Folgen Sie uns
26. Juni 2023
Dr. med. Renate Wolansky
Der Immersionsfuß

Wenn Kälte und Nässe zur Gefahr werden

Ein Immersionsfuß tritt auf, wenn die Füße über einen längeren Zeitraum in kalten, feuchten Socken und Stiefeln stecken. Wie sich ein Kälte-Nässe-Schaden der Haut behandeln lässt und was es sonst noch zu beachten gilt, weiß Orthopädin und Lehrkraft für Podologie Renate Wolansky.
1a Waschhaut an beiden Fußsohlen bei einem 56 Jahre alten Jäger, der häufig längere Zeit mit durchlässigen Stiefeln und nassen Socken im Wasser stand und ging.

Bei einem Immersionsfuß handelt es sich um Fußläsionen durch langanhaltende Feuchtigkeitseinwirkung bei Wassertemperaturen über dem Gefrierpunkt. Gängige Synonyme sind Grabenfuß, Fußbrand und „trench foot“. Eine Ansteckungsgefahr ist nicht gegeben. Mit Erfrierungen der Füße bei Minusgraden darf sie nicht verwechselt werden.

Krankhafte Veränderungen des Fußes im Sinne eines Immersionsfußes wurden erstmalig im Jahre 1812 während des Armeerückzugs Napoleons aus Russland vom französischen Militärchirurgen Dominique Jean Larrey erwähnt. Die Bezeichnung „Grabenfuß“ geht auf Kämpfe von Soldaten im Ersten Weltkrieg zurück, die sich in nasskalten Schützengräben aufhielten. Ihre Füße waren stundenlang kalten und nassen Bedingungen in wasserdurchlässigen Stiefeln ausgesetzt.

Dabei kann sich schon nach zehn bis zwölf Stunden unter Nässe und anhaltender Kälte ein Immersionsfuß entwickeln. Weiterhin sind Menschen in prekären Situationen wie Flüchtlinge oder Obdachlose gefährdet, die viele Stunden bei schlechten Wetterbedingungen mit atmungsinaktiven Schuhen unterwegs sind und weder einen Strumpf- noch Schuhwechsel durchführen können. Das Krankheitsbild kann aber auch bei Pilger*innen oder Wandersportler*innen auftreten.

Ursachen

Die Entwicklung eines Immersionsfußes ist auf eine circa zehn- bis zwölfstündige externe Wassereinwirkung über dem Gefrierpunkt in Schuhen und Socken zurückzuführen. Die Füße werden schneller kalt. Durch Verdunsten der Feuchtigkeit über die Haut des Fußes kommt es zu einem Wärmeverlust – zur sogenannten Verdunstungskälte – mit typischer Waschhaut. Das gekühlte Blut gelangt aus der Peripherie über den Kreislauf in den Körper – und die Körpertemperatur sinkt. Die Folge ist eine Herabsetzung der Immunabwehr, welche Folgeerkrankungen begünstigen kann. Des Weiteren führt eine Kontraktion der Blutgefäße zur Abnahme sowohl des Sauerstoffgehalts als auch der notwendigen Nährstoffe. Betroffen sind hier vor allem die Haargefäße (Kapillaren), die Arterien und Venen verbinden. Mögliche Folgen sind Schädigungen im Weichteilgewebe und den knöchernen Strukturen.

Foto: Renate Wolansky
1b Der Betroffene gab bei der Anamnese Missempfindungen wie Kribbeln und pelziges Gefühl sowie Juckreiz in beiden Fußsohlen an. Deutlich zu sehen sind runzlige, blasse Hautfalten – die sogenannte Waschhaut – in der mittleren Region der Fußsohle.

Im weiteren Verlauf können sich ein Brand (Gangrän) oder sogar eine Gewebenekrose entwickeln, die gegebenenfalls eine notwendige Amputation nicht ausschließen. Ferner besteht die Gefahr einer „Superinfektion“ durch Eindringen von Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilzen, wodurch eine Wundrose (Erysipel) oder im schlimmsten Fall eine lebensgefährliche Blutvergiftung (Sepsis) entstehen kann.

Die Folgen einer zehn bis zwölfstündigen Wassereinwirkung an den Füßen lassen sich in vier Stadien einteilen:

  • Stadium I: Hier entwickelt sich eine weißliche, blasse Waschhaut – runzlige Hautfalten – infolge einer Minderdurchblutung (Abb. 1a + b). Betroffene geben ein typisches Taubheitsgefühl an. Schmerzen bestehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
  • Stadium II: Die Haut des Fußes erscheint rot bis bläulich. Ferner ist eine Anschwellung infolge einer krankhaften Ansammlung von Zwischenzellflüssigkeit (Ödem) des Fußes typisch.
  • Stadium III: Fortlaufend kommt es zu einer vermehrten Blutansammlung (Hyperämie). Die Haut des Fußes erscheint trocken. Zudem kann es zur Blasenbildung und später zu offenen Wunden kommen. Hinzu können zunehmend starke, anfallsartige Nervenschmerzen (Neuralgie) auftreten.
  • Stadium IV: Zuletzt folgt die post-hyperämische Phase mit irreparablen Läsionen im Gewebe bis hin zu tiefen Geschwüren (Ulzera).

