Leistungsgerechte Vergütung für Podologen gefordert
[Abo] Eine leistungsgerechte Vergütung der Heilmittelerbringer für die podologische Therapie hat der Deutsche Verband für Podologie (ZFD) in einem Positionspapier gefordert. Über die Inhalte des Positionspapiers und die generelle Entwicklung sprachen wir mit Verbandspräsidentin Mechtild Geismann.
Die Podologie hat sich seit Inkrafttreten des Podologengesetzes kontinuierlich weiterentwickelt. Podologinnen und Podologen nehmen bereits jetzt eine verantwortungsvolle Stellung in der Gesundheitsversorgung ein – doch auch in Zukunft sieht sich der Berufsstand großen Herausforderungen gegenüber. Eines der aktuellen Themen: Die unzureichende Vergütung der Heilmittelerbringer. Der Deutsche Verband für Podologie (ZFD) hat ein Positionspapier zur aktuellen Leistungs- und Vergütungssituation von Podologen veröffentlicht.
Frau Geismann, das Thema Leistungsvergütung der Heilmittelerbringer ist immer noch – oder anders gesagt: immer wieder – aktuell. Können Sie kurz zusammenfassen, worum es genau geht?
Sie haben Recht, das Thema leistungsgerechte Vergütung von Heilmittelerbringern ist ein Dauerbrenner und angesichts der gesundheitspolitischen Diskussion um Themen wie demografischer Wandel, Qualitätssicherung der Gesundheitsversorgung, stärkere Einbindung der Heilmittelerbringer in die Versorgungsstruktur und Neuregelung der Gesundheitsberufe aktueller denn je! Das Thema hat durch eine Stellungnahme des Deutschen Pflegerates vor kurzem auch den Weg in das aktuelle Gesetzgebungsverfahren zum eHealth-Gesetz gefunden und muss jetzt weiter beraten werden. Das Positionspapier des Deutschen Verbandes für Podologie als maßgebliche Berufsorganisation von Podologen in Deutschland liegt der Politik ebenfalls vor. Kurz gefasst geht es um strengste Gesetzesvorgaben einerseits und unzureichende – weil nicht leistungsgerechte – Vergütung der podologischen Therapie andererseits.
Allen Beteiligten ist klar, dass eine flächendeckende interdisziplinäre Gesundheitsversorgung der Bevölkerung durch Ärzte und Gesundheitsfachberufe unverzichtbar ist und in Zukunft immer wichtiger werden wird. Passend dazu sind die Anforderungen an die Leis-tungserbringer einer podologischen Praxis in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen – sowohl in Bezug auf die Kassenzulassung als auch hinsichtlich gesetzlicher Hygienevorgaben, die mit den Anforderungen an Zahnarztpraxen vergleichbar sind. Die gesetzlichen Regelungen gelten bundesweit und sind – wie wir alle wissen – mit einem immensen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden. Der Bereich der Podologie unterscheidet sich hier ganz deutlich von den Anforderungen an andere Heilmittelerbringer. Soweit die eine Seite. Auf der anderen Seite steht ein Vergütungssystem, das bei gleichen Anforde-rungen gleiche Leistungen immer noch stark differenziert (Stichwort Ost-West-Gefälle). Zudem blockiert die starre Grundlohnsummenanbindung ein angemessenes und leistungsgerechtes Vergütungsniveau.
{pborder}Können Sie Zahlen nennen?
Der ZFD beziffert den Bedarf für eine podologische Therapiestunde auf zirka 60 Euro. Eingerechnet sind hier neben der eigentlichen Therapieleistung auch die Nebenleistungen wie Befund, Anamnese, Inspektion, Dokumentation Therapiebericht, Instrumentenaufbereitung und Beratung, die immerhin einen Zeitaufwand von 15 – 20 Minuten pro Patient ausmachen. Der Investitionsbedarf zur Ausstattung einer podologischen Praxis liegt bei 20000 bis 25000 Euro pro Therapeut. Der Hygieneaufwand kann unter Berücksichtigung der laufenden Kosten, des Faktors Zeit und zusätzlicher Schulungen gem. gesetzlicher Vorgaben mit etwa elf Euro pro Patient angesetzt werden. Ein Vergleich Ost-West unter strukturgleichen Praxen zeigt, dass das Gesamtausgabenvolumen gleich hoch ist – demgegen-über steht aber das stark differenzierte Vergütungssystem. Das bedeutet: Gleiche Leistungen bei gleichen Anforderungen werden unterschiedlich bewertet und bezahlt!
Stichwort Ost-West-Gefälle – die Angleichung beziehungsweise Annäherung der Lebensverhältnisse generell ist ja zumindest in großen Teilen erfolgt. Nicht so offenbar bei der Vergütung durch die Krankenversicherungen?
Richtig. Das deutliche Ost-West-Vergütungsgefälle der gesetzlichen Krankenversicherungen – 25 Jahre nach Vollzug der Deutschen Einheit – widerspricht dem vergütungsrechtlichen Grundsatz der „angemessenen Vergütung“ im Sinne des Sozialgesetzbuchs (SGB) V sowie dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes. Die Regelung des Versorgungsstärkungsgesetzes (VSG), die eine Anpassung mit festzulegenden Mindestpreisen über einen fünfjährigen Zeitraum vorsieht, kann als Schritt in die richtige Richtung gedeutet werden. Allerdings wird das Defizit dadurch nicht behoben, denn die Berechnungsbeschränkung auf das jeweilige Bundesland führt zwar zu einer Annäherung, aber nicht zu einer tatsächlichen Aufhebung der Vergütungsunterschiede Ost-West. Außerdem bleibt ein Gefälle innerhalb der Kassenarten eines Bundeslandes bestehen. Der Therapeut Ost wird nun nicht mehr nur von den Krankenkassen, sondern auch vom Gesetzgeber als „Therapeut zweiter Klasse“ behandelt.
Was sind nun die Kernforderungen, die der ZFD in seinem Positionspapier vertritt?
1. Der ZFD vertritt die Position, dass das Ost-West-Gefälle in einem Zeit-raum von zwei Jahren durch die gesetzlichen Krankenversicherungen nivelliert werden muss. Seitens der Krankenkassen besteht gegenüber dem Leistungserbringer ein Gleichheitsanspruch zur Versorgung ihrer Versicherten. Diesen Anspruch stellen auch die Leistungserbringer im Bereich Podologie – vertreten durch den ZFD – gegenüber dem Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenversicherungen.
2. Der ZFD fordert vom Gesetzgeber die Aufhebung der starren Grundlohnsummenanbindung. Die Preissteigerungen um gesetzlich fixierte Maximalbeträge führten in den letzten Jahren, verglichen mit der Inflationsrate, zu einer Negativsteigerung. Die Grundlohnsummenanbindung blockiert ein leis-tungsgerechtes Vergütungsniveau.
3. Der ZFD erwartet von den gesetz-
lichen Krankenkassen eine Vergütungspolitik, die den Behandlungen der Podologie und den damit verbundenen Aufwendungen angemessen und leis-tungsgerecht ist. Ausgabensteigerungen aufgrund des Mindestpreises dürfen die regulär zu verhandelnden Preisabschlüsse und die Entwicklung einer leistungsgerechten Vergütung nicht hemmen.
Frau Geismann, herzlichen Dank für das Gespräch. Interview: Thomas Schmidt
Ausgabe 01/02 2016
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