Der Sporn in der Ferse
Es wird geschätzt, dass in Deutschland zwei Millionen Menschen über behandlungsbedürftige Schmerzen unter der Ferse klagen. In den USA zählt man über eine Million Praxisbesuche pro Jahr. Häufig geben die Patienten an, mehr oder weniger starke Schmerzen bereits seit mehr als zwei Jahren zu haben. Die Beschwerden können sich – trotz erfolgreicher Behandlung und Schmerzfreiheit – auch wiederholt einstellen. Diese wechselhaften Beschwerden werden oft von Patienten als Grund angegeben, die Schmerzsituation zu erdulden und nicht darüber zu reden.
Was ist ein Fersensporn?
Wie oft vermutet ist der auf dem Röntgenbild zu erkennende knöcherne Sporn unterhalb der Ferse nicht die Ursache des Schmerzes. Der Sporn entsteht lediglich als Ergebnis einer Überlastung der am plantaren Fersenbeinhöcker (Tuber calcanei) sehnigen Ansätze. Um ihren Abriss zu verhindern baut der Knochen zur Stabilisierung dieser Ansatzstelle Knochensubstanz auf.
Verantwortlich für die Schmerzsitua-tion eines Fersensporns ist die Entzündung (Überreizung) des äußeren durchbluteten bindegewebigen Anteils des breiten sehnigen Fußsohlenbandes (der Plantaraponeurose) und einiger kurzer Fußmuskeln an dieser Stelle.
Nach dieser Beschreibung hat sich der Begriff „Plantarfasciitis“ geprägt der das Ergebnis einer ständigen (wiederholten) Überlastung des Sehnenbandes nach Art einer Entzündung unterstreichen soll.
Nach Untersuchungen des Amerikaners H. Lemont [1] et al. verursacht der ständige Reiz hauptsächlichVeränderungen in dem Gewebe der Plantaraponeurose, die entweder akut oder chronisch verlaufen kann. In seiner im Jahr 2003 verfassten Studie prägte Lemont den Begriff „Plantarfasziosis“, um zu unterstreichen, dass nach seiner Auffassung eine Entzündung nicht die Ursache der Schmerzen ist.
Histopathologische Studien hatten gezeigt, dass Patienten mit diagnostizierter Plantarfasciitis eine degenerative Veränderung an den Sehnenursprüngen und -ansätzen ähnlich einer degenerativen Erkrankung der Sehne (Tendopathie) aufwiesen. Nach dem klinischen Wörterbuch (Pschyrembel) ist die Definition einer Entzündung nicht grundsätzlich an Mikroorganismen gebunden, kann also allein durch Druck und/oder Reibung ausgelöst werden.
Im Ausland stößt diese Definition deswegen meist auf Missverständnis. Im folgenden Text wird der Begriff: „Plantarfasciitis“ gleichbedeutend zu dem Beschwerdebild des „Fersensporns“ als amikrobielle Entzündung benutzt.
Im Jahr 2011 ließen S. Hafner et al. Gewebsproben von 97 Patienten zur Untersuchung der Faszien entnehmen, um die ständig wiederauftretende Plantarfasciitis zu ergründen. Die Autoren fanden heraus, dass 25 Prozent der Proben entweder das histologische Bild einer plantaren gutartigen Bindegewebegeschwulst (eines Fibroms) oder einer Neubildung von Gewebe (einer Neoplasie ) zeigten. 21 Prozent von ihnen hatten vom histologischen Bild her eine Entzündung ohne Neoplasie und 54 Prozent zeigten weder eine Neoplasie noch einen Entzündungsprozess. [2]
Begünstigende Faktoren für den Fersensporn
Übergewicht ist bis zu 70 Prozent der Patienten mit Plantarfasciitis Auslöser für diese Erkrankung. Laufen oder Stehen über einen längeren Zeitraum begünstigen ebenfalls die Entwicklung einer Plantarfasciitis. [3]
Zusätzliche Faktoren sind eine erschlaffte plantare Beugemuskulatur des Fußes, die indirekt die Streckung der Plantarfaszie fördert und ihre Überreizung begünstigt. Ebenso wird eine exzessive Pronation des Rückfußes in Verbindung mit einer Plantarfasciitis gebracht, weil sich hierbei das innere/ mediale Fußgewölbe absenkt und den Fuß streckt.
