So wird ein Schuh draus
Der Schutz des Fußes vor Schädigungen durch Kälte, Hitze und Trauma ist die älteste und nach wie vor wichtigste Aufgabe des Schuhwerks. Spezialschuhe für Arbeit und Sport vermögen das Verletzungsrisiko zu verringern, können es aber nicht ganz ausschalten. Schuhe sollen auch das Stehen und Gehen erleichtern und damit die Steh- und Gehfähigkeit verbessern. Allerdings müssen Schuhe passen. Wenn nicht, entstehen Blasen, Druck- und Scheuerstellen.
Der Aufbau eines Schuhs
Der Alltag stellt unterschiedliche Anforderungen an die Schuhe. So sind der Aufbau und die Konstruktion auf diese Anforderungen genau abzustimmen. Im Folgenden werden wesentliche Konstruktionsmerkmale vorgestellt (Abb. 1). Die Brandsohle (Abb. 2) ist das Kernstück des Schuhes. Über ihr wird der Schuh gefertigt und sie entscheidet über Passform, Funktion und Aussehen des Schuhes. Der Schaft besteht aus dem zusammengenähten Oberschaft mit dem Innenfutter. Der vordere Bereich wird als Blatt und der hintere als Quartier bezeichnet. Zur Fertigung werden Papiermodelle erstellt, die als Schnittmuster zum Ausschneiden des Obermaterials dienen. Diese Arbeit kann mittlerweile auch von CAD/CAM-Programmen besorgt werden.
Das Innenfutter, meistens aus Leder, kleidet den Schuh von innen aus und hat bei einem Halbschuh hinten eine Futterhose, die aus rauem Leder besteht und das Schlupfen im Schuh vermeidet. Die Lasche liegt direkt unter der Schnürung und schützt den Fußrücken vor Strangulationen mit dem Schuhband. Ein Laschenpolster schützt zusätzlich den Fußrücken und die darunterliegenden Gefäße, Sehnen und Nerven. Die Hinterkappe ist eine Verstärkung im Schuh zwischen Futterleder und Oberleder, die der Ferse Führung und Halt gibt.
Die Vorderkappe ist die Verstärkung im vorderen Teil des Schuhes und wird ebenfalls zwischen Futterleder und Oberleder eingearbeitet. Die Überstemme werden aus Leder oder Kunststoff gefertigt und stellen die Verbindung zwischen Vorderkappen und Hinterkappen her. Die Gelenkfeder ist trotz ihres Namens eine starre Verbindung aus Metall oder festem Kunststoff, die unter dem Absatz beginnt und proximal der Mittelfußköpfchen endet. Sie vermeidet ein Durchtreten des Schuhes. Der Rahmen ist bei einem rahmengenähten Schuh mit dem Oberleder und dem Futterleder vernäht. Die meisten Schuhe haben heute einen Zierrahmen, der verklebt wird.
Der Absatz besteht aus dem Absatzblock und dem Absatzfleck. Absatzform, -höhe und Material sind wichtige Funktions- und Stilkomponenten am Schuh. Die Zwischensohle wird direkt auf den Rahmen geklebt. Sie liegt zwischen Rahmen und Laufsohle und dient der Verstärkung des Schuhbodens, wie es beispielsweise am Arbeits- oder Wanderschuh zu finden ist. Die Laufsohle wird unter den Rahmen oder die Zwischensohle geklebt und entscheidet über die Haftung der Sohle auf dem Untergrund. Sie kann glatt, profiliert, weich oder hart sein.
Konstruktionsgrundlagen
Designer aus der modischen Damenschuhindustrie haben andere Prioritäten als die Konstrukteure der Brandsohlen für Kinderschuhe und diese wieder andere als die Fachärzte für Orthopädie. Während früher eine Konstruktionszeichnung für die Brandsohle nach klaren Vorgaben erstellt worden ist, wird heute in Modulbauweise nach Schablonen gearbeitet. Im Folgenden werden die Parameter vorgestellt, die den Brandsohlenkonstruktionen zu Grunde liegen:
1. Fußform: Quadratfuß, ägyptische Fußform, griechische Fußform.
2. Kurzer Vorfuß, langer Vorfuß.
3. Zehenformationen: von breit bis nach spitz.
4. Zehenwinkel: Ausrichtung der Großzehe in Varus- oder Valgusstellung.
5. Fußdeformationen: Platt-, Hohlfuß oder Hallux valgus.
6. Fußumfangmaße: Kleinzehballenmaß, Ballenmaß, Vorspannmaß, Spannmaß, Fersenmaß, Knöchelmaß, Beinmaße.
Die Spitzenformen von Brandsohlen werden im Wesentlichen unterschieden zwischen:
- Spitz (elegant zum Beispiel Pumps, Westernstiefel);
- Rund (Herrenschuhe, Sportschuhe);
- Karree (modische Damen- und Herrenschuhe);
- Karree rund (modische, funktionelle Herrenschuhe);
- Voll (Herren-, Arbeitsschuhe);
- Natur (bequeme Schuhmode.
Da der Fuß unter Belastung in der Schrittabwicklung länger wird, erhält jeder Schuh eine Spitzenzugabe. Der Schuh ist also immer länger als der Fuß. Die Spitzenzugabe ist kein fester Wert, sondern orientiert sich an Kriterien wie der Schuhgröße oder der Schuhform.
Die Maße eines Schuhs
In der Schuhindustrie und auch in der Orthopädieschuhtechnik gelten einheitliche Maße. Die 2D-Maße werden in der Brandsohle festgelegt, die 3D-Maße werden sowohl in dem Leisten als auch in der Leistenkonstruktionszeichnung festgehalten (Abb. 3).
1. Brandsohlenlänge: die Gesamtlänge vom Leistenboden.
2. Leistenlänge: sie entspricht dem Rahmenmaß; in ihr ist die Absatzsprengung bereits enthalten. Beides wird für die Konstruktion benötigt.
3. Absatzhöhe: Auftritt der Fersenmitte bis zur Bodenebene ist die Absatzhöhe. Sie wird immer im Schuh gemessen; hinten gemessen heißt sie Konstruktionshöhe.
4. Spitzenzugabe: die Differenz zwischen innerer Schuhlänge und Fuß-länge; sie wird auch als Übermaß bezeichnet.
5. Wachstumszugabe: Sie beträgt zwischen fünf und 15 Millimeter und wird zur Spitzenzugabe addiert.
6. Umfangsmaße: Kleinzehen-Ballenmaß, Ballenmaß, Vorspannmaß, Spannmaß, Fersenmaß, Knöchelmaß, Beinmaße.
7. Zehenhöhe: das größte Höhenmaß von der Großzehe verlaufend nach lateral zur Kleinzehe.
8. Spitzenhub: die Differenz zwischen Bodenebene und Leistenspitze ist der Spitzenhub am Leisten.
9. Absatzsprengung: Differenz zwischen dem Auftritt der Fersenmitte und dem Ballenauftritt (Auftrittspunkt).
10. Fersenbreite: im leicht belasteten Zustand der Ferse (beim sitzenden Patienten) an der breitesten Stelle der Ferse gemessen.
11. Auftrittspunkt: Der Mittelpunkt zwischen der Verbindungslinie von MFK 1 und MFK 5.
Weitenmaße
In englischer und amerikanischer Nummerierung beträgt die Weitendifferenz bei Damen- und Herrenschuhen 6,35 Millimeter, bei französischer Nummerierung fünf Millimeter.
Längenmaße
Das Längenmaß entspricht der Brandsohlenlänge (Fußlänge mit Zugabe). Es wird unterschieden:
1. Englisches Längensystem (UK): Die Größe 0 entspricht der Länge von 4 Zoll (= 10,16 cm). Die Kindergrößen gehen von 0 bis 13. Die Größen der Erwachsenen folgen darauf mit Nummer 1 und enden bei Nummer 14. Halbe Nummern sind üblich.
2. Französisches Längenmaß (EU): Bei 15 Stichen (= 10 cm, 1 Stich = 2/3 cm) beginnt die französische Längenmaßtabelle. Diese Längenmaßtabelle ist feiner abgestuft und geläufiger.
3. Amerikanisches Längenmaßsystem (US): Basierend auf dem englischen Längensystem unterscheidet es sich vom Ausgangsmaß 4 Zoll bei dem UK-Längensystem und 3,916 Zoll bei dem US-Längensystem.
Baumgartner, Stinus, Möller: Orthopädie-schuhtechnik, 3. Auflage, C. Maurer Fachmedien 2018
Baumgartner, Stinus, Möller: Orthopädie-schuhtechnik, 3. Auflage, C. Maurer Fachmedien 2018