Kein Staub in der Praxis
Das Thema „Feinstaub“ in der Podologiepraxis führte bisher in der Branche ein Schattendasein. Jüngst hat es mein geschätzter Berufskollege Klaus Grünewald in der Ausgabe „Der FUSS“ 9/10 2018 mit seinem Artikel „Die Staubbelastung in der Podologiepraxis“ aufgegriffen. Jeden signifikanten Hinweis unterstreiche ich gerne persönlich und unterstütze die gesundheits-prophylaktischen Empfehlungen zum Schutze unseres Berufsstandes in diesem Artikel.
Durch meine Vortrags- und Workshoptätigkeit in Deutschland – aber auch im Ausland – habe ich viele „Fachschulen“ erlebt, die ihre Schüler im praktischen Unterricht mit Geräten ohne Absaugung „ausgebildet“ haben. Die Schüler waren von einer Wolke Schleifstaub umgeben und mussten so am Patienten arbeiten. Die Infektionsrisiken werden zudem von Lehrkräften oft meist noch verharmlost.
Dabei sind nicht die „sichtbaren“ Staubpartikel, die sich auf Kleidung, vor und hinter der Brille, Haaren oder Haut niederlassen, bedenklich, sondern der „unsichtbare“ Feinstaub, dessen Partikel so klein sind, dass sie beim Einatmen über die Atemwege aufgenommen werden und bis in die Alveolen und Bronchiolen der Lunge (Lungenbläschen) vordringen können. Die sich schleichend entwickelnde „Berufskrankheit“ sollten und können wir nicht schönreden.
Wissen ist nicht vorhanden
Nach dem Staatsexamen ist jeder Podologe erst einmal hochmotiviert, endlich in den Beruf zu starten. Doch nach meiner Meinung sind die meisten Podologen nach ihrem Schulabgang nicht in der Lage, sich ein adäquates „externes Absaugsystem“ zum Schutz für die tägliche Praxis zuzulegen, weil ihnen einfach noch die fachliche Kompetenz und Berufserfahrung fehlt.
Wird die Praxiseinrichtung nach fachlichen oder finanziellen Aspekten ausgesucht? Welche Hygienevorschriften sind in dem jeweiligen Bundesland einzuhalten. Wurde in der Ausbildung gelehrt, wie Hygiene bei der Kalkulation der Behandlungspreise berücksichtigt werden muss? Werden an den Schulen überhaupt einheitliche Hygienestandards vermittelt? Wird gelehrt, welche Investitionen für ein „hygienisches“ Arbeiten im podologischen Praxisalltag als Schutzmaßnahmen für Behandler sowie Patient erforderlich sind?
Und diejenigen, die vorgeben, informiert zu sein und es sich finanziell leis-ten könnten, belächeln dummerweise oft die Notwendigkeit. Und da die Nachfrage den Preis bestimmt, setzen zurzeit leider noch zu wenige Berufskollegen eine „externe Absauganlage“ ein.
Der Weg zu externen Lösungen
Schon 1997 habe ich mich in Fachzeitschriften für ein externes System ausgesprochen, hatte aber zu der Zeit noch keine wissenschaftlichen Grundlagen und Beweise. Denn nach meiner Meinung ist die Absaugung in den mobilen Fußpflegegeräten – gelinde gesagt – „überfordert“ und für den „professionellen“ täglichen Einsatz mit rotierenden Instrumenten mit hoher Abtragsleistung zu schwach. Ich schlage deshalb vor: Bei Arbeiten mit hohen Umdrehungszahlen bis 40000 U/min sollte ein externes, mobiles, individuell zu positionierendes Absaugsys-tem herangezogen werden.
2004 schrieb mein Hausarzt die BGW an und zeigte den Verdacht auf eine bestehende „Berufskrankheit“ an. Meine Beschwerden: Extrinsisches Asthma bei hyperreagiblem Bronchialsystem mit Hausstaubmilbenallergie. Darüber hinaus sind als Auslöser für einen Reizhusten und teilweise Atemnot in der Praxis verwendete Sprühdesinfektionsmittel, mykotischer Schleifstaub, Salbengerüche und Inhalation ätherischer Öle aufgefallen.
Der Fall wurde von der BGW ernst genommen und ein reger Schriftwechsel zwecks einer wissenschaftlichen Untersuchung an meinem Arbeitsplatz fand statt. Ich musste zur Begutachtung zu einem Professor nach Nürnberg, der damals leider keine Ahnung von der Arbeit eines Podologen hatte. Allergietest auf Unterarm, Blutbild und Atemtests ergaben seiner Meinung nach keinen Anhalt auf besondere Leistungen oder Maßnahmen, die dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenwirken.
Resultat der Untersuchung: Ich hatte viel Zeit und Kosten für nichts inves-tiert! Und meinen Husten durfte ich weiterhin aushalten. Ich legte Einspruch ein und ein Jahr später wurde die Sache noch einmal geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass der Professor beziehungsweise Gutachter sich lediglich auf Medikamente, ätherische Öle und Alkohole beschränkt hatte, nicht jedoch auf mykotischen, alveolengängigen Feinstaub untersucht hatte, der bei meiner täglichen Praxis entsteht und eingeatmet wird. Der daraus resultierende ständig auftretende Hustenreiz konnte deshalb nicht befriedigend beurteilt werden.
