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24. März 2023
Petra Zimmermann
Hautzellen außer Kontrolle

Genetisch bedingte Verhornungsstörungen

Genetisch bedingte Verhornungsstörungen der Haut sind eine große Gruppe von Krankheiten, die in unterschiedlichen Symptomen und in der Regel äußerst selten auftreten. Welche gibt es, was unterscheidet sie und welche Behandlung in der Dermatologie und Podologie sind hier möglich?
Foto: nataba/Adobe Stock

Eine Hautzelle benötigt von ihrer Reifung bis zum Tod circa 28 Tage. Durch Bewegungen oder durch Reibung an der Kleidung werden tote Hautzellen abgetragen. Bei einer Verhornungsstörung ist dieser Ablauf gestört, hier gibt es verschiedene Ausprägungen:

  • Ichthyosen treten als universelle, am ganzen Körper auftretende Schuppung auf.
  • Erythrokeratodermien sind lokalisierte, gerötete Keratosen am Körper (neu in der Klassifizierung der Ichthyosen).
  • Bei Palmoplantarkeratosen sind überwiegend Handteller und Fußsohlen massiv betroffen.
  • Epidermolysen führen bei geringfügigen Verletzungen zur Blasenbildung der Haut und der hautnahen Schleimhäute.

Ichthyosen

Ichthyosen treten als vielfältige Verhornungsstörungen auf, bei denen neue Hautzellen zu schnell gebildet oder alte Hornhautzellen zu spät abgestoßen werden. In beiden Fällen kommt es zu einem Überangebot von Hornzellen. Die Zellen schichten sich übereinander und die Hornschicht verdickt sich zunehmend. Diese schuppenartige Optik führte früher zu der Bezeichnung „Fischschuppen-Krankheit“.

Die betroffene Haut ist nicht in der Lage, ausreichend Wasser zu binden. Sie trocknet aus und reißt, wodurch sichtbare Schuppen entstehen. Hautrötungen oder Blasenbildungen können ebenfalls auftreten. Oft ist ein Großteil der Haut betroffen und viele Betroffene leiden unter eingeschränkter Schweißbildung, das kann bei hohen Temperaturen gefährlich werden.

Unabhängig vom Geschlecht tritt Ichthyose bei etwa einer von 140.000 Personen auf. Dabei kann ihre Haut je nach Ausprägung der Verhornungsstörung bis zu hundertmal mehr Hautzellen produzieren als gesunde Haut, ausgelöst durch einen Mangel des Proteins Filaggrin. Dieses besteht aus vielen Untereinheiten, die unter anderem für die Feuchtigkeit der Hornschicht verantwortlich sind.

Foto: TANAPAT LEK.JIW /Shutterstock.com
1 Die Ichthyosis vulgaris ist am stärksten verbreitet – und die mildeste Form der Erkrankung. Insgesamt sind rund 40 Varianten bekannt.

Rund 40 einzelne Erkrankungen

Ichthyosen entstehen entweder durch einen Gendefekt oder durch die Weitergabe einer veränderten Erbanlage durch die Eltern. Sie sind nicht ansteckend, aber auch nicht heilbar. Die Gruppe der Ichthyosen umfasst fast 40 Erkrankungen, die Häufigkeit einzelner Formen variiert allerdings stark. Mediziner*innen unterteilen sie nach dem Auftreten der Symptome in zwei Gruppen: Bei den nicht-syndromalen Ichthyosen betreffen die Symptome nur die Haut. Kommt es zu einer Beteiligung weiterer Organe, liegt eine syndromale Ichthyose vor. Daneben gibt es eine Einteilung anhand des Erkrankungsbeginns: Bei den kongenitalen Ichthyosen bestehen die Symptome bereits bei der Geburt. Die nicht-kongenitalen Ichthyosen treten erst später in Erscheinung.

Foto: Dermatology11/Shutterstock.com
2 Ein Fall von Palmhyperkeratose (Keratodermie) bei einem Kind mit Ichthyosis.

