Um eine möglichst frühe Diagnosestellung und Therapieeinleitung zu ermöglichen, wurden 2010 für die RA neue Klassifikationskriterien von amerikanischen und europäischen rheumatologischen Gesellschaften (ACR/EULAR) erarbeitet. In entsprechenden nationalen, beziehungsweise internationalen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der RA wurden diese umgesetzt. Um die anspruchsvollen Therapieziele zu erreichen, kommen neben der medikamentösen Therapie auch die Physiotherapie, physikalische Maßnahmen, Ergotherapie, Technische Ortho-pädie, psychologische Beratung, Selbsthilfegruppen und nicht zuletzt operative Maßnahmen zum Einsatz.
Medikamentöse Therapie
Nach Diagnosestellung wird in der Regel zeitnah eine anti-entzündliche Basistherapie mit einem sogenannten DMARD (disease modifying antirheumatic drug) begonnen. Hierzu zählen als „gold-standard“ Methotrexat (MTX), zudem Leflunomid (LEF), Sulfasalazin (SSZ), Hydroxychloroquin (HCQ) und weitere. DMARDs können bei unzureichender Wirkung auch in Kombinationstherapien untereinander verabreicht werden (z. B. MTX, SSZ und HCQ). Da der Wirkungseintritt der DMARDs zeitlich erst um zirka vier bis zwölf Wochen versetzt erfolgt, wird zur Überbrückung dieser Zeitspanne oftmals gleichzeitig mit einer Glukokortikoid-Einnahme begonnen. Prophylaktisch sollte dabei auch zumindest Vitamin D substituiert werden, um einer Osteoporose vorzubeugen. Weitere Medikamente in der Akuttherapie oder in einem Schub der RA zur vorübergehenden Anwendung sind die nichtsteroidalen-Antirheumatika (z.B. Cox-2-Hemmer).
Bei Patienten mit mäßiger bis schwerer RA, welche nicht ausreichend auf die DMARD-Therapie unter Verwendung mindestens zwei unterschiedlicher DMARDs in einem zeitlichen Intervall von mindestens sechs Monaten angesprochen haben oder diese Medikamente nicht vertragen haben, empfehlen die aktuellen Leitlinien den Einsatz von Biologika.
Biologika sind aufwändige, gentechnisch hergestellte Eiweiße und nicht oral als Tablette einnehmbar, da sie im Magen-Darm-Trakt direkt abgebaut würden. Sie müssen daher entweder subkutan injiziert oder als Infusion intravenös verabreicht werden. Biologika greifen gezielt entzündungsfördernde Botenstoffe im menschlichen Immunsystem an oder besetzen deren Andockstellen an Zellen des Immunsystems, wodurch diese Botenstoffe in ihrer Wirkung neutralisiert werden. Daraus ergibt sich auch gleichzeitig das größte Risiko der Biologika: Die Infektanfälligkeit ist insgesamt erhöht. Im Vergleich zu den DMARDs wirken Biologika schneller und schaffen meist eine Remission auch bei Patienten mit mäßiger bis schwer verlaufender RA, welche zuvor nicht zufriedenstellend mit DMARDs eingestellt werden konnten.
Vor dem Beginn einer Therapie mit Biologika sollten eine Tuberkulose-, eine virale Hepatitis- und eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden, damit es nicht unter der immunsupprimierenden Therapie des Biologikums zu einer Aktivierung dieser potenziell latenten (ruhenden) Infektion kommt. Des Weiteren empfiehlt die Leitlinie die Überprüfung des Impfstatus der Patienten. Lebendimpfungen werden unter laufender immunsupprimierender Therapie nicht empfohlen. Impfungen mit Tot-impfstoffen sind jedoch offensichtlich unproblematisch. Eine jährliche Grippeschutzimpfung, sowie eine alle drei Jahre erneute Impfung gegen Meningokokken und alle sechs Jahre gegen Pneumokokken sind empfehlenswert.{pborder}
Wenn konservative Therapiemaßnahmen nicht ausreichend wirksam sind
Wenn die entzündliche Aktivität nicht ausreichend unterdrückt werden kann, kommt es zur fortschreitenden Gelenkzerstörung. Die RA manifestiert sich zudem auch im Bereich von Organen,
die von einer Schleimhaut (Synovialis) ausgekleidet sind (Gelenke, aber auch Herz, Lunge, Blutgefäße, Augen u.a.). Durch die fehlgesteuerte Immunreaktion kommt es zur Entzündung dieser Synovialis mit Erweiterung der Gefäße, der Bildung von Eiweißausschwitzungen und der weiteren Einwanderung von Entzündungszellen. Klinisch zeigt sich an den Gelenken ein Erguss, welcher die Gelenkkapseln und den Bandapparat überdehnt und zur Instabilität führt. Durch Übergreifen der wuchernden Schleimhaut auf den Gelenkknorpel und durch die Freisetzung entzündungsfördernder „Zytokine“ (besonders TNF-α, IL-1b und PGE2) wird der Gelenkknorpel von zwei Seiten her angegriffen. Im fortgeschrittenen Stadium unterminiert die Synovialitis den Knochen von den Gelenkrändern her und führt schließlich zur Zerstörung, beziehungsweise Deformierung des gesamten Gelenkes.
Abhängig vom radiologischen Bild unterteilt man am muskulo-skelettalen System die Gelenkdestruktionen zum Beispiel nach der Klassifikation von Larsen-Dale-Eek (LDE-Stadien).
Sechs Stadien mit jeweils zunehmender Destruktion von 0 bis 5 werden hierbei unterschieden. Abhängig vom jeweiligen Zerstörungsstadium können den Patienten bei persistierenden Beschwerden unterschiedliche konservative oder operative Therapien empfohlen werden. In den Anfangsstadien 0 bis 2 empfiehlt sich eine möglichst vollständige Entfernung der Gelenkschleimhaut (totale „Synovektomie“) möglichst im Rahmen einer Spiegelung. Bei bereits fortgeschrittenen Destruktionen in den LDE-Stadien zwischen vier und fünf sollte eine endoprothetische Versorgung erwogen werden. Bei vollständiger Destruktion und weitgehender Instabilität kann sich auch eine Gelenkversteifung (Arthrodese) empfehlen, zu Gunsten der Stabilität bei zeitgleichem Beweglichkeitsverlust.
Eine Beteiligung der Sprung-, Fuß- und Zehengelenke im Rahmen der RA ist typisch und besteht meist schon sehr früh, fast immer aber nach langjährigem Krankheitsverlauf bei fast allen Patienten. Am häufigsten sind die Metatarsophalangealgelenke (80 – 95 %), gefolgt von den Mittelfußgelenken (40 – 60 %) und dem oberen Sprunggelenk sowie dem Subtalargelenk (30 – 50 %) befallen.
Mit fortschreitendem Verlauf der Erkrankung kommt es stadienhaft zu typischen Deformitäten wie dem Knick-Plattfuß, Spreizfuß, Hallux valgus mit Metatarsus primus varus sowie Hammer- und/oder Krallenzehen. Begleitet werden die Zehenfehlstellungen beim „Rheumapatienten“ typischerweise von der rheumatischen Synovialitis mit entzündlicher Destruktion des Kapsel-Band-Apparates, der Sehnen und Gelenke. Meist bestehen mehrere Deformitäten nebeneinander. Angrenzende deformierte Gelenke können zusätzlich negativen Einfluss auf die Fußdeformität haben und sind bei der Therapieplanung zu berücksichtigen (z.B. Valgusfehlstellung des Kniegelenkes). Insbesondere die Vorfußdeformität beeinträchtigt die Fußfunktion der Patienten. Diese beklagen eine Verminderung der Gehstrecke, Instabilitätsgefühl und erhebliche Schwierigkeiten bei der Schuhversorgung.
