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9. Juli 2021
Redaktion

Mit der Praxis altern?

PETRA ZIMMERMANN





Immer mehr Podologinnen und Podologen klagen über körperliche Beschwerden durch ­hohe Arbeitsbelastung. Um den eigenen Körper zu schonen und Schäden zu vermeiden, hilft die ­Ergonomie im Arbeitsalltag.
Foto: AUVA

Wichtig ist zunächst, sich Fehlhaltungen einzugestehen, sie ­bewusst zu vermeiden – und am besten gleich damit zu beginnen. Laut einer bundesweiten Umfrage empfinden über 60 Prozent der Behandler und Behandlerinnen das Lastentragen bei Hausbesuchen als die größte Strapaze. Über 35 Prozent beklagen das lange Sitzen als besonders körperlich belastend ebenso das Arbeiten in vorgebeugter oder verdrehter Haltung. Aber Klagen hilft nicht weiter, jeder kann selbst etwas tun, um ergonomisch zu arbeiten und dem eigenen Körper damit Gutes zu tun.

 
„n“ macht den Unterschied
Altersgerechte und alternsgerechte Ergonomie am Arbeitsplatz sollte schon bei jungen Mitarbeitenden anfangen. Alternsgerechte und damit vorbeugende Arbeitsgestaltung will die Arbeitsfähigkeit für die gesamte Dauer der Erwerbstätigkeit erhalten und fördern. Denn der Prozess des Alterns beginnt schon in der Jugend. Demgegenüber bedeutet „altersgerecht“, dass die Arbeitsanforderungen dem geänderten Leistungsvermögen angepasst werden. Das heißt, man gleicht Veränderungen im Alter wie die Abnahme des Sehvermögens oder der Muskelkraft aus.{pborder}
 

Ein ergonomischer Arbeitsplatz unterstützt die berufliche Tätigkeit und minimiert die Belastungen.

 
Arbeit beeinflusst das Altern
Menschen altern auf unterschiedliche Weise und unterschiedlich schnell. Nicht nur das Alter und die DNA, sondern auch der persönliche Lebensstil und nicht zuletzt die Arbeit beeinflussen das Altern. Gegensteuern kann man durch hohe Motivation, Arbeitszufriedenheit und ein körpergerechtes Arbeitsumfeld; Gefahren drohen durch lange Arbeitszeiten, schlechte Pausengestaltung und unpassende Arbeitsabläufe.
 
Der Check im eigenen Betrieb
Im ersten Schritt müssen alterskritische Faktoren und belastende Tätigkeiten im eigenen Betrieb erkannt, im zweiten Schritt durch ergonomische Lösungen beseitigt werden. Denn ein ergonomischer Arbeitsplatz soll die berufliche Tätigkeit optimal unterstützen und die arbeitsbedingten Belastungen möglichst minimieren. Auch die Organisation der Arbeitsabläufe spielt dabei eine wichtige Rolle. So kann man Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten oder arbeitsbedingten Erkrankungen vorbeugen.
 
Verwenden Sie eine Fußwanne auf Rollen. Foto: AUVADie richtige Körperhaltung
Sitzen ist eigentlich eine Strafe für den Körper, für die Schultern, den Nacken und besonders für den Rücken. Deswegen ist starres Sitzen zu vermeiden, das die Wirbelsäule permanent belastet. Die Durchblutung der Bandscheiben sinkt und die Rückenmuskulatur muss Schwerstarbeit leisten. Überlastungen sind die Folge, die zu Kopf- und Rückenschmerzen, Verspannungen und einem Abfallen der Leistungsfähigkeit führen können. Am Ende steht der berüchtigte Bandscheibenvorfall. Höhenverstellbar, kippsicher und mit einer flexiblen Rückenlehne, das sind die Mindestvoraussetzungen für einen Arbeitsstuhl. Am besten sitzen die behandelnden Personen auf ergonomischen Stühlen, um dynamisches Sitzen – nach vorn und hinten, aber auch seitlich – zu ermöglichen. Möglich machen das Sitzflächen, die sich in alle Richtungen mitbewegen. Diese Dynamik unterstützt die Muskeln und die Bandscheiben, die sich durch Bewegung immer wieder mit Wasser füllen und als Puffer wirken. Angenehm ist auch eine neigbare Sitzfläche mit einer speziellen Federung, die die Wirbelsäule beim Hinsetzen abfedert, auf jeden Haltungswechsel reagiert und beispielsweise beim Zurücklehnen automatisch leicht nach oben kippt. Rollen unter dem Stuhl gewährleisten, dass Sie sich stets in die richtige Position möglichst nah und direkt vor Ihren Arbeitsbereich bewegen können. Beim Sitzen sollte man bewusst auf eine 90-Grad-Achse achten, also zwischen Unter- und Oberschenkel sowie dem Oberkörper sollte dieser Winkel bestehen. Die Schulterachse soll gerade gehalten werden. Mit einem elektrisch verstellbaren Behandlungsstuhl lässt sich der Patient oder die Patientin optimal in Position bringen. Ob bei der Behandlung von Nägeln, Fußballen oder Fersen, die Podologen und Podologinnen können aufrecht mit geradem Rücken arbeiten. Die Einstellung der Arbeitshöhe verändern sie bequem über einen Fußschalter.
 