Ichthyosis vulgaris

Die häufigste und gleichzeitig mildeste Form ist die Ichthyosis vulgaris. Alle anderen Ichthyosen sind wesentlich weniger verbreitet. Die Ausprägung hängt von der Anzahl der Filaggrin-Mutationen ab. Mild Betroffene berichten von geringen Beschwerden wie Juckreiz durch zu trockene Haut. Optisch ist die Erkrankung bei ihnen kaum sichtbar. Liegen mehrere Mutationen vor, bilden sich Schuppen, die weiß, grau oder dunkel gefärbt sein können. Besonders betroffen sind Arme und Beine, Gesicht und Rumpf zeigen weniger starke Symptome. Typisch für diese Form der Ichthyose ist, dass Ellenbeugen, Achseln, Leisten und Kniekehlen nicht betroffen sind. Die Poren an Oberarm und Oberschenkel verhornen, was beim Darüberstreichen ein Reibeisengefühl verursacht. Betroffene zeigen eine verstärkte Handlinienzeichnung, die von Ärzten als Ichthyosehand bezeichnet wird.

Schwitzen unmöglich

Die Unfähigkeit zu schwitzen, bedingt durch die Verlegung der Schweißdrüsenausführungsgänge, ist für die Betroffenen häufig schlimmer als die Schuppung der Haut. Für Kinder bedeutet das in den Sommermonaten, dass sie nicht draußen spielen können. Auch Erwachsene sind weniger leistungsfähig. Bereits bei Temperaturen um 20 Grad kann es schon bei mäßiger körperlicher Belastung zu einem Wärmestau kommen. Bei höheren Temperaturen treten eine massive Gesichtsrötung und eine Körperüberhitzung mit gleichzeitiger Dehydrierung auf, die eine sofortige innerliche (Getränke, Speiseeis) und besonders äußerliche Kühlung sowie Flüssigkeitszufuhr erfordern, um einen Kreislaufkollaps und bei Kindern einen Fieberkrampf zu verhindern.

Foto: Dermatology11/Shutterstock.com
3 Ein Fall von dyshidrotischem Ekzem (Pompholyx) und Hyperkeratose.

Ichthyosen bei Neugeborenen

Die schwerste Form ist die Harlekin-Ichthyose. Diese sehr seltene Form (<1:1 Mio.) zeigt sich bei der Geburt durch einen dicken Hornpanzer, der durch das Austrocknen an der Luft tief einreißt. Stark betroffene Babys sterben oft schon vor der Geburt oder in den ersten Lebenstagen; Frühgeburten sind häufig. Bei milderen Verläufen ist die Haut später von plattenartigen, zum Teil sehr dunklen Schuppen bedeckt, die einer intensiven Pflege bedürfen. Bei sogenannten Kollodiumbabys ist die Haut von einer straffen Membran umgeben, die nach kurzer Zeit aufreißt und sich ablöst. Betroffene Kinder werden intensivmedizinisch im Inkubator versorgt, um die Hautbarriere zu stärken, Flüssigkeitsverlusten, Infektionen und Sepsis vorzubeugen. In 10 Prozent der Fälle kommt es zu einer kompletten Abheilung der Symptome innerhalb der ersten Lebensmonate.

Therapie der Ichthyosen

Obwohl man inzwischen die meisten Ursachen der Entstehung von Ichthyosen kennt, ist eine direkte ursächliche Behandlung zurzeit noch nicht möglich. Eine Therapie basiert hauptsächlich auf Erfahrungswerten, die man durch langjährige Patientenbetreuung in Behandlungszentren gewonnen hat. Ziel ist, Verhornungen und Schuppen zu lösen und die Haut geschmeidiger zu machen. Etabliert hat sich dafür eine Kombination aus Balneotherapie, lokaler und systemischer Therapie. Bei Kindern wird zudem eine regelmäßige Physiotherapie und zum Teil auch Ergotherapie durchgeführt. Diese sollen die Verengung der Hautpartien über den Gelenken verhindern und Funktionseinschränkungen vorbeugen.

