Neue Anforderungen an die Aufbereitung von Instrumenten und Oberflächen
[ABO] Durch das sich permanent verändernde Keimspektrum haben sich in den letzten Jahren immer neue Anforderungen an die Akteure im Gesundheitswesen ergeben. Zeit, einen Blick auf das neue Medizinprodukterecht, die daraus resultierenden Maßnahmen sowie neue Erkenntnisse für die Desinfektion von Oberflächen zu werfen.
In den 1990er Jahren wurde mit der Richtlinie 93/42 erstmalig eine Regelung im Umgang mit Medizinprodukten (MP) für Europa erarbeitet und musste von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland hat man das Medizinproduktegesetz (MPG) erlassen. Es war von 1995 bis zum Mai 2021 die deutsche Vorgabe im Umgang mit Medizinprodukten.
Durch den Skandal um minderwertige Brustimplantate aus Industriesilikon in Frankreich – bekannt geworden im Jahr 2010 – ergab sich eine neue Situation im Umgang mit MP. Die Europäische Union erarbeitete nun eine bis in die Mitgliedstaaten reichende Verordnung, die 2017 mit Wirkung zum 26. Mai 2020 in Kraft treten sollte. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Inkrafttreten jedoch um ein Jahr verschoben. Nun ist die Medical Device Regulation (MDR) 2017/745 seit Mai 2021 in Kraft. Mit weitreichenden Folgen: Die Mitgliedstaaten haben jetzt direkte Vorgaben aus der Verordnung umzusetzen. Damit ist das MPG in Deutschland nicht mehr gültig. Ersetzt wurde es durch das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG).
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Norm EN 17664: Aufbereitung von wiederverwendbaren Medizinprodukten
Die MDR gibt den Herstellern von MP konkret vor, was die Betreiber von MP etwa bei wiederverwendbaren Medizinprodukten wie Schleifern und Fräsen zu beachten haben. Maßgebliche Richtschnur ist die Norm EN ISO 17664 „Aufbereitung von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Vom Medizinprodukt-Hersteller bereitzustellende Informationen für die Aufbereitung von Medizinprodukten“. Dabei geht die Norm weit über die Bereitstellung von Informationen hinaus. Sie gibt alle Schritte vor der Verwendung eines neuen MP sowie die Schritte nach der Nutzung für OPs, kleinere Eingriffe oder podologische Behandlungen exakt vor.
Dabei gilt: Nicht allein die Medizinprodukte-Hersteller haben sich in ihren Herstellerangaben an diese Vorgaben zu halten. Auch Betreiber von MP wie Podologinnen und Podologen sind verpflichtet, diese Angaben für die von ihnen genutzten Medizinprodukte vorzuhalten.
Auch die Medizinprodukte-Betreiber sind gefragt
Gemäß der „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus dem Jahr 2012 haben die Betreiber von MP eine Einstufung nach Risikoklassen von ihren MP zu veranlassen und diese in den Qualitätsmanagement-Unterlagen zu hinterlegen.
Zudem sind die Vorgaben zur Validierung, also der sichere Beweis, dass die Aufbereitung der Medizinprodukte in den Räumlichkeiten der Gesundheitseinrichtung immer in der gleichen Art und Weise abläuft, zu erarbeiten. Hier geht es um die Überprüfung der Aufbereitungsprozesse, die regelmäßig zu erfolgen hat. Wie die Regelmäßigkeit definiert ist, hängt von vielen Faktoren ab und kann nicht pauschal festgelegt werden.
In der Regel werden diese Prozesse einmal im Jahr durchgeführt. Dazu sollten die Betreiber unabhängige Validierer beauftragen, die gemäß dem MPDG und der dazugehörigen MP-Betreiberverordnung (MPBetreibV) in der Lage sind, diese Prozesse zu validieren. „Unabhängig“ heißt in diesem Zusammenhang, dass nicht diejenige Firma, die zum Beispiel ein Reinigungs- und Desinfektionsgerät oder einen Sterilisator geliefert hat, zur Validierung herangezogen werden sollte. Die Ergebnisse der Validierung sind auf Verlangen von Behörden wie Gesundheitsamt, Gewerbeaufsicht oder Regierungspräsidium vorzulegen. In der Praxis bedeutet das,
- dass man alle Herstellerangaben von den im Betrieb befindlichen Medizinprodukten sammeln und sichten muss,
- die Risikoeinstufung vorzunehmen hat,
- die richtigen Geräte und Räumlichkeiten zur Verfügung stellen muss,
- das Personal gemäß dem MPBetreibV mit Sachkenntnis versehen muss und
- die Prozesse regelmäßig zu validieren hat.
Mitarbeitende und Patientinnen vor biologischen Gefährdungen schützen
Neben der ordnungsgemäßen Aufbereitung der MP sind auch Maßnahmen in der Umgebung einer Gesundheitseinrichtung zu betrachten. Für die sichere Umgebung in einer Einrichtung sind die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes zum Schutze der Mitarbeitenden sowie auch der Patientinnen und Patienten einzuhalten. Das heißt, Inhaberinnen und Inhaber einer Podologie-Praxis müssen eine regelmäßige Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen durchführen. Dabei geht es nicht nur um mechanische oder elektrische Gefährdungen, sondern auch um Gefährdungen psychischer oder – zum Thema des Beitrags passend – biologischer Art.
