Folgen Sie uns
13. Februar 2023
Redaktion

Überlasteter Knochen: Ermüdungsfraktur am Fuß

[Abo] Ermüdungsbrüche sind eine spezielle Form von Knochenbrüchen, die aufgrund wiederkehrender Belastung auftreten können. Ursache kann neben übermäßiger körperlicher Betätigung auch eine Osteoporose sein, von der mehr als 40 Prozent der Frauen über 50 – aber auch immer mehr Männer – betroffen sind.

Foto: Jeanette Dietl/Adobe Stock

Bei einer Ermüdungsfraktur handelt es sich um eine wiederholte übermäßige mechanische Belastung mit Schädigung der Knochenstruktur. Mikrofrakturen innerhalb des Knochens führen letztlich zum Ermüdungsbruch, wobei das physiologische Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und -abbau gestört ist. Am Fuß sind vor allem II. bis IV. Os metatarsale (Mittelfußknochen) oder die Ferse betroffen. Frauen erkranken häufiger als Männer. Prädisponiert sind Sportler*innen mit Lauf- und/oder Sprungdisziplinen, aber auch ältere Menschen.{pborder}

Synonyme sind Stressfraktur, Marschfraktur und Deutschländer-Fraktur. Als Sonderform gilt die Insuffizienzfraktur.

Historisches

Im Jahre 1855 erkannte der Chirurg und Oberstabsarzt des preußischen Heers Breithaupt erstmalig bei jungen Rekruten nach verstärkter Marschbelastung „Fußgeschwülste“ in der Mittelfußregion. Des Weiteren beschrieb der Orthopäde Carl E. Deutschländer (1872-1942) aus Hamburg die Marschfraktur, die nach ihm „Deutschländer-Fraktur“ benannt wurde.

Risikofaktoren eines Ermüdungsbruchs

  • mechanische Faktoren infolge einer übermäßigen Belastung im Sinne einer Fehlbelastung durch Fußdeformitäten wie stärkere Knick-Senk-Spreizfüße, Plattfüße, Hohlfüße, angeborene Fehlbildungen des Fußes, ferner ungeeignete Schuhe (zu hoch, zu spitz, zu eng) und schwere Traglasten
  • länger anhaltende, ungewohnte Belastungen – zum Beispiel permanentes Stehen auf Leitern oder Gerüsten
  • unebener Boden
  • Essstörungen
  • Hormonumstellung mit Minderung von Kalziumeinlagerung im Knochen (Klimakterium mit Östrogenmangel)
  • Vitamin-D-Mangel
  • Elektrolytstörungen (zum Beispiel Kalzium-, Kalium-, Natrium- und/oder Magnesiummangel)

Bei Sportler*innen kommen überdies falsche Lauftechnik, Trainingsumstellung, zu schneller Trainingsaufbau, extreme Trainingssteigerung und/oder ungeeignete Schuhe als Ursache infrage.

Ebenso können bei Wandersportler*innen, die lange Wegstrecken ohne entsprechende Übung zurücklegen, oder Soldat*innen in anfänglicher Ausbildung durch Märsche aufgrund ungeübter Lauf- und Gehbelastung Ermüdungsfrakturen (sogenannte Marschfrakturen) auftreten.

Weitere Lokalisationen von Ermüdungsfrakturen

  • Die seltene Jones-Fraktur befindet sich am fünften Mittelfußknochen.
  • Am Wadenbein (Fibula) oder am Schienbein (Tibia) betrifft es besonders Sportler*innen.
  • Stressfrakturen in der Rippen- oder Wirbelregion sind als sogenannte Hustenfrakturen und in der Halswirbelregion als Schipperkrankheit bekannt.

Insuffizienzfraktur am Fuß

Eine Insuffizienzfraktur (siehe Fallbeispiel 1) ist eine Sonderform eines Ermüdungsbruchs ohne adäquates Trauma in Anbetracht einer vorliegenden und auslösenden Grundkrankheit wie Osteoporose (Abb. 1 a + b), Rheuma, Diabetes mellitus, Hyperurikämie (Gicht, Purin-Stoffwechselstörung), Osteomalacie (Erweichung des Knochens durch mangelnden Einbau von Mineralstoffen) sowie Knochentumore und/oder Metastasen.

