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7. November 2022
Redaktion

Ein neuer Weg

Viel haben wir uns nun mit der Entstehung der Podologie in Deutschland befasst. Zeit, sich zu fragen, was diese Entwicklungen für die Angehörigen des Berufsstandes bedeuten. Wir haben mit Podologinnen gesprochen, die sich sehr früh für den neuen Weg entschieden haben. Hat sich der Sprung ins kalte Wasser gelohnt? Würden sie es wieder tun? Und was erhoffen sie sich für die Zukunft?



Grafik: C. Maurer Fachmedien

„Eine Chance, etwas bewirken zu können“

Annett Biedermann – privatAnnett Biedermann ist Podologin und Heilpraktikerin für Podologie. Seit 1997 ist sie mit einer eigenen Praxis in Förderstedt, Sachsen-Anhalt, selbstständig. Ihre freie Zeit verbringt Annett Biedermann mit ihrem Mann, ihren vier Kindern und ihren beiden Enkelkindern.

Frau Biedermann, warum haben Sie sich 2002 dazu entschieden, sich zur Podologin nachqualifizieren zu lassen?

Ich habe damals während meiner Tätigkeit festgestellt, dass Menschen mit Diabetes mit erheblichen Fußproblemen zu kämpfen haben. Unzureichende therapeutische Versorgung in dieser Hinsicht und die sich rasant nach oben entwickelnden Patientenzahlen haben mich veranlasst, hier tätig zu werden. Mir war klar, dass mein damaliges Wissen noch nicht ausreichend war, um diesen Herausforderungen adäquat gewachsen zu sein. Als sich 2002 die Möglichkeit zur Nachqualifizierung bot, habe ich diese in der FIT-Ausbildungsakademie Magdeburg sofort ergriffen. Ich habe die Chance gesehen, im Bereich diabetisches Fußsyndrom etwas bewirken zu können. Mein Ziel war es, nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung die Kassenzulassung zu beantragen, die ich auch erteilt bekam.

Was haben Sie sich davon erhofft und wurden Ihre Hoffnungen erfüllt?

Meine Hoffnung war, als niedergelassene Therapeutin Teil der kompletten medizinischen Versorgung des diabetischen Fußes zu sein. Und selbstverständlich ebenso für alle Menschen mit Fußproblemen wie schmerzhaft eingerollter Nägel, Mykosen, Clavi etc. – auch ohne Diabetes. Das ist auch genauso eingetroffen. Binnen kürzester Zeit wurde dann meine Praxis zu klein und ich musste in eine größere Praxis umziehen.

Was waren die größten Herausforderungen in den Anfangsjahren?

Nun, in erster Linie hieß es, sich bekannt zu machen. Ich habe in sämtlichen Arztpraxen der Gegend – wir sind im ländlichen Bereich – vorgesprochen, mich vorgestellt und erläutert, worin ich meine Aufgabe sehe und wie ich mir die Zusammenarbeit wünsche. Ebenso in Altenheimen, Krankenhäusern und bei den Pflegediensten. Die meisten nahmen das Angebot auch gern an, mit manchen war es eher etwas herausfordernder. Alles, was „neu“ ist, erfordert gewisse Veränderungen und auch mal das Verlassen der eigenen Komfortzone.

Aber letztendlich hat sich die Mühe der Anfangszeit gelohnt und es ist mir gelungen, ein Netzwerk aufzubauen. Dieses besteht aus den behandelnden Haus- und Fachärzten, Diabetologen, Krankenhäusern, dem Orthopädieschuhmachermeister, Wundschwestern, Pflegedienste etc. gemeinsam mit mir. Bedeutet es doch für die Patienten schnelle weiterführende Behandlungen oder gegebenenfalls eine schnelle Aufnahme im Krankenhaus in Akutsituationen. Das persönliche Gespräch mit allen Beteiligten ist unerlässlich und stärkt das Vertrauen in die gegenseitige Zusammenarbeit. Wir sprechen gewissermaßen alle die gleiche Sprache.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Podologie?

