Gerechter Lohn in der Podologie
Bei der Frage nach dem gerechten Lohn prallen die unterschiedlichsten Wünsche, Vorstellungen und Interessen aufeinander. Denn gerade unter Gerechtigkeit versteht jeder etwas Anderes. Kein Wunder also, dass es weit und breit keinen Konsens darüber gibt. Das befreit aber weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer vor der im konkreten Fall zu treffenden Entscheidung. Dafür will ich Ihnen mit den folgenden Darlegungen den einen oder anderen Anhaltspunkt geben.
Was sagt das Gesetz?
Schauen wir uns zunächst die Gesetzeslage an. Das dafür maßgebliche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sagt in dem Paragrafen 612: „Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist.“ Das ist in Podologie und Fußpflege jedenfalls so. Die Praktikantinnen in der Ausbildung sind davon allerdings nicht erfasst. Für dieses Pflichtpraktikum zum Lernen und Erlernen gelten eigene Regeln, die gerade durch den neuen Rahmenvertrag (nachzulesen im Leitfaden Praxismanagement Podologie) präzisiert wurden. Eine Vergütung ist dafür nicht vorgesehen.
Die Höhe der Vergütung
Zur Höhe der Vergütung geht das BGB einer konkreten Festlegung aus dem Weg: „Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen“. Eine Taxe, das wäre zum Beispiel ein Tarifvertrag, gibt es für Podologie- und Fußpflegepraxen aber nicht. Das Gehalt kann nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit frei zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden.
Untergrenze Mindestlohn
Durch den zum 1. Januar 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohn ist die Vertragsfreiheit allerdings nach unten begrenzt. Der augenblickliche Mindestlohn von 8,50 Euro/Stunde ergibt für eine Vollzeitkraft bei 40 Wochenstunden nach der üblichen Rechenformel ein monatliches Bruttogehalt von 1472,20 Euro (40 x 4,33 x 8,50).
Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer, ob Voll-, Teilzeit oder Minijob. Er ist auch Grundlage für die Lohnfortzahlung bei Urlaub oder Krankheit. Vereinbarungen gleich welcher Art, die den Mindestlohn einschränken, unterlaufen oder ausschließen sollen sind unzulässig und auch unwirksam.
Hilft der Durchschnitt weiter?
Es liegt auf der Hand, dass ein Mindestlohn von 1472 Euro monatlich nach einer meistens selbst finanzierten Ausbildung auf dem Niveau einer Berufsfachschule angesichts eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes im Jahre 2014 von 3728 Euro bei Männern und 3075 Euro bei Frauen – durchschnittlich 3527 Euro – als zu niedrig angesehen wird. Das Statistische Bundesamt weist für das Jahr 2015 im Gesundheits- und Sozialwesen einen durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 2490 Euro aus. (Anm.: Im Rahmen dieser Betrachtungen wird jeweils auf einen Bruttolohn Bezug genommen. Der Nettolohn ist von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren abhängig und kann von Person zu Person stark schwanken. Gleichwohl sind sogenannte Nettolohnvereinbarungen zulässig, von denen aber abzuraten ist.) Der grobe Durchschnitt ist in diesem Zusammenhang aber wenig aussagekräftig.
Was verdienen vergleichbare Berufsgruppen?
Ein Vergleich mit den Vergütungen von ähnlichen Berufsgruppen bietet sich an. Im öffentlichen Dienst, der sich gerne als unterbezahlt sieht, was von Außenstehenden genau anders gesehen wird, werden ähnliche Berufe (Ergotherapeut, Logopäden, Physiotherapeut) im sogenannten mittleren Dienst in den Vergütungsgruppen E5 bis E8 angesiedelt. Dafür gelten im Bereich der VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) zu Anfang des Jahres 2016 bei einer Wochenarbeitszeit von 39 beziehungsweise 40 Stunden Vergütungen von 2145 bis 3097 Euro. Dabei dürften die höheren Vergütungen eher für Mitarbeiter mit Erfahrung und in bestimmten herausgehobenen Funktionen infrage kommen. Dies wären möglicherweise auf Podologiepraxen übertragen fachliche Leitungen mit mehreren unterstellten Podologinnen. Für Pflegehelfer wird im öffentlichen Dienst ein Gehalt von 2012 bis 2610 Euro gezahlt, für Krankenschwestern werden 2103 bis 4485 Euro genannt. Der zuletzt genannte Betrag gilt für Krankenschwestern mit mehr als 200 unterstellten Mitarbeitern.