Diese Aussage wurde von Cornwall und McPoil in ihrer Studie vom Jahr 1999 bestätigt. Sie erwähnten hierin, dass 81 bis 86 Prozent der Patienten mit Plantarfasciitis diese exzessive Pronation aufwiesen. [4]
Bei mehr lateralem Ansatz der Sehne einer verkürzten Wadenmuskulatur (M. Triceps surae) verursacht die mangelnde Dehnfähigkeit des Muskels ebenfalls mehr Pronation des Fußes. Sie übt damit eine Mehrbelastung der Plantaraponeurose aus. Manche Fußformen, die ein höheres mediales Fußgewölbe (eine höhere Sprengung) als normal aufweisen, gehören ebenfalls zu den prädisponierten Fällen der besagten Fersenschmerzen. Dieser Fußtyp ist zwar über lange Wegstrecken sehr belastungsfähig, besitzt aber durch die geringe Dehnfähigkeit der Plantaraponeurose Überreizungspotential wenn die Muskulatur die Gewölbekonstruktion des Fußes nicht mit unterstützt.
Geht man als Ursache von der Pronation des Fußes aus wird oft versäumt Beinlängenunterschiede zu berücksichtigen. Als Ausgleich (Kompensation) für das kürzere Bein proniert der Fuß des längeren Beins, was sich ebenfalls begünstigend für eine Plantarfasciitis auswirken kann.
Bildgebende Verfahren zur Diagnosestellung
Röntgenbild
Röntgenaufnahmen besitzen nur einen geringen Wert für die Diagnose einer ständig wiederkehrenden Plantarfasciitis. Der Nutzen liegt hauptsächlich darin, das Vorhandensein eines Fersen-sporns oder einer Fraktur festzustellen. Das Erkennen des Fersensporns allein ist jedoch nicht grundsätzlich mit den Symptomen einer Plantarfasciitis in Verbindung zu bringen. Der knöcherne Auszug an der plantaren Ferse kann vorhanden, aber symptomlos sein.
Ultraschall
Patienten mit chronischen Fersenschmerzen besitzen in der Regel eine dickere Plantarfaszie. Die Ultraschalluntersuchung ist in der Lage, zuverlässig und genau ihre Dicke zu messen. Hierdurch ist es auch möglich die Auswirkung der verschiedenen Behandlungsmethoden darzustellen und ihren Behandlungsverlauf zu protokollieren. Die Autoren Mahowald et al. [5] stellten darüber hinaus fest, dass die Fersenschmerzen der Patienten mit der Abnahme der Fasziendicke in Zusammenhang stehen.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Ein MRT ist in solchen Fällen empfehlenswert in denen eine ständig wieder auftretende Fasciitis mit einer Fasziendicke – per Ultraschall gemessen – von mehr als fünf Millimeter vorhanden ist.
In den Fällen, wo weiterhin Zug auf die Sehne einwirkt, sollten Kortison Injektionen zur Therapie vermieden werden. Ebenso wenn eine Ruptur vorliegt.
Als Behandlung der oben genannten Fasziendicke ist eine Immobilisierung des Fußes von zirka sechs bis acht Wochen mit kontrollierten Fußbewegungen zu empfehlen. Eine Kombination mit anderen konservativen Behandlungsmethoden kann sich nach der Immobilisierung anschließen.
Konservative Behandlungsmethoden
Nach meinen Erfahrungen aus der Praxis entwickelt sich immer mehr Verständnis für die über Jahrzehnte angewendeten Behandlungsmethoden, die sich aus den oben genannten begünstigenden Faktoren für eine Fasciitis herleiten lassen.
Stretching (Dehnungsübung)
Es gibt sicherlich Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Stretching bei der in Abständen wiederkehrenden Plantarfasciitis hilfreich für die Behandlung und Schmerzfreiheit sein kann. Das Stretching soll in der Hauptsache auf den kräftigen Trizeps surae einwirken, der durch diese Dehnübung gestreckt wird und seinen Einfluss auf die Pronation des Fußes verringern soll.
Die Anleitungen hierzu sind leicht und einfach für den Patienten durchzuführen:
– der Patient stellt sich mit beiden Vorderfüßen auf eine Treppenstufe, so dass sich der Rückfuß frei nach unten bewegen kann und damit die Wadenmuskulatur spürbar spannt.
Oder:
– ohne vorhandene Treppenstufe stützt sich der Patient mit beiden Händen an einer Wand ab und stellt abwechselnd ein Bein gestreckt nach hinten. Die Ferse des gestreckten Beines soll dabei flach auf den Boden aufgesetzt sein und spürbar die Wadenmuskulatur spannen.
Zusätzlich kann eine spezielle Fuß-gymnastik die kurze sowie lange Muskulatur des Fußes kräftigen um der Pronation des Fußes entgegen zu wirken. Die Anleitung ist ebenso einfach für den Patienten zu verstehen wie beim Stretching. Die Übungen zur Fußgymnastik werden im unbelasteten Zustand des Fußes durchgeführt (Abb. 3a – c).
So oft der Patient Gelegenheit hat seine Muskulatur drei- bis fünfmal am Tag mit kurzen Übungen zu trainieren, sollte er dies für mindestens acht Wochen – besser auch länger – wahrnehmen.
Taping
Die Podologie (ebenso die Physiotherapie) wendet bei abgesicherter Diagnose den Tape-Verband bei einer Plantarfasciitis an. Aus der Entwicklungszeit des Tapings bis Heute sind unterschiedliche Tape-Methoden entstanden. Alle belegen, dass sie für kurze Zeit eine gute Wirkung zur Behandlung der Plantarfasciitis zeigen. Für den Erfolg dieser Verbände ist darauf zu achten, dass die Ferse in eine invertiertere Stellung gebracht werden muss.
Von den ausprobierten Tape-Methoden hat sich der „Low-Dye-Tape“ am besten bewährt. Durch den geringen Materialverbrauch gibt es nur in seltenen Fällen Probleme mit dem Platzvolumen im Schuh.
Bislang hat noch keine Studie über einen Langzeiteffekt eines Tapeverbandes gegen die Fasciitis berichtet. [6] Seine Anwendung wird dadurch eingeschränkt, dass die verwendeten Pflasterbeschichtungen hautreizend wirken können. In Verbindung mit Feuchtigkeit (z.B. Schwitzen des Fußes, baden ….) kann sich der Verband lockern.
Taping ist folglich mehr als „Kurzzeit-Management“ für den Fuß, geeignet um die Beschwerden einer Plantarfasciitis spontan zu beheben oder je nach Dauer der Erkrankung zu lindern.
Medizinische Verfahren
Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT)
Die hauptsächlich in der Orthopädischen Praxis eingesetzte Behandlungsmethode basiert auf hochenergetisch gebündelten (fokussierten) Druckwellen die mit Schallwellen vergleichbar sind. Nach den Erfahrungsbeurteilungen sollen sie heilende Prozesse im Gewebe auslösen und einen Einfluss auf die Weiterleitung von Schmerzen haben.
In Berichten hatten amerikanische Kollegen nach dem Zufallsprinzip Versuche mit der ESWT von den Jahren 1980 – 2013 zurückverfolgt. Sie fanden heraus dass diese Behandlungsart – mehr als nicht-operative Maßnahmen – ein wirkungsvolles Verfahren sogar bei einer ständig wiederkehrenden Plantarfasciitis ist. Die Schmerzfreiheit nach der Behandlung mit ESWT hielt größtenteils bis zu mehr als zwölf Monaten an.
Die Therapie ist als Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen nicht anerkannt.
Welche Wirkung üben Einlagen aus?
Wie bereits beschrieben erhöht ein pronierender Fuß das Risiko, eine Plantarfasciitis zu entwickeln.
Gewöhnlich verschreiben Orthopäden Einlagen, wenn bei einem extrem pronierten Fuß eine Platarfasciitis diagnostiziert wird. In einigen Fällen werden dadurch die Schmerzen der Fasciitis reduziert und die Fußstellung verbessert.
Eine kürzlich erschienene Studie ver-glich die Wirksamkeit von drei vorgefertigten Einlagen, welche die Schmerzen der Plantarfasciitis reduzieren sollten. [7]
Diese Einlagen-Arten bestanden aus:
- nicht unterstützenden Einlagen;
- weichen unterstützenden Einlagen;
- unterstützenden Einlagen aus Plastik.
Die nicht unterstützenden, dünnen Einlagen besaßen keine Wirkung gegen die Schmerzen.
Die weichen unterstützenden und die Einlagen aus Plastik zeigten beide eine Wirkung und reduzierten den heftigen Schmerz. In Bezug auf die Schmerzreduktion und die Dauer der schmerzfreien Zeit des Patienten sind die Einlagen aus Plastik den weichen unterstützenden Einlagen vorzuziehen.
Ein Blick in die Literatur zeigt keine eindeutige Meinung darüber, ob handwerklich gefertigte-, teils handwerklich gefertigte- oder vorgefertigte Einlagen die geeignete Therapie sind eine ständig wiederkehrende Plantarfasciitis zu behandeln. Es zeigt sich jedoch, dass handwerklich am Fuß angepasste Einlagen mehr zur Behandlung der schmerzenden Fasciitis geeignet sind.
Zusammenfassung
Eine Plantarfasciitis erfolgreich zu behandeln, kann sehr frustrierend sein. Zum Einen kann die exakte Diagnose, zum Anderen die mangelnde Mitarbeit des Patienten infrage gestellt sein.