Ich wünsche mir, dass sich die Podologie als Gesundheitsfachberuf weiterentwickelt und die Wahrnehmung in der Bevölkerung ändert. Das fängt schon damit an, dass wir von podologischer Therapie sprechen sollten, um den Unterschied zur kosmetischen Fußpflege deutlich zu machen. Dabei ist mir die ganzheitliche Behandlung und Versorgung der Patienten wichtig – über die Herausforderungen am Fuß hinaus.

In Zeiten des Fachkräftemangels, der besonders in den Gesundheits- und Pflegeberufen sehr deutlich zu spüren ist, gehört meines Erachtens zuallererst, die Ausbildung attraktiver zu gestalten und jungen Leuten damit Perspektiven zu eröffnen. Einige Bundesländer bieten bereits die Schulgeldfreiheit in diesem Bereich an. Wünschenswert ist natürlich eine bundesweite Regelung.

Zukünftig denke ich an die Erweiterung der podologischen Ausbildung von zwei auf drei Jahre, in der die praktische Ausbildung einen noch höheren Stellenwert erhält. Die kommt meiner Meinung nach zu kurz in der Ausbildung. Nicht jeder, der die Theorie mit „1“ besteht, hat gleichzeitig die handwerklich-praktischen Fähigkeiten im Umgang mit unseren Apparaten, Instrumenten usw. Das ist jedenfalls mein Fazit, wenn Auszubildende in meiner Praxis im Praktikum arbeiten. Daher sehe ich einen möglichen Zugang zum Studium in der Podologie noch etwas verhalten, denn dazu braucht es gesicherte Basis und fundierte Ausbildung. Das ist sicher Zukunftsmusik, aber nicht unmöglich.
Ich wünsche mir sehr, die Aufwertung unseres Berufes durch gute therapeutische Arbeit zu unterstützen und auf Augenhöhe mit den anderen Therapeuten und Ärzten zusammenzuarbeiten.

Kurz: Ich liebe meinen Beruf und die täglichen Herausforderungen und hoffe, noch vielen Patienten helfen zu können.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

„Bürokratische Hürden abbauen“

Annett Biedermann – privatDie staatlich geprüfte Kosmetikerin und Podologin Irmtraud Wieneke betreibt seit 1999 zusammen mit einer Angestellten eine kombinierte Podologie-Praxis mit Kosmetikstudio in Gröningen, Sachsen-Anhalt. Zuvor war sie mehrere Jahre als Angestellte in der medizinischen Fußpflege tätig. Ihre Ausbildung zur Podologin hat Irmtraud Wieneke 2002 abgeschlossen.

Frau Wieneke, wie kamen Sie zur Podologie?

Eigentlich bin ich gelernte Krippenerzieherin, habe aber nach der Wiedervereinigung keine Anstellung bekommen. Das Problem war, dass es meinen Abschluss nach westdeutschem Gesetz nicht gab, also wurde der Beruf nicht anerkannt. Um weiter in dem Bereich tätig sein zu können, hätte ich eine weitere Ausbildung in diesem Bereich machen müssen. Da habe ich mich aber dann dagegen entschieden, da zu der Zeit sowieso viele Einrichtungen geschlossen wurden und nur wenige Kindergärten übrig blieben.

1990 habe ich darum nebenher eine Abendschule besucht, um mich über zwei Jahre in Kosmetik und Fußpflege ausbilden zu lassen. Der Ausbildungsbereich nannte sich damals schon medizinische Fußpflege und wurde sehr ausführlich behandelt – nicht nur ein paar Wochen wie bei anderen Schulungen. Danach habe ich angestellt gearbeitet, bis ich mich 1999 – nach der Geburt meiner Tochter – als Kosmetikerin und Fußpflegerin selbstständig gemacht habe.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, sich zur Podologin nachqualifizieren zu lassen?

Als die Möglichkeit zur Podologie-Nachqualifikation angeboten wurde, habe ich die Chance genutzt und gleich 2001 mit der Ausbildung begonnen. Auch damals war ich schon Mitglied im ZFD. Zum Glück war der Verband sehr engagiert und hat uns mit allen Informationen versorgt.

Wichtig war die Zusatzausbildung für mich aus zwei Gründen. Zum einen bedeutete sie für mich eine Unterscheidung zur kosmetischen Fußpflege – die zweifellos auch sehr wichtig, aber eben ein anderes Tätigkeitsfeld ist. Mit der Podologie und ihrem medizinischen Fokus gab es nun eine klare Abgrenzung zu anderen Berufsfeldern mit einer festen Ausbildung sowie fest definierten Aufgaben und Fertigkeiten. Das gab es zuvor ja alles nicht. Auch nach ein paar Wochen Schulung konnte man sich schon medizinische Fußpfleger*in nennen. Erhofft habe ich mir, dass man unseren Berufsstand durch das neue Berufsbild mehr anerkennt.

Zum anderen habe ich mich nachqualifizieren lassen, um eine Kassenzulassung zu erlangen und Verordnungen annehmen zu können. Das hätte ich ohne die Qualifikation nicht tun dürfen. Ich habe zu der Zeit schon viele Diabetikerinnen und Diabetiker betreut – und die wollte ich auf keinen Fall wegschicken müssen. Ich wollte, dass alle bei mir in der Praxis bleiben konnten.

Wurden Ihre Hoffnungen erfüllt?

Meine Hoffnungen haben sich in dem Moment erfüllt, in dem ich alle meine Patientinnen und Patienten behalten konnte. Dass ich niemanden wegschicken musste, der kommt – egal mit welchem Problem. Was ich nicht wollte, war ständig „Nein“ sagen zu müssen.

Was waren die größten Herausforderungen in den Anfangsjahren?

Die Anfangsjahre waren für uns alle eine große Herausforderung. Neben der ganzen Bürokratie, die plötzlich auf uns zukam und in die man sich wirklich reinhängen muss, wenn man will, dass alles läuft, hat mich persönlich auch die Technik gefordert. Nach meiner Qualifikation zur Podologin habe ich die ganze Praxis auf Computer umgestellt. Das war schon eine große Veränderung und nicht immer leicht. Vorher habe ich alles handschriftlich gemacht. Seit ich meine Kassenzulassung habe, arbeite ich mit einer Firma zusammen, die sich um die Abrechnungen kümmert. Das erleichtert vieles und ich kann mich um meine Patientinnen und Patienten kümmern.

Außerdem war viel Aufklärungsarbeit nötig. Viele Diabetikerinnen und Diabetiker wussten zum Beispiel anfangs nicht Bescheid. Ich habe ihnen dann erklärt, dass sie in der Arztpraxis nach einer Verordnung fragen können. Das ging dann in der Regel auch reibungslos.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Podologie?

Was ich mir auf jeden Fall wünsche, sind mehr Mitstreiter und Mitstreiterinnen für unsere Sache.

Schön wäre auch, wenn die bürokratischen Hürden nicht so hoch wären. In meinem Umfeld erlebe ich immer wieder, dass Kolleginnen und Kollegen sich davon abschrecken lassen und aus diesem Grund keine eigene Praxis gründen – obwohl sie hervorragend ausgebildet sind. Viele trauen es sich nicht zu und bleiben dann doch lieber angestellt. Oder – was noch viel schlimmer ist – orientieren sich beruflich gleich komplett um. Ich denke, vor allem die Kassenzulassung müsste einfacher gestaltet werden, um die Selbstständigkeit in der Podologie attraktiver zu machen. Dabei geht es nicht darum, die Anforderungen an Hygiene oder Ähnliches zu senken. Was reduziert werden muss, ist die allgemeine Komplexität. Allein schon all die Formulare, die notwendig sind. Das ließe sich sicher leichter gestalten.

Von den Krankenkassen wünsche ich mir außerdem, dass sie unsere Bedeutung und unseren Wert im Gesundheitssystem weiterhin anerkennen und uns dementsprechend unterstützen. Besonders wenn es darum geht, Amputationen zu verhindern oder im Vorfeld Probleme zu erkennen und Patientinnen und Patienten in die Arztpraxis zu schicken.