Die Statistik nennt ferner folgende Zahlen (jeweils Bruttomonatsverdienst):
- Arzthelferin 1538 bis 1977 Euro;
- Altenpflegehelfer 2000 Euro;
- Kassiererin 2103 Euro;
- Krankengymnasten 2344 Euro;
- Logopäden 1842 bis 2092 Euro;
- Physiotherapeuten 2056 Euro;
- Rettungsassistent 2310 Euro;
- Erzieherin 2455 Euro.
Was ist für Podologen angemessen?
Aus all diesen Zahlen kristallisiert sich heraus, dass eine monatliche Bruttovergütung für eine angestellte Podologin mit einem angemessenen Abstand zum Mindestlohn zwischen 1800 und 2500 Euro liegen könnte und sollte.
Es stellen sich dabei aber zwei wesentliche Fragen
1. Sind diese Vergütungen für die Podologiepraxis verkraftbar? und
2. Wie kann in dieser Bandbreite die Vergütung differenziert werden?
Die Frage der Verkraftbarkeit hängt wesentlich davon ab, welche Einnahmen durch die Tätigkeit des Mitarbeiters erzielt werden können.
Was muss reinkommen?
Wie bei ähnlichen Berechnungen in anderen Artikeln dieser Serie auch, setzen Sie für Ihre eigenen Berechnungen die in ihrer Praxis sich ergebenden Erfahrungswerte oder Zahlen ein.
Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden kommt es zu einer Bruttojahresarbeitszeit von ungefähr 2080 Stunden. Diese Stundenzahl verringert sich um etwa 160 Stunden Urlaub, 80 Stunden Krankheit, 88 Stunden Feier-tage und acht Stunden sonstige Arbeitsbefreiungen auf 1744 Stunden. Diese Stundenzahl muss noch um ausgefallene Termine, Rüstzeiten und ähnliche Zeiten in der Größenordnung von rund 10 Prozent weiter gekürzt werden.
Das ergibt eine Nettoarbeitszeit von etwa 1570 Stunden. Wird angenommen, dass der Mitarbeiter in dieser verbleibenden Zeit für podologische Komplexbehandlungen eingesetzt wird und wird eine Regelbehandlungszeit von 40 Minuten zugrunde gelegt, so können in dieser Zeit rund 2355 podologische Komplexbehandlungen erbracht werden. Dies führt zu Einnahmen bei einer Vergütung von 28,90 Euro (AOK 2016) von 68060 Euro jährlich.
Aus der Tabelle 1 sind die daraus sich ergebenden Auswirkungen aus den unterschiedlichen Zahlen erkennbar (per anno, in Euro).
Auch wenn festzuhalten ist, dass sich der rechnerische Gewinn durch die Abgaben des Praxisinhabers auf den Gewinn (Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, volle Sozialversicherungsbeiträge) auf etwa die Hälfte reduziert kann die Frage nach der Tragbarkeit dieser Vergütungen für die Praxis ohne Weiteres bejaht werden.
Dahin muss man erst kommen
Das sehr viel größere Problem ist es, die Phase zwischen dem langsamen Aufbau der Praxis bis zur vollen Auslastung von zwei Kabinen auch personalmäßig zu gestalten. Denn wenn gerade die Auslas-tung der zweiten Kabine anfängt, wird es der Praxisinhaberin in aller Regel nicht möglich sein, die Personalkosten für eine Vollzeitkraft aufzubringen. Dies führt dann dazu, dass versucht wird mit Aushilfen, freien Mitarbeitern oder Teilzeitbeschäftigten diese Phase zu überbrücken. Das kann zu Verunsicherung und Irritationen bei der Kundschaft führen, zumal wenn die eingesetzten Mitarbeiter gravierende Unterschiede in der Qualität ihrer Arbeit oder ihrem Charakter aufweisen.
Kredit für Personalkosten?
Eine Lösung könnte sein, geeignete und qualifizierte Mitarbeiter von Anfang an in Vollzeit einzustellen und die erhöhten Personalkosten – genau wie eine Investition – durch einen Kredit zu finanzieren. Gegebenenfalls kommt dafür sogar eine Finanzierung durch einen Kredit aus den diversen Förderprogrammen infrage. Das will allerdings wohl überlegt sein und die Mitarbeiter sollten in der Aufbauphase durch andere Arbeiten in der Praxis voll ausgelastet sein, weil später ein Arbeitsaufbau nur schwer umzusetzen ist, wenn man sich in aller Gemütlichkeit unterhalb der Vollauslas-tung eingerichtet hat.