Bäder dienen der Reinigung, um Salbenreste, lockere Schuppen und Bakterien usw. von der Haut zu entfernen. Dafür kann man Badezusätze verwenden, bewährt hat sich Bikarbonat beziehungsweise Backpulver, Weizenstärke, Maisstärke oder Reisstärke ebenso Salze und Öle. Die mechanische Schuppenentfernung wird je nach Befund einmal täglich bis einmal wöchentlich durchgeführt. Schwer betroffene Patient*innen benötigen für die Ganzkörpertherapie im Durchschnitt 60 bis 90 Minuten. Ergänzend empfehlen Expert*innen den Aufenthalt in einer Dampfsauna, die aufgrund der verminderten Schwitzfähigkeit auf kühlere Temperaturen eingestellt werden muss.

Nach dem Wasserkontakt erfolgt eine rückfettende Lokaltherapie, die mehrmals täglich wiederholt werden kann. Säuglinge und Kleinkinder werden sechs bis acht Mal täglich mit wirkstofffreien Externa eingecremt. Für Kinder und Erwachsene sind Öl-Wasser-Mischungen mit Salbengrundlagen wie Vaseline, Glycerin, Eucerin, Wollwachsalkohole usw. geeignet. In diese Grundlagen lassen sich von der Apotheke verschiedene Wirkstoffe einarbeiten, die eine Abschuppung fördern. Dies sind Harnstoff (bis 12 %), Kochsalz (bis 5 %), Milchsäure (bis 5 %), Vitamin-A-Säure (0,025 %) und Glycerol (bis 15 %). Auch die Salbengrundlage Polyethylenglykol (Charge 300-400 bis 20 %) hat einen abschuppenden Effekt. Am besten bewährt hat sich Harnstoff (Urea). Salizylsäure darf insbesondere bei kleineren Kindern nur kurzzeitig und kleinflächig verwendet werden, da es bei großflächiger hochkonzentrierter Dauerbehandlung zu Vergiftungen kommt. Der stärkste Schuppenablöser ist Vitamin-A-Säure; diese führt aber schnell zu Hautreizungen und -brennen. Einige Wirkstoffe lassen sich auch miteinander kombinieren, um die Wirkung zu verstärken. Hier muss die individuelle Verträglichkeit beachtet werden, die bei den einzelnen Menschen, insbesondere bei kleinen Kindern, sehr unterschiedlich sein kann.

Der einzige zugelassene Tabletten-Wirkstoff zur systemischen Behandlung ist das Retinoid Acitretin, das auch bei der Schuppenflechte angewandt wird. Es hemmt die Verhornung und reguliert die Neubildung von Hautzellen, hat aber leider viele unerwünschte Wirkungen.

Keratosen

Weitere Verhornungsstörungen umfassen das Spektrum derjenigen zumeist vererbten Hauterkrankungen, welche nicht den Ichthyosen zuzuordnen sind. Hierzu zählen palmoplantare Keratosen, Erythrokeratodermien, follikuläre Hyperkeratosen, Porokeratosen und andere. Zum Beispiel ist die Erythrokeratodermia figurata et variabilis eine seltene Erbkrankheit. Die Krankheit beginnt bereits kurz nach der Geburt oder im Kleinkindalter. Sie äußert sich durch rote, brennende Flecken, die am ganzen Körper in unterschiedlicher Größe auftreten können. Die Hautveränderungen bleiben lebenslang, haben aber auf die allgemeine Gesundheit keinen Einfluss.

Angeboren oder umfeldbedingt

Keratosen sind krankhafte oder zumindest abnorme Veränderungen der obersten Hautschicht. Diese Verhornungsstörungen können angeboren oder erworben sein. Zu den erworbenen gehören die durch UV-Strahlung verursachte Aktinische Keratose mit potenziellem Hautkrebsrisiko und die Seborrhoische Keratose. Keratosen können aber auch durch chemische Einwirkungen auf die Haut oder den Gesamtorganismus entstehen. Früher waren berufsbedingte Keratosen durch langfristige Teereinwirkung bei Straßenarbeitern und Schornsteinfegern verbreitet. Ähnliches gilt für Arsenkeratosen, da früher etliche Infektionen noch mit Arsen statt mit Antibiotika behandelt wurden.