Für mich persönlich unheimlich wichtig ist auch, dass unser Berufsverband erhalten bleibt. Er hat nicht nur viel für das Berufsbild getan, sondern auch mir schon häufig geholfen – mit Informationen zu aktuellen Entwicklungen und den vielen Schulungsangeboten. Das ist nicht selbstverständlich.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

„Ein Gesundheitsfachberuf mit Zukunft“

Annett Biedermann – privatAnuschka Spengler hat ihre Ausbildung zur Podologin am Lehrinstitut für Gesundheitsberufe der SHG Kliniken absolviert. Anschließend leitete sie mehrere Jahre die podologische Praxis an der Fachschule für Podologie in Saarbrücken. Im November 2021 hat Anuschka Spengler sich nun zusammen mit einer langjährigen Kollegin in Wadgassen, Saarland, selbstständig gemacht.

Frau Spengler, warum haben Sie sich für die Podologie entschieden?

Für mich war die Podologie schon immer ein Beruf mit Zukunft. Auf den Füßen läuft man ein Leben lang – das macht eine fachgerechte Pflege enorm wichtig.

In der Ausbildung zur Podologin lernt man alles rund um den Fuß – über Knochen, Muskeln und Sehnen. Man erfährt nicht nur, wie gesunde Zehen aussehen, sondern auch, wann sie Hilfe benötigen und wie man ihnen helfen kann. Nach und nach entwickelt man zudem ein Auge für die Ursachen und Krankheiten, die im Laufe der Jahre entstehen können. Auf ärztliche Anordnung können so auch Risikopatient*innen mit Diabetes,neurologischen Störungen, Bluter etc. behandelt werden.

Und schließlich ist die Podologie ein Gesundheitsfachberuf und die Gesundheit sollte für uns alle an erster Stelle stehen.

Was haben Sie sich von der Ausbildung erhofft?

Mein Wunsch war es, Menschen mit Fußproblemen zu helfen, damit sie ihre Mobilität wieder erlangen. Dabei ging und geht es mir auch heute noch – nicht nur darum, Beschwerden zu lindern, sondern durch gezielte Vorsorge und Beratung auch Schäden an den Füßen vorzubeugen. Von der Ausbildung versprochen habe ich mir aber auch, selbstständig im Bereich der rechtlichen Absicherung agieren zu können. Aufgrund der hohen Nachfrage nach podologischen Behandlungen habe ich sie zudem als Schritt in eine sichere berufliche Zukunft betrachtet.

Wurden Ihre Hoffnungen erfüllt?

Ja, meine Hoffnungen haben sich erfüllt. Vor allem die nach einer gesicherten beruflichen Zukunft. Angesichts unserer immer älter werdenden Gesellschaft und der steigenden Zahl von an Diabetes erkrankten Menschen ist mein Beruf sicher ein Beruf, der lange bestehen bleiben wird.

Was waren die größten Herausforderungen in den Anfangsjahren?

Zu den größten Herausforderungen in den Anfangsjahren gehörte aus meiner Sicht die Anerkennung durch andere Gesundheitsfachberufe und auch durch die Ärzteschaft. Vielen war zu Beginn ja nicht klar, was Podologie bedeutet. Das galt auch für die Patientinnen und Patienten. Zudem galt es, sich klar von der Fußpflege abzugrenzen und sich gegen den niedrigen Behandlungspreis von Kolleginnen und Kollegen durchzusetzen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Podologie?

Für die Zukunft wünsche ich mir für die Podologie-Ausbildung mehr Unterstützung seitens des Staates. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist zudem die endgültige Schulgeldfreiheit sowie eine weitere Professionalisierung unseres Berufsbildes vonnöten. Dafür ist es unerlässlich, dass sich mehr Kolleginnen und Kollegen in den Berufsverbänden engagieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Lesen Sie auch die anderen Teile unserer Artikelserie zum 20. Geburtstag der Podologie: 

 

 

Autor: Cornelia Meier

Nach einem Abstecher in die Öffentlichkeitsarbeit leitet die gebürtige Augsburgerin seit Juli 2021 die Redaktion des Fachmagazins DER FUSS.
Cornelia Meier
Redakteurin
DER FUSS

 

 

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Foto: Eakrin/Adobe Stock
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