Klinische Symptome

Die Schmerzen beginnen anfangs schleichend und ver­stärken sich nach längerer, hoher Belastung im Mittelfußbereich. Betroffene schildern einen dumpfen bis stechenden Schmerz. Sportler*innen geben bei Trainingssteigerung und letztlich dann auch in Ruhe anhaltende Schmerzen im Vor- und Mittelfuß an. Bei der Inspektion fällt eine Schwellung im Mittelfuß (Metatarsus) auf. Des Weiteren kann eine Rötung beziehungsweise Überwärmung vorliegen. Palpatorisch ist ein lokaler Druckschmerz typisch. Ein Funktionsverlust, der bei einer klassischen Fraktur durch ein Trauma sofort vorhanden ist, entwickelt sich beim Ermüdungsbruch meist schleichend.

Alle Fotos: Renate Wolansky

Diagnostik

Im Vordergrund steht zunächst die Erhebung einer expliziten Anamnese, um auslösende Ursachen – zum Beispiel sportliche Aktivitäten inklusive ausgeübte Sportdisziplinen, Bagatelltraumata oder Grundkrankheiten – abzuklären. Inspektion und Palpation folgen.

Auffällig ist eine Schwellung im Mittelfußbereich. Die Auslösung eines typischen lokalen Druckschmerzes kann mithilfe eines Push-up-Tests oder Press-up-Tests provoziert werden. Dabei drückt die Ärztin oder der Arzt mit einem oder beiden Daumen hinter die Mittelfußköpfchen.

Bei der bildgebenden Diagnostik bestehen in der akuten Phase auf den konventionellen Röntgenbildern in der Regel zunächst keine Hinweise auf einen Ermüdungsbruch. Diese stellten sich verzögert erst nach drei bis vier Wochen durch eine Knochenentkalkung und periostale (Periost = Knochenhaut) Auftreibung dar (Abb. 2 a + b). Mit der Skelettszintigrafie (nuklearmedizinisches bildgebendes Verfahren mithilfe von Radiopharmaka) kann frühzeitig eine Strukturstörung im Knochen erfasst werden. Als sichere bildgebende Methode kommt die Magnetresonanztomografie (MRT) in Betracht. Bereits im Frühstadium ist ein typisches Knochenmarködem und etwas später die meistens nicht dislozierte (keine Verschiebung der Bruchenden) Ermüdungsfraktur zu erkennen.
Ferner kann letztlich bei dislozierten Bruchteilen vor einer notwendigen Operation, einer sogenannten Osteosynthese, die digitale Volumentomografie (DVT) eingesetzt werden. Bei einer Osteosynthese werden frakturierte Knochenteile mit Osteosynthesematerial mittels Kirschnerdraht, Schrauben und/oder Platten fixiert und stabilisiert.

Differenzialdiagnostik

Zum Ausschluss kommen in Betracht:

  • Überlastungsschäden
  • Osteomalazie: Weichheit der Knochen mit Gefahr einer Verbiegung infolge mangelnden Einbaus von Mineralien im Knochen
  • Osteomyelitis: Knochenmarkentzündung mit Knochen- (Ostitis) und Knochenhautentzündung (Periostitis)
  • Osteoidosteom: benigner (gutartiger) Knochentumor
  • Osteosarkom: hochmaligner (bösartiger) Knochentumor
  • Metastase: Tochtergeschwulst eines fernab gelegenen malignen Tumors
  • Vitamin-D-Stoffwechselstörungen
  • Kompartmentsyndrom (sogenanntes Logensyndrom von Faszien)
  • Arthrose

Prophylaxe

Eine wichtige Rolle spielt eine gesunde Lebensweise. Dazu gehören eine Vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung. Besonders Kalzium ist für den Knochenaufbau notwendig. Reichlich Sonnenlicht fördert zudem die Vitamin-D-Bildung, was wiederum den Kalziumgehalt im Knochen fördert. Des Weiteren sind tägliche Bewegung und dem Alter entsprechende Sportdisziplinen ratsam. Ebenso ist auf geeignetes Schuhwerk zu achten. Dabei sollten die Schuhe nicht zu hoch, zu spitz, zu eng oder zu kurz sein. Bei Frauen ist eine Absatzhöhe nicht über 4 Zentimeter und bei Männern nicht über 3 Zentimeter ratsam. Atmungsaktives Leder garantiert eine gute Belüftung der Füße. Zur Pflege der Füße bieten sich Pflegemittel mit Ureazusatz an. Die Durchblutung der Fußmuskulatur kann mithilfe von Fußmassagen, -gymnastik und -bädern mit Zusätzen gefördert werden.

Sportler*innen – vor allem diejenigen mit Laufdisziplinen – sollten abrupte Leistungssteigerungen vermeiden. Zu beachten ist zudem, das Training auf weichem Untergrund mit geeigneten Schuhen zu absolvieren.

Um drohende Insuffizienzfrakturen bei vorliegenden Grundkrankheiten (siehe Risikofaktoren) zu verhindern, kommt eine medikamentöse Behandlung inklusive ärztliche Konsultationen in Betracht. Eine gute Compliance der Patient*innen ist Voraussetzung. Bei Betroffenen mit Osteoporose können – zusätzlich zur medikamentösen Behandlung zum Beispiel mit einem Kalziumpräparat oder Bisphosphonat – kurzzeitige regelmäßige Übungen auf einem Bellicon-Mini-Trampolin mit geringen Schwingungen die Stabilität der Knochen fördern. Auch hier spielt die Compliance der*des Patient*in eine maßgebende Rolle.

Therapie

Ziele sowohl einer konservativen als auch operativen Therapie bei einem Ermüdungsbruch am Fuß sind Schmerzfreiheit, eine Verheilung der Fraktur sowie Wiedererlangen der optimalen physiologischen Funktion.

Schmerzauslösende Belastungen sind unbedingt zu vermeiden. Bei nicht dislozierter (nicht verschobenen Knochenfragmenten) Ermüdungsfraktur ist eine sofortige Ruhigstellung im Walker oder Vorfußentlastungsschuh für etwa vier bis sechs Wochen erforderlich. Zur Schmerzlinderung und Abschwellung bieten sich NSAR (nicht-steroidale, antirheumatische Mittel ohne Kortison) und Analgetika (Schmerzmedikamente) an. Ferner sind Kryotherapie oder kalte Umschläge und Lymphdrainagen in der Frühphase empfehlenswert. Teilbelastungen auf dem Hometrainer oder Übungen im Wasser, ohne kompletten Stand auf dem Fuß, können Sportler*innen bei bestehender Schmerzfreiheit – im Sinne eines leichten Minimaltrainings – dosiert anwenden.

Indikationen für eine operative Behandlung einer Ermüdungsfraktur sind dislozierte Knochenbruchenden (verschobene frakturierte Knochenteile), verzögerte Frakturheilung, die Bildung einer Pseudarthrose sowie Knocheninstabilität. Um eine physiologische Stellung, Stabilität und frühzeitige Mobilisation zu erlangen, kommt nach einer Wiedereinrichtung (Reposition) eine Osteosynthese (s. u. Diagnostik) infrage.

Nach Ausheilung der Ermüdungsfraktur sollten Sportler*innen das Training langsam quantitativ und qualitativ steigern. Läufer*innen und Wandersportler*innen wird empfohlen, auf unebenem Boden wie weichem Waldboden zu trainieren. Asphaltböden sind nach abgeheilter Ermüdungsfraktur abzulehnen für alle Laufdisziplinen.

In der Nachbehandlung einer Ermüdungsfraktur ist vorübergehend eine harte Einlage aus Carbon (ca. 2mm dünne Einlegesohle), die in Schuhe mit runder Laufsohle (z. B. Joggingschuhe) platziert werden, angebracht. Diese übernimmt und unterstützt die Abrollbewegungen des Fußes.

Autorin
Orthopädin Dr. Renate Wolansky
Luisenstraße 26
06618 Naumburg

 

Artikel als PDF herunterladen:

herunterladen

Foto: Eakrin/Adobe Stock
Zurück
Speichern
Nach oben