Selbstständigkeit durch Praxiskauf
[Abo] Ein Haus zu kaufen ist wohl leichter als eine Praxis zu erwerben. Im Vorfeld ist viel zu berücksichtigen. Welche Punkte beachtet werden müssen, damit Käufer und Verkäufer „zusammenkommen“, erläutert Josef Förster in diesem Beitrag.
Naht für eine Praxisinhaberin das Ende der beruflichen Tätigkeit ist oftmals der Gedanke an einen Praxisverkauf naheliegend. Andererseits beziehen Podologinnen, die sich selbstständig machen wollen, einen Kauf – neben der Praxisgründung – in ihre Planungen ein. Motiv ist bei den Verkäuferinnen die Absicht, einen gewissen Betrag für die eigene Altersabsicherung zu erlösen, bei den Käuferinnen der Wunsch, den mühsamen Aufbau einer eigenen Praxis zu vermeiden. Bei den Verkäuferinnen spielt oftmals auch eine Rolle, die über viele Jahre versorgten Patientinnen und Patienten in „gute Hände“ weiterzugeben (wobei natürlich klar ist, dass der Kundenstamm nicht verkauft werden kann und darf).
Schwieriges Zusammenfinden
Die erste Schwierigkeit ist, Angebot und Nachfrage personell und zeitlich zusammen zu bringen. Für eine kaufwillige Podologin in Hamburg ist ein Angebot in Freiburg wenig hilfreich. Doch auch wenn es um kurze Entfernungen geht wird es schwierig, wenn der Verkauf jetzt erfolgen soll, die Kaufabsicht aber erst in einigen Jahren besteht.
Wichtiges vorher
Haben sich dann doch zwei Interessentinnen gefunden, die zusammenpassen, gilt es, die unterschiedlichen Vorstellungen über Konditionen, Preise, Übergabe, Einarbeitung usw. unter einen Hut zu bringen. Vorher ist bei der Käuferin jedoch eine „Gewissenserforschung“ angezeigt. Wie bei jedem Schritt in die Selbstständigkeit auch, ist die positive Beantwortung der folgenden Fragen unbedingt nötig:
– Bringe ich persönlich und fachlich alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Selbstständigkeit mit?
– Ist das eine Praxis, in der ich hinsichtlich Lage, Größe, Aufteilung, Umfeld, Erreichbarkeit und Ambiente gerne arbeiten möchte?
– Hat die Praxis eine Kassenzulassung und ist sie nach den heutigen Zulas-sungsempfehlungen zulassungsfähig?
– Was muss ich ändern und mit welchem Aufwand, damit die Praxis mir gefällt?
– Ist der Vermieter bereit, den Mietvertrag mit mir neu abzuschließen, ohne die Konditionen zu verschlechtern und mit einer Mietdauer, die ich brauche?
Über Konditionen einigen
Sind alle Fragen positiv beantwortet, steht als nächste Hürde der Kaufpreis an. Die Verkäuferin erwartet eine hohe Summe, auch im Hinblick auf die eigene Altersabsicherung. Durch vorschnelle Nennung von Zahlen durch Dritte werden da oft unverhältnismäßige Erwartungen geweckt. Die Käuferin wiederum möchte den Aufwand möglichst geringhalten. Wie kommt es zu einer Einigung?{pborder}
Der Kaufpreis
Der Kaufpreis setzt sich in aller Regel aus drei Bestandteilen zusammen:
– Unternehmenswert (Firmenwert oder Goodwill);
– Preise für Werkzeuge, Materialien, Betriebs- und Geschäftsausstattung u. ä.;
– Preise für Inventar.
Für den immateriellen Wert (sogenannter Goodwill) einer zum Verkauf anstehenden podologischen Praxis gibt es weder ein verbindliches noch ein allgemein anerkanntes Verfahren. Es können folgende Verfahren in Frage kommen:
– sogenanntes Ertragswertverfahren;
– Handreichung des Deutschen Verbandes für Podologie;
– sinngemäße Anwendung des Verfahrens für Arztpraxen der Bundesärzte-kammer;
oder auch ein von mir entwickeltes Verfahren, welches sich an den Betriebsmittelersparnissen gegenüber einer Neugründung orientiert. Die daraus resultierenden Unterschiede sind beachtlich wie die folgende Übersicht der Werte zu einem realen Praxiskauf mit einer Auslastung von durchschnittlich 1,5 Kabinen zeigt:
– Ertragswertverfahren: 150000 Euro;
– Deutscher Verband für Podologie: 31000 Euro;
– Bundesärztekammer: 0 Euro;
– Verfahren Förster: 18000 Euro.