Ein Dipl.-Ing. als technischer Aufsichtsbeamter der BGW hatte sich damals auch persönlich in meiner Praxis von der Entstehung der mikrofeinen Schleifpartikel überzeugt, die nicht optimal von mobilen Fußpflegegeräten abgesaugt werden können und die Einrichtung einer externen „kräftigen“ Absauganlage befürwortet. Stolz präsentierte ich damals die erste Installation einer trichterförmigen Absaugung mit „Staubsaugermotor“, der allerdings auf Dauer durch permanentes Ein- und Ausschalten häufig ersetzt werden musste (Kostenfaktor) und damalige Partner die Priorität nicht erkannten.
Weitere Erkenntnisse gewonnen
Nach den durchgeführten Messungen in meiner Praxis mit Ingenieuren der BGW gewann man folgende Einsichten:
- neben der Vermeidung beziehungsweise dem Absaugen von Aerosolen, Schleifstaub etc., stellt auch das konsequente Tragen von geeigneter Schutzkleidung während der Behandlung eine gebotene präventive Schutzmaßnahme dar;
- das Sprühverfahren ist auf Wischdesinfektion umzustellen;
- ätherische Trägerstoffe von Fußbehandlungsmitteln/Sprays können durch entsprechende Lüftung (Fenster geöffnet etc.) reduziert werden – also öfters lüften;
- ein chirurgischer Mundschutz ist für den Arzt/Patient gegen Tröpfcheninfektion konzipiert (OP, Intensivstation, etc.) – jedoch „nicht“ als Partikelfilter geeignet! Ein OP-Mundschutz ist deshalb nicht in der Lage, die sehr gefährlichen, kleinsten Staubteilchen bei der podologischen Schleif- und Fräsarbeit hygienisch auszufiltern;
- dieser Mundschutz stellt die unterste Stufe für den Staubschutz dar und kann in der Kosmetikbehandlung Anwendung finden (erkältete Kosmetikerin usw.), aber nicht bei Arbeiten am Nagel. Hier muss eine professionelle Absauganlage installiert werden, um die Patienten und den Behandler vor aspirierendem Feinstaub zu schützen;
- einen wirkungsvollen Schutz der Atemwege bieten nur partikelfiltrierende Halbmasken mit Ausatemventil;
- Einmalkittel, Kopfhaube, Handschuhe, Mundmaske mit Ausatemventil sind unbedingt erforderlich – besonders bei Hausbesuchen.
Die Lösung: Externe Absaugung
Das Absaugsystem, das nun in meiner Praxis in Berchtesgaden steht, heißt „PODO pure+“. In Zusammenarbeit mit der Firma Polytech Systeme in München (www.polytech-systeme.de) wurde ein adäquates Absaugsystem entwickelt. Unzählige Stunden verbrachten wir mit dem Testen des Absaugtrichters, des biegsamen und frei beweglichen Armes, einer wartungsfreien Turbine sowie eines mehrstufigen Filtersystems mit Hepa-Filter zum Abscheiden der feinen Schwebstoffe.
Eine ähnliche Absaugtechnik wird auch bei Laseranwendungen genutzt, bei der ebenfalls gesundheitsschädliche Gase und Stäube entstehen.
Welche Kriterien waren uns bei der Entwicklung wichtig?
- sehr starke Absaugleistung;
- geringe Geräuschentwicklung, Schallpegel < 52 dB;
- zwei getrennte Filtersysteme (Staub- und HEPA-Filter);
- Abluft wird durch den HEPA-Filter gereinigt der Raumluft zugeführt;
- der 30 cm2 große Taschenfilter hat eine Kapazität von 6,4 Liter;
- der HEPA-Filter hat einen Wirkungsgrad von 0.3 um – 99.997 Prozent;
- höchster Hygienestandard;
- Bedienung durch Fußschalter;
- mobiler, flexibler Absaugarm mit verschiedenen Ansaugtrichterformen;
- individuelle Platzierung am Arbeitsplatz möglich (Decke, Wand, Bodenstativ roll- und feststellbar ohne schweren Motor).
Das Gewicht beträgt 28 Kilogramm bei einer Größe von 380 x 260 x 260 Millimeter. Das schallgedämmte Gehäuse steht auf Rollen und kann auch in einem separaten Raum platziert werden. Die Absaugleistung beträgt 285 m³/ Std. bei 9,6 kPa.
Feedback erwünscht
Gerne ermögliche ich Kolleginnen und Kollegen, unseren Berufsverbänden und sonstigen Interessenten, die neue Generation der externen Absaugsysteme in Aktion am Arbeitsplatz zu erleben und zu testen. Ich freue mich über Feedback. Denn es wäre zu wünschen, wenn sich Berufsverbände, Schulen, Lehrkräfte und professionell arbeitende Kollegen im In- und Ausland der Tragweite dieses Gesundheitsproblems, welches uns alle betrifft, mehr Aufmerksamkeit schenken würden.