Verhornungen der Handflächen und Fußsohlen

Palmoplantarkeratosen sind vererbte Störungen, die durch eine Hyperkeratose an den Handflächen und Fußsohlen charakterisiert ist. Eine Hyperkeratose ist eine Verdickung des äußersten Teils der Epidermis, der Hornschicht. Auf dieser Ebene sind die Zellen stark mit Keratin beladen, einem Protein, das ihnen einen trockenen und sehr harten Charakter verleiht. Die meisten palmoplantaren Keratosen sind durch ein Elternteil vererbt. Hinzu kommen häufig Sekundärinfektionen. Bei Follikularkeratosen ist die Verhornungsstörung auf die Haarfollikel beschränkt.

Epidermolysen

Epidermolysen gehören auch zu den vererbten Verhornungsstörungen, bei dieser Gruppe von Krankheiten neigen Haut und Schleimhäute dazu, sich bei geringer mechanischer Belastung abzulösen und Blasen zu bilden. Sie können, je nach Typ, unterschiedlich schwere Folgen haben.

  • Der Köbner-Typ ist die häufigste und mildeste Form. Die Blasen bilden sich im Bereich der Hände und der großen Gelenke. Die ersten Symptome zeigen sich schon bei der Geburt oder im früher Kindesalter.
  • Der Herlitz-Typ ist eine Epidermolyse mit schwerem Verlauf. Schon bei der Geburt kommt es zu Befall der Schleimhaut, verbunden mit Defekten an Nägeln und Zahnschmelz. Die Blasen platzen auf und heilen sehr schlecht ab. In den ersten Lebensjahren besteht eine hohe Sterblichkeit.
  • Beim Hallopeu-Siemens-Typ sind Finger und Zehen von schubartiger Blasenbildung betroffen. Oft kommt es zu schwersten Missbildungen und Verstümmelungen mit lebensgefährlichen Komplikationen.
  • Auch beim Gedde-Dahl-Typ heilen die entstandenen Blasen schlecht ab. Die Narben entstehen erst im fortgeschrittenen Alter. Sie bevorzugen die Genitalregion, Leisten- und Achselgegend und lassen die Finger und Zehen aus. Es kommt auch zur Beteiligung der Nägel, des Zahnschmelzes und zur gefährlichen Verengung der Luftwege.

Die Therapie der Epidermolysen ist schwierig. Die Blasen sollten frühzeitig geöffnet werden. An erster Stelle steht eine sorgfältige Desinfizierung der Wunden, die durch die Blasen entstehen. Die Betroffenen sollten in jedem Fall Hitze vermeiden, um die Blasenbildung nicht zu unterstützen. Bei schweren Verläufen können Cortison und Antibiotika sinnvoll sein. Wichtig ist auch das sorgfältige Einfetten der Haut; Salzbäder und Sonne können Beschwerden lindern.

Epidermolysis bullosa

Ebenfalls eine genetisch bedingte Hauterkrankung mit folgenschwerer Blasenbildung bei mechanischer Belastung. Der Name heißt übersetzt „blasenförmige Ablösung der Haut“. Die Erkrankung wird auch „Schmetterlingskrankheit“ genannt, da die Haut der Betroffenen so empfindlich wie ein Schmetterlingsflügel ist. Gut zwei Drittel der betroffenen Kinder haben eine normale Lebenserwartung, während bei Erkrankten mit sehr schwer Verläufen Lebensgefahr bestehen kann. Viele Schmetterlingskinder leiden an akuten Schmerzen. Die wiederkehrende, extreme Schmerzerfahrung, etwa durch den regelmäßigen Verbandswechsel, kann in schlimmen Fällen chronisch werden.

HILFREICHE ADRESSEN
Foto: Eakrin/Adobe Stock
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