Doch nicht nur bei dem immateriellen Wert einer Praxis können große Meinungsverschiedenheiten auftreten. Inventar, Werkzeuge und Materialien, die übernommen werden sollen, werden hinsichtlich ihres Wertes höchst unterschiedlich beurteilt. Die im Anlagenspiegel noch aufgeführten Restwerte können allenfalls einen Anhaltspunkt für die Bewertung liefern. Genaue Bestandsaufnahmen über Mengen und Erhaltungszustand sind unerlässlich.
Da es nichts Verbindliches oder Einklagbares gibt, kann die Frage nach dem Wert einer Praxis deswegen in einer Marktwirtschaft nur so beantwortet werden: eine Praxis ist so viel wert, wie ein Dritter dafür bereit ist zu bezahlen.
Was kann noch kommen?
Neben der Kaufpreishürde müssen noch weitere Faktoren betrachtet werden.
Wer seine Praxis aufgibt, der wird in den letzten Jahren wenig oder gar nichts in die Praxis investiert haben, eventuell auch nachlässig mit seinen Kunden umgehen. Bei der Finanzplanung muss also auch bedacht werden, dass nach dem Kauf Renovierungen und Verschönerungen anstehen und vermutlich in absehbarer Zeit das eine oder andere Teil erneuert werden muss.
Lohnt es sich für mich?
Dem schließt sich die wichtigste Frage an: Lohnt sich der Kauf dieser Praxis für mich? Zur Beantwortung dieser Frage ist die Prüfung und Auswertung einiger Unterlagen zwingend:
– Abschlüsse der letzten drei Kalenderjahre;
– Aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) des Steuerberaters;
– Kundenstamm;
– Terminpläne;
– Kassenbücher;
– Personalunterlagen.
Dabei sollte auch nachgefragt werden, inwieweit diese Unterlagen alle Geschäftsvorfälle vollständig erfassen.
Geschäftsplan erforderlich
Kosten, Erlöse, Auslastung und andere Parameter müssen analysiert werden.
Die Auswertung der Unterlagen und die Interpretation der Ergebnisse gibt dem Fachmann die wichtigsten Anhaltspunkte. Ist die Fortsetzungsprognose für die Praxis positiv und ist die zu erwartende Rentabilität für die Erwerberin auskömmlich, so steht wohl als nächstes ein Geschäftsplan an, den die finanzierende Bank verlangen wird. Für die Beratung und Finanzierung anlässlich des Kaufs können diverse Förderprogramme der öffentlichen Hand als Unterstützung in Frage kommen.
Was gehört in den Kaufvertrag?
Letztendlich mündet alles in den Kaufvertrag. Stichworte dazu sind:
– Welche Termine sind einzuhalten?
– Was genau an Inventar, Räumen, Namen, Telefonnummern etc. wird übernommen?
– Gehen Arbeitsverträge von Mitarbeitern über?
– Soll es ein Wettbewerbsverbot für die Verkäuferin geben?
– Wie werden der Datenschutz und der Zugang für die Patientendaten geregelt?
– Braucht es Regelungen zum Rücktritt?
– Wie ist es mit Forderungen des Finanzamtes, liegt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor?
– Wie und wann wird der Kaufpreis fällig und gezahlt?
– Wie erfolgt die Abgrenzung der Leis-tungen? Nicht unerheblich sind auch steuer-
liche Fragen dabei. Nach allem was wir wissen, ist der Kauf nur dann umsatzsteuerfrei, wenn die Praxis als Gesamtheit gekauft wird. Behält die Verkäuferin einige liebgewordene Einrichtungsgegenstände, droht die Umsatzsteuer.
Nach dem Kauf
Ist der Kaufvertrag dann ausgehandelt, gestaltet sich der weitere Ablauf wie sonst bei einer Gründung auch: Terminplanung für die Übergabe und für die ersten eigenen Kunden, Information der Kunden, IK-Kennzeichen, Zulassungsantrag, Versicherungen, Meldung beim Finanzamt, Kontoeinrichtung usw.
Die Alternative zum Kauf
Je nachdem, welche Beträge für Material, Inventar, Renovierung und Modernisierung, Firmenwert und spätere Ersatzinvestitionen zusammenkommen, wäre als Alternative auch an die Gründung einer eigenen Praxis zu denken. Die Schmerzgrenze dürfte bei etwas 40000 Euro liegen. Bei höheren Gesamtkosten für den Kauf wäre wohl eine Gründung vorzuziehen.
Um dies zu beurteilen, abzuwägen und zu entscheiden kommt es entscheidend auf die persönlichen, finanziellen und örtlichen Begleitumstände an. Pauschale Antworten zu den Alternativen Kauf oder Gründung gibt es nicht. «
Anschrift des Verfassers:
Dipl.-Verwaltungswirt (FH)/ Betriebswirt Josef Förster
Beratender Verwaltungswirt
Mommsenstr. 7, 45144 Essen
Ausgabe 03/04 / 2017
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