Die Destruktion der Gelenke wird subjektiv unterschiedlich schmerzhaft wahrgenommen. Oftmals werden Schmerzen erst bei weit fortgeschrittenen Destruktionen mit Luxationstellung der Zehen und daraus resultierender erschwerter Schuhversorgung beklagt.
Hilfsmittelversorgung
Im Anfangsstadium können sich die Gelenkdestruktionen in einer Reduktion der schmerzfreien Gehstrecke äußern. Wenn zu diesem Zeitpunkt keine oder nur geringe Fehlstellungen zu beobachten sind, können wie beim „nicht-Rheumapatienten“ Korrektureinlagen eingesetzt werden. Die wichtigste Einlagenform bleibt für den „Rheumapatienten“, sobald strukturelle Veränderungen aufgetreten sind, die Bettungseinlage zur Schmerzreduktion und zum Schutz der gefährdeten Haut. Um die überlasteten von den unterbelasteten Sohlenanteilen zu unterscheiden, empfiehlt sich die Durchführung einer Fußdruckmessung (Pedobarographie).
Eine Belastungsverlagerung von der Ferse und Vorfuß in den Mittelfußbereich wird zum Beispiel durch den Einsatz von Pelotten und Längswölbungsunterstützung erreicht. So werden die typischen Druck- und Schmerzbereiche (beispielsweise MFK 2 – 3 Köpfchen) weichgebettet und der Druck auf den unbelasteten Bereich nach proximal mittels einer retrokapitalen Pelotte umverteilt. Eine reine Weichbettung der Sohle ohne begleitende Druckumverteilung wäre hierbei nicht zielführend.
Reicht eine Bettungseinlage des Fußes nicht mehr aus – zum Beispiel bei Beinlängendifferenz beziehungsweise Achsfehlstellung (X- und O-Bein) beziehungsweise fehlerhaftem Abrollvorgang des Fußes – wird diese häufig mit einer entsprechenden Schuhzurichtung kombiniert (z.B. Verkürzungsausgleich, Schuhaußenranderhöhung bei O-Beinfehlstellung, Abrollhilfe, Absatzmodifikationen u. a.).
Die letzte Eskalationsstufe ist die Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen. Der Schuh wird dabei den Bedürfnissen des Patienten zugearbeitet und ganz individuell an dessen Füße angepasst. Hierbei ist spätestens zu prüfen, ob nicht durch eine operative Versorgung eine Schmerzreduktion, beziehungsweise erleichterte Beschuhung möglich wäre.
Postoperativ nach fußchirurgischen Eingriffen bei Patienten mit RA empfiehlt sich ebenfalls eine vorübergehende Versorgung mit orthopädieschuhtechnischen Hilfsmitteln. Hierbei sind vor allem folgende drei zu nennen:
– Redressionsschienen zum Erhalt einer postoperativen Zehenstellung (Hallux-valgus-Schienen zur Varisierung des 1. Strahls)
– Vorfußentlastungsschuhe, beziehungsweise Verbandschuhe sind vor allem zur Frühmobilisierung nach Operationen am Vorfuß indiziert
– Walker wie der „VACOped“ oder „VACOpedes“ sind ebenfalls für die Frühmobilisation nach Operationen am Rück- beziehungsweise Mittelfuß geeignet, wenn eine entsprechende Stabilität benötigt wird.
Resümee
In den letzten 20 Jahren hat sich in der Behandlung der RA viel verändert. Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten und die neue Therapiestrategie haben zwar noch nicht zur „Heilung“ der RA geführt, können die Krankheitsaktivität jedoch drastisch herabsenken und somit eine Schmerzlinderung und eine deutliche Steigerung der Lebensqualität für die Patienten leisten. Die Therapie ist dadurch allerdings komplexer geworden und erfordert ein erfahrenes Behandlungsteam aus internistischem und orthopädischem Rheumatologen, Physiotherapeut, Ergotherapeut und Orthopädie(schuh)techniker. «
Literatur beim Verfasser
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Stefan Rehart
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Agaplesion Markus Krankenhaus
Wilhelm-Epstein-Str. 4
60431 Frankfurt
Ausgabe 1/2 / 2017
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