Wie differenzieren?
Für eine Lohndifferenzierung kommt es entscheidend auf objektive Merkmale an. Da sind in erster Linie die
- Qualität der Arbeit;
- einwandfreie Hygiene;
- sowie die Abwicklung einer podologischen Komplexbehandlung mit allen Vor- und Nacharbeiten in den vorgesehenen 40 Minuten zu nennen.
Das wird idealerweise durch
- Serviceorientierung;
- Kundenfreundlichkeit;
- Fleiß;
- Zuverlässigkeit;
- Gewissenhaftigkeit und
- selbstständiges Arbeiten
ergänzt. Weniger das Alter, vielmehr die Erfahrung wäre ebenfalls ein zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Diese Punkte können Sie für sich monetär bewerten und zur Grundlage für Ihre Gespräche über Vergütungen und Vergütungserhöhungen machen. Dabei könnten Sie die für Sie wichtigen Kriterien gegenüber Ihren Mitarbeiterinnen klar herausarbeiten.
Das Ergebnis
Es bietet sich für Berufsanfänger eine Größenordnung von 1800 Euro an (wegen des notwendigen Abstands zum Mindestlohn), eventuell sofort oder später um Aufschläge aus der obigen Liste ergänzt. Dies kann sich, je nach Entwicklung der Praxis und der Einnahmen bis auf etwa die genannten 2500 Euro (weil darüber die Rentabilität gefährdet ist) steigern.
Es wäre auch zu überlegen, mitarbeiterbezogene Ziele formaler Art (zum Beispiel in Bezug auf Pünktlichkeit, ordnungsgemäße Abwicklung von Arbeitsschritten usw.) zu vereinbaren und bei deren Einhaltung einmalige oder laufende Prämien zu zahlen.
Daneben – oder für besondere Leis-tungen – kommen auch Naturallohnbestandteile in Frage wie zum Beispiel Tankgutscheine.
Ergebnisverbesserung durch Spezialisierung
In einer späteren Phase kann auch daran gedacht werden, eine weitere Entwicklung zu realisieren. Sie bekommen nur Geld für die erbrachten Leistungen. Nicht alle Leistungen müssen aber von ausgebildeten Podologinnen erbracht werden, dafür kommen auch Unterstützungskräfte infrage. Man kann durchaus ausrechnen in welcher Zusammensetzung dadurch eine Leistungssteigerung und eine Verbesserung des Ergebnisses erzielt werden kann.
In diesem Zusammenhang kann die Vergütung um eine Position erweitert werden, die sich an der Zahl der erbrachten Leistungen, natürlich ohne Qualitäts- und Hygieneeinschränkungen, orientiert. Da sind vielerlei Möglichkeiten gegeben.
Einnahmen
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68 060
|
68 060
|
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Monatsgehalt
|
1 800
|
2 500
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Jahresgehalt
|
21 600
|
30 000
|
Sozialversicherung und
Administrierung, rund 30 %
|
6 480
|
9 000
|
Personalkosten
|
28 080
|
39 000
|
anteilige Praxiskosten bei 30.000 EUR Praxiskosten
und 4710 Behandlungen
|
15 000
|
15 000
|
Gesamtkosten
|
43 080
|
54 000
|
Gewinn rund
|
24 980
|
14 060
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Tab 1. Die Auswirkungen unterschiedlicher Gehälter auf den Gewinn.
Team und Leistungsfähigkeit
Entscheidend für die Leistungsfähigkeit einer Praxis ist allerdings nicht allein das Gehalt. Nötig ist oft die Modernisierung und Professionalisierung des Praxismanagements und der Mitarbeiterführung. Anerkennung, Wertschätzung, Weiterbildung und Übertragung von Kompetenzen, verbunden mit eindeutigen und transparenten Vorgaben sind nötig. Ziel muss es sein, gemeinsam Erfolge zu erzielen und sich daran zu freuen.
Anschrift des Verfassers
Dipl.-Verwaltungswirt (FH)/
Betriebswirt Josef Förster
Beratender Verwaltungswirt
Mommsenstr. 7