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9. November 2021
Redaktion

WUKO 2021: Im Gespräch mit Kongresspräsident Prof. Dr. med. Martin Storck

Komplexe und schlecht heilende Wunden stehen im Fokus des 04. Nürnberger Wundkongresses am 02. und 03. Dezember 2021. Einen ersten Einblick in Schwerpunkte, Highlights und neueste Forschungsergebnisse der Tagung gibt Kongresspräsident Prof. Dr. med. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe und Präsident des Deutschen Wundrates (DWR) e. V.

Foto: alesmunt/Adobe Stock

Herr Professor Storck, als Kongresspräsident haben Sie dem 04. Nürnberger Wundkongresses das Motto „Wundversorgung zwischen Kompetenz und Wissenschaft“ gegeben. Ist das ein Zwiespalt?
Das Motto dieses Kongresses soll darauf hinweisen, dass die Wundversorgung in einem Spektrum zwischen Evidenz und Erfahrung/Kompetenz erfolgt. Das Besondere in der Wundbehandlung ist doch, dass die Evidenz, also das gesicherte auf wissenschaftlichen Studien basierende Wissen, nicht so ausgeprägt ist wie in anderen Bereichen der Medizin. Die Wunde ist eine komplexe Symptomatik, hinter welcher sich sehr viele verschiedene Erkrankungen verbergen Die Leitlinie gibt im Wesentlichen Empfehlungen zur lokalen Wundtherapie, nicht aber zur Kausaltherapie der zugrundeliegenden Erkrankungen.

Es gibt eine S3-Leitlinie, die allerdings fast zehn Jahre alt ist … 
… und die in den letzten Zügen der Überarbeitung steckt. Die S3-Leitlinie zur Lokaltherapie chronischer Wunden befindet sich derzeit in einem von der AMWF überwachten Überarbeitungsprozess, an dem ich auch selbst beteiligt bin. Sie wird von der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V. in Kooperation mit anderen Fachgesellschaften nach systematischer Literaturanalyse aktualisiert, so wie das alle fünf Jahre gefordert wird. Dieser Prozess ist extrem aufwendig und war durch Corona besonders erschwert. Auf dem Kongress ist ein aktueller Vortrag darüber vorgesehen, was sich ändern wird. Die Leitlinie selbst wird vermutlich zum Zeitpunkt des Kongresses noch nicht verfügbar sein, in jedem Fall aber wird sie so manche Diskussion triggern.  Neben der deutschen Leitlinie gibt es auch eine Leitlinie der European Wound Management Association und sehr viele Konsensus-Statement, zum Beispiel zum Exsudatmangement.

Ein Vortrag beim Kongress trägt den Titel: Wird uns die neue Leitlinie in der täglichen Praxis helfen? – Kann die Antwort anders lauten als Ja? Also: Wie?
Es geht dabei nicht um Krankheiten, die zur Wunde führen, sondern ausschließlich um Lokaltherapie. Die neue Leitlinie wird uns mehr Sicherheit bei der Auswahl der Wundauflagen geben. Sie wird aber auch einfordern, dass eine bestimmte Ausbildung und Weiterbildung erforderlich sind, um alles richtig zu machen. Sie wird uns auch insofern helfen, als dass sie bestimmte Dinge anspricht, die man nicht mehr tun soll, zum Beispiel Wundspülungen mit Leitungswasser oder Wasserstofflösungen, aber auch nicht mit Zinkleimverbänden oder Farbstoffen. Die Leitlinie gibt eine wertvolle Orientierungshilfe für die Wundbehandlung und sollte vor allem gelesen und umgesetzt werden.

Foto: Conventus Congressmanagement & Marketing GmbHZum vierten Mal wird der Nürnberger Wundkongress durchgeführt, um Wissen auf neuestem Stand zu teilen, das professionelle Zusammenspiel aller Akteure zu justieren und die tägliche Versorgung der Patienten zu verbessern. Was ist das Besondere?
Alle Akteure sind versammelt – das sind bei unserem interprofessionellen Kongress Ärzte, Pflege-berufe, Wissenschaftler, Forscher sowie zertifizierte Wundtherapeuten. Wir freuen uns über die hohe Beteiligung der kooperierenden Fachgesellschaften. Die Interprofessionalität wird durch insgesamt 22 Fachgesellschaften und Verbände zum Ausdruck gebracht. Insgesamt erwarten wir rund 1.400 Teilnehmer sowie 150 Referenten.