So sind für Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Viren, Sporen etc. „Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe“ (TRBA) erlassen worden: einmal die TRBA 500 und die TRBA 250. In der TRBA 500 sind die Rahmenbedingungen für die Ermittlung der Gefährdung durch Biostoffe genannt und in der TRBA 250 die daraus resultierenden konkreten Maßnahmen. Praxisinhaberinnen und -inhaber sind verpflichtet, die Gefährdungen zu ermitteln, sie zu dokumentieren und den Mitarbeitenden mitzuteilen. In der TRBA 250 sind Schutzstufen vorgegeben; im Gesundheitswesen arbeiten wir in der Schutzstufe 2. Das heißt, dass alle Oberflächen desinfizierend aufbereitbar sein müssen. Es sollten in der Praxis also möglichst glatte Oberflächen vorherrschen, keine rohen Holzbretter oder Ähnliches. Darüber hinaus sind Mittel und/oder Methoden einzusetzen, die den Erfolg der Desinfektion gewährleisten.
Eine weitere Herausforderung sind die im Rahmen der Pandemie zu inaktivierenden SARS-CoV-Viren, die sehr lange als Aerosole – also kleine Tröpfchenkerne – in der Luft verbleiben. Im Laufe von wenigen Stunden setzen sich diese kleinen Viren auf alle Oberflächen, eine Oberflächendesinfektion ist demnach unabdingbar.
Hier muss jedoch beachtet werden, dass händische Desinfektionsarbeiten wie das Abwischen der Oberflächen durch Mitarbeitende oder Reinigungskräfte nicht validierbar sind. Sie sind lediglich als Standardarbeitsanweisungen (Standard Operating Procedure, SOPs) beschrieben und hängen stets von der handelnden Person ab. Abhilfe schaffen können hier neuartige Systeme zur luftübertragenen Raumdesinfektion.
Berührungslose Desinfektionsverfahren
Mit Einführung der Norm EN 17272:2020 „Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika“ ist es nun möglich, Desinfektionssysteme zu prüfen, die in der Lage sind, mit chemischen Desinfektionsmitteln und Antiseptika durch automatisierte Verfahren eine luftübertragene Raumdesinfektion vorzunehmen (siehe Kasten). Es wurden Wirksamkeiten zur bakteriziden, mykobakteriziden, sporiziden, fungiziden, levuroziden, viruziden, tuberkuloziden Wirkung und die Wirkung auf Phagen geprüft. Übersetzt heißt das, dass auf Basis dieser Norm die Wirksamkeit gegen alle in einer Gesundheitseinrichtung infrage kommenden Mikroorganismen geprüft werden kann. Bislang gibt es allerdings nur sehr wenige Verfahren, für die eine Wirksamkeit gegenüber dem gesamten Spektrum an Mikroorganismen nachgewiesen werden konnte.
Aufbereitung von Medizinprodukten nachjustieren
Die neuen Vorgaben der MDR und des MPDG verlangen von MP-Betreibern ein Umdenken beziehungsweise Nachjustieren der Medizinprodukteaufbereitung. Hinzu kommen erhöhte Anforderungen an die Desinfektion von Räumen und insbesondere der Raumluft. Sie stellen
DESINFEKTION ÜBER DIE LUFT
Einer Firma (Fa. BOGA aus Soest) ist es bereits Anfang 2019 gelungen, auf Basis eines speziell entwickelten aerogenen Raumdesinfektionssystems „raX“ die hohen Vorgaben der neu geschaffenen EU-Norm EN 17272 für alle relevanten Keimklassen (Bakterizidie, Fungizidie, Viruzidie – begrenzt viruzid plus –, Mykobakterizidie sowie Sporizidie) mit niedriger und hoher Anschmutzung zu bestehen. Dabei wurde bei der Entwicklung des Desinfektionsverfahrens nach Angaben des Herstellers auch die Materialverträglichkeit im Auge behalten. Mittels umfangreicher Testreihen soll die geringste Wirkstoffdosierung ermittelt worden sein, die neben einer normgerechten Desinfektionsleistung auch eine hohe Materialkompatibilität aufwies.
Mit der eingesetzten Ultraschalltechnik und neuartigen Sensoren soll sich der verwendete Wirkstoff – in diesem Fall Wasserstoffperoxid – auch permanent in Räumen ausbringen lassen, ohne dass es eine nachteilige Wirkung auf die im Raum befindlichen Personen hat. Eine neu entwickelte Sensortechnik gewährleistet laut Hersteller zudem, dass die geltenden Grenzwerte für die Wirkstoffkonzentration in der Raumluft stetig eingehalten werden. Auf diese Weise entfaltet der Wirkstoff bereits in der Luft und in der Folge auch auf allen Oberflächen seine keimreduzierende Wirkung und erhöht die Sicherheit in den Räumen.
Aktuell wird „raX“ neben der Raumdesinfektion bei Keimausbrüchen in Kliniken und Altenheimen auch zur validierten Desinfektion von REHA-Hilfsmitteln im Rahmen des vorgeschriebenen Aufbereitungsprozesses in Sanitätshäusern eingesetzt. Entsprechende Aufbereitungsräume werden dazu bei maximaler Beladung mit diversen Hilfsmitteln unter Worst-Case-Bedingungen validiert, um eine gleichbleibende Desinfektionsqualität zu gewährleisten.