Es existiert für den Fall einer ständig wiederkehrenden Schmerzsituation ein umfassendes Behandlungsprogramm von konventionellen sowie nur von Ärzten angewandten Methoden. Glücklicherweise werden immer mehr wissenschaftliche Studien veröffentlicht, die sich mit den Ursachen der Fasciitis befassen und damit die Therapieergebnisse optimieren. «
Anschrift des Verfassers:
Klaus Grünewald
Braunschweig
podologie.gruenewald@t-online.de
[1] H. Lemont, K.M. Amrati, N. Usen: “Plantar fasciitis: a degenerative process (fasciosis) without inflammation”; Journal of the American Podiatric Medical Association (2003); 93(3):234 – 237
[2] S. Hafner, N. Han, M.M. Pressmann, C. Wallace “Proximal plantar Fibroma as an etiology of recalcitrant plantar heel pain”; Journal of Foot and Ankle Surgery (2011); 50(3):366.e1 – 366.e5
[3] D.B. Irving, J.L. Cook, H.B. Menz, “Factors associated with chronis plantar heel pain: A sytematic review”; Journal of Scientific Sports Medicine (2006); 9:11 – 22
[4] M.V. Cornwall, T.G. McPoil “Plantar fasciitis: Etiology and treatment”; Journal of Orthopaedic Sports and Physio Therapy (1999); 29(12):756 – 760
[5] S. Mahowald, B. S. Legge, J. F. Grady, “The correlation between plantar fascia thickness and symptoms of plantar fasciitis”; Journal of the American Podiatric Medical Association (2011); 101(5):385 – 389
[6] K.B. Landorf, J. A. Redford, A.M. Keenan, A.C. Redmond, “Effectiveness of low-dye taping for the short term management of plantar fasciitis”; Journal of the American Podiatric Medical Association (2005); 95(6):525 – 530
[7] M. Walther, B. Kratschmer, J. Verschl, C. Volkering, S. Altenberger, S. Kriegelstein, “Effect of different orthotic concepts as first line treatment of plantar fasciitis”; Foot and Ankle Surgery (2013); 19(2):103 – 107
Pschyrembel „Klinisches Wörterbuch“, Walter de Gruyter Verlag; 265. überarbeitete Auflage (2014)
Klaus Grünewald, „Theorie der medizinischen Fußbehandlung, Band 3 – Podologische Biomechanik“, Verlag Neuer Merkur, Planegg (2014) ISBN: 978-3-95409-013-6
Klaus Grünewald, „Theorie der medizinischen Fußbehandlung, Band 2 – Ein Fachbuch für Podologie“, Verlag Neuer Merkur, Planegg, (2015) ISBN-13: 978-3937346342
[1] H. Lemont, K.M. Amrati, N. Usen: “Plantar fasciitis: a degenerative process (fasciosis) without inflammation”; Journal of the American Podiatric Medical Association (2003); 93(3):234 – 237
[2] S. Hafner, N. Han, M.M. Pressmann, C. Wallace “Proximal plantar Fibroma as an etiology of recalcitrant plantar heel pain”; Journal of Foot and Ankle Surgery (2011); 50(3):366.e1 – 366.e5
[3] D.B. Irving, J.L. Cook, H.B. Menz, “Factors associated with chronis plantar heel pain: A sytematic review”; Journal of Scientific Sports Medicine (2006); 9:11 – 22
[4] M.V. Cornwall, T.G. McPoil “Plantar fasciitis: Etiology and treatment”; Journal of Orthopaedic Sports and Physio Therapy (1999); 29(12):756 – 760
[5] S. Mahowald, B. S. Legge, J. F. Grady, “The correlation between plantar fascia thickness and symptoms of plantar fasciitis”; Journal of the American Podiatric Medical Association (2011); 101(5):385 – 389
[6] K.B. Landorf, J. A. Redford, A.M. Keenan, A.C. Redmond, “Effectiveness of low-dye taping for the short term management of plantar fasciitis”; Journal of the American Podiatric Medical Association (2005); 95(6):525 – 530
[7] M. Walther, B. Kratschmer, J. Verschl, C. Volkering, S. Altenberger, S. Kriegelstein, “Effect of different orthotic concepts as first line treatment of plantar fasciitis”; Foot and Ankle Surgery (2013); 19(2):103 – 107
Pschyrembel „Klinisches Wörterbuch“, Walter de Gruyter Verlag; 265. überarbeitete Auflage (2014)
Klaus Grünewald, „Theorie der medizinischen Fußbehandlung, Band 3 – Podologische Biomechanik“, Verlag Neuer Merkur, Planegg (2014) ISBN: 978-3-95409-013-6
Klaus Grünewald, „Theorie der medizinischen Fußbehandlung, Band 2 – Ein Fachbuch für Podologie“, Verlag Neuer Merkur, Planegg, (2015) ISBN-13: 978-3937346342