Klinische Symptomatik

Anfangs bestehen Missempfindungen (Parästhesien) wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und Juckreiz. Im weiteren Verlauf treten vorwiegend an der Ferse und dem Fußballen bei Belastung zunehmende Schmerzen auf. Außerdem bildet sich ein Ödem in der gesamten Region der Füße. Mechanische Faktoren wie Scheuern, Druck oder Reibung aufgrund von durchnässtem, ungeeignetem Schuhwerk und Socken resultieren zunächst in oberflächlichen, entzündlichen Schürfwunden. Im weiteren Verlauf können sie zur Aufweichung des Gewebes (Mazeration) sowie zu tiefen Wunden mit Fieber und drohender Superinfektion führen.

Diagnostik

Oberste Priorität hat eine ausführliche Anamnese, um bereits auslösende Ursachen wie eine längere Einwirkung von Feuchtigkeit und Kälte in Schuhen und Socken auf die Füße abzuklären. Es folgen Inspektionen der Füße, der Schuhe sowie der Strümpfe. Eine periphere Nervenschädigung (Polyneuropathie) kann mithilfe einer klinischen Untersuchung unter Anwendung verschiedener Hilfsmitteln erfolgen. Hierzu einige Beispiele:

  • Tip Therm zur Überprüfung des Temperaturempfindens
  • Neurotip zur Überprüfung des Schmerzempfindens
  • Wattebausch zur Überprüfung der Oberflächensensibilität
  • Mono- oder Neurofilament zur Überprüfung des Druckempfindens
  • Stimmgabel nach Rydel-Seiffer zur Überprüfung der Tiefensensibilität (Vibrationsempfinden)

Serologische Untersuchungen zum Ausschluss entzündlicher Reaktionen aufgrund einer Infektion betreffen die Bestimmung der Blutsenkung, weiße Blutkörperchen (Leukozyten) und des C-reaktiven Proteins (CRP) zum Ausschluss entzündlicher Prozesse und Gewebeschädigung. Die Entzündungsmarker weisen auf den Schweregrad einer Infektion hin. Zur Beurteilung knöcherner Strukturen kommen konventionelle Röntgenbilder und zusätzlich von Weichteilen gegebenenfalls eine Magnetresonanztomografie (MRT) infrage.

Therapie und Prophylaxe

2 Nach regelmäßiger podologischer Behandlung, wiederholtem Wechseln der nassen Stiefel und Socken, Trocknung der Füße sowie Anwendung von Pflegeprodukten mit Ureazusatz trat an der Fußsohle – subjektiv und objektiv – eine deutliche Besserung ein.

Eine wichtige Rolle bei Therapie und Prophylaxe spielt das regelmäßige Wechseln der nassen Schuhe und Strümpfe, da anhaltende Feuchtigkeit schneller zu kalten Füßen führt. Ratsam ist atmungsaktives, wasserundurchlässiges Schuhwerk. Nasse Füße sollten mindestens zehn Stunden austrocknen und von Schmutz- und Faserpartikeln gesäubert werden. Besonderes Augenmerk sollte hier auf die Zehenzwischenräume (interdigital) gelegt werden.
Hochlagerung und Warmhaltung der Füße ist angezeigt. Anschließend ist die Anwendung von Pflegeprodukten mit Ureazusatz (Harnstoff) empfehlenswert (Abb. 2 + 3 a+b). Bei entzündlichen Reaktionen sind eine Überprüfung des Tetanusschutzes und gegebenenfalls eine Auffrischung der Impfung erforderlich.

Auf Nikotin sollte verzichtet werden. Schmerzlinderung und Reduzierung einer Anschwellung des Fußes können durch Einnahme von NSAR (nicht steroidale [ohne Kortison] Antirheumatika) erreicht werden. Bei einer bakteriellen Superinfektion erfolgt eine lokale und gegebenenfalls systemische Antibiotikum-Behandlung; bei viraler Infektion der Einsatz eines Virostatikum. Letzte Alternative wäre eine Amputation, die unbedingt zu vermeiden ist.

Foto: Renate Wolansky
3a Waschhaut an beiden Fußsohlen wies eine 49-jährige Landwirtin durch häufiges Stehen in nassen Stiefeln und nassen Socken auf.
Foto: Renate Wolansy
3b Regelmäßige Behandlungen sowie Tipps und Förderung der Compliance durch den behandelnden Podologen führten zu einer deutlichen Verbesserung der schlecht durchbluteten Waschhaut mit Parästhesien.

Tipps für Wandersportler*innen

Für Wandersportler*innen, die mehrtägige Trekkingtouren bei anhaltendem Regen oder Bodenfeuchtigkeit durchführen, kommt nach Wechsel der nassen Schuhe und Strümpfe ein warmes Fußbad oder Wechselbäder infrage. Sie fördern die Durchblutung der Füße sowie des gesamten Körpers. Des Weiteren sind im Winter Wollsocken ratsam.

Wasserdichte Socken zeichnen sich durch eine wasserdichte Membran und atmungsaktives Material aus. Sie schützen vor Wasser und Schlamm ebenso wie vor Kälte. So können zum Beispiel Dampfsperre-Socken, die über die Strümpfe gezogen werden, Verdunstungskälte bei längeren Wanderungen im Winter oder bei Nässe und Kälte lindern. Weiterhin weisen Gore-Tex-Socken eine hohe Wasserdichte auf. Zur Imprägnierung können die Schuhe zusätzlich mit Wachs eingerieben werden.

Autorin
Orthopädin Dr. Renate Wolansky
Luisenstraße 26
06618 Naumburg

Foto: Eakrin/Adobe Stock
Zurück
Speichern
Nach oben