Mit Ihnen wird der Kongress erstmalig von einem Gefäßmediziner geleitet. Welche Schwerpunkte haben Sie gesetzt?
Wir werden das gesamte Spektrum abdecken, alle Bereiche wie Diabetes, AVK, dermatologische und arterielle sowie venöse Erkrankungen, aber auch Verbrennungswunden und posttraumatische sowie immunologisch bedingte Wunden. Bei diesem Fachkongress ist für alle Beteiligten etwas dabei im Bereich Dermatologie, Venerologie, Verbrennungsmedizin, plastische Chirurgie und Gefäßchirurgie.

Als Gefäßmediziner habe ich in diesem Bereich einen Schwerpunkt mit einigen Akzenten im Programm gesetzt, vor allem in der Gefäßmedizinischen Diagnostik, aber auch in der Wundtherapie. In der Forschung haben wir einen Schwerpunkt in der translationalen Wundforschung.

Es gibt eine Vielzahl noch nicht etablierter Ansätze in der Wundbehandlung. Auch wenn für sogenannte Biologicals wie Fischhautmatrix, Spinnenseide und Anderes Vergleichsmöglichkeiten fehlen – zeichnen sich im fachübergreifenden Erfahrungsaustausch Tendenzen zur Wirksamkeit ab? Wofür liegen schon evidenzbasierte Studien vor?
Zum Beispiel Fischhautmatrix, medizinisch aufbereitete Fischhaut vom Kabeljau, ist ein sogenanntes „Biological“, diese sind in den USA schon häufig bei schlecht heilenden Wunden die Therapie der ersten Wahl. In Deutschland dagegen wird die Behandlung von den gesetzlichen Krankenkassen noch nicht vollständig refinanziert. Aber auch wenn eine Fischhautmatrix gegenüber einem einfachen Wundpflaster das Vielfache kostet, ist die Frage, ob das im Endeffekt nicht doch preisgünstiger ist, weil die Wunde schneller abheilt und ansonsten die Folgekosten viel höher sind – abgesehen davon, dass der Patient weiter unter der Wunde zu leiden hat. Eine randomisierte klinische Studie hat in Europa bereits begonnen.

Ein weiteres Produkt, das in mehreren Phasen der Wundheilung und bei schlecht heilenden Wunden eingesetzt werden kann, ist eine nicht mehr ganz neue Substanzklasse: ein sogenanntes Enzym-Alginogel. Diese Substanz wirkt lokal bakterizid, baut Beläge ab und ist nur alle 2 bis 3 Tage aufzubringen. Es gibt auch hier Probleme mit der Erstattungsfähigkeit im ambulanten Sektor.

Was sind für Sie die Highlights des diesjährigen Kongresses? Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Was mir am Herzen liegt, sind die unter anderem vom Deutschen Wundrat veröffentlichten Empfehlungen zu den Kompetenz-Leveln, wann welche Wunde von wem behandelt werden soll. Wir haben einen breiten Konsens in einer großen Expertengruppe erarbeitet, einen Kompetenzlevel. Die Kompetenz ist zusammen mit der Evidenz das Entscheidende bei der Wundversorgung. Wichtig ist, dass man den Patienten rechtzeitig an die richtigen Experten weiterleitet. Denn keiner kann alles leisten – das ist unsere Message. Wir brauchen die Kompetenzen verschiedener Berufsgruppen und Fachrichtungen.  

Vielen Dank für das Gespräch!

Alle Informationen und das wissenschaftliche Programm mit Vorträgen, Sitzungen, Workshops und umfangreichem Industrieprogramm sind auf der Kongress-Homepage www.wuko2021.de abrufbar.

 

Quelle: Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH | Cornelia Meier

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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