Hausbesuche sind eine besondere Herausforderung in Sachen Ergonomie

 
Licht und Schatten
Die Lichtverhältnisse werden in der Arbeitsplatzgestaltung vernachlässigt, das Motto lautet oft „Hauptsache hell“, aber so einfach ist das nicht. Mit zunehmendem Alter steigt auch der Lichtbedarf. Die Augen verlieren ihre Durchlässigkeit; die mittlere Pupillenweite sinkt bei gleicher Beleuchtungsstärke. Leider fördert die Naharbeit mit digitalem Licht auch die Kurzsichtigkeit; ohne eine beleuchtete, individuell einstellbare Lupe sollte man aber dennoch nicht arbeiten. Sind mehrere Fensterflächen im Raum vorhanden, sollte die Blickrichtung parallel zur hellsten Fläche gehen. Bei störenden Reflexionen oder zu hohen Kontrasten sollte man eine Lichtschutzvorrichtung anbringen. Ideal ist eine gleichmäßige (100 Lux) und möglichst farbneutrale künstliche Beleuchtung. Flimmern oder eine direkte/indirekte Blendung im Gesichtsfeld sollten Sie vermeiden. Eine blendfreie Wandleuchte mit direkter oder indirekter Beleuchtung kann eine Lösung sein.
 
 
Achten Sie auf eine gerade Sitzhaltung im 90-Grad-Winkel, egal ob auf einem Sitzhocker oder auf einem Stuhl mit Rückenlehne. Foto: AUVA
 
Ergonomisch mobil?
Mobile Fußpflege bedeutet körperliche Belastung, die schon bei der Autofahrt und dem Schleppen der Ausrüstung vom Auto zum Einsatzort beginnt. Die kiloschwere Ausstattung für die Behandlungen umfasst Apparate und Zusatzleuchte ebenso wie eine eigene Sitzgelegenheit und einen Fußhocker. Aufgrund der Verhältnisse in den Privatwohnungen verharren die Podologen und Podologinnen minutenlang in Zwangshaltungen. Gerade ältere Patienten und Patientinnen bereiten meistens nichts vor, was die Fußpflege erleichtern würde. Hier ist es wichtig, dass Sie Ihre eigenen Bedürfnisse kommunizieren. Hinzu kommen zu wenig Platz, mangelnde Lichtverhältnisse und ungünstige Behandlungspositionen, schlimmstenfalls das Ganze unter Zeitdruck. Beim Hausbesuch sitzt man sehr häufig nicht ergonomisch und verdreht und wendet den eigenen Körper. Dadurch verkürzen sich viele Muskeln, die auf der Vorderseite des Körpers liegen. Die Muskeln auf der hinteren Seite werden schwächer und eine Fehl-Balance entsteht. Sitzen Sie also aufrecht und benutzen Sie für tiefe Positionen möglichst einen Kniehocker oder legen Sie den zu behandelnden Fuß hoch. Bei bettlägerigen Patienten und Patientinnen sollten Sie das Bett so verstellen, dass Sie Ihre Arbeit im Stehen ausführen können.
 
Bei bettlägerigen Patienten und Patientinnen ist es wichtig, dass die Behandlungen in einer rückengerechten Position ausgeführt werden. Foto: AUVATraining während der Arbeit
Sie können Ihren eigenen Körper während der Arbeit trainieren, indem Sie aufrecht sitzen. Heben und tragen Sie rückengerecht und schieben oder ziehen Sie wenn möglich Ihre Utensilien. Wichtig ist, dass Sie alles in Reichweite halten: Nutzen Sie beide Hände auf Höhe des Bauchnabels, das Arbeiten mit einer Hand kann auch mit einer Rumpfdrehung stattfinden, wenn Sie ihre Schultern aktivieren. Fersenbehandlungen sollten Sie ohne belastende Körperhaltung durchführen. Fast alle Patienten und Patientinnen können für fünf Minuten ihre Hüfte drehen, auch wenn es etwas unbequem für sie ist. Das hilft Ihrem Rücken. Benutzen Sie für die Plantar-Behandlung, Nagel-Behandlung usw. unbedingt eine Fußstütze. Halten Sie Ihre Schultern entspannt nach hinten und Ihren Kopf in einer neutralen Position. Sehen Sie Treppensteigen als Training. Nehmen Sie so wenig Gewicht mit wie möglich, also nur das Instrumenten-Set für den aktuellen Hausbesuch. Sie können Ihr Equipment dann im Auto vor dem nächsten Termin austauschen. Der Koffer für die Hausbesuche sollte Rollen haben oder auf dem Rücken getragen werden. Bei Handtaschen verteilen Sie die Last symmetrisch und halten Ihre Schulterblätter dabei nach hinten, ohne ins Hohlkreuz zu gehen. Trainieren Sie Ihre Augen nach der Arbeit mithilfe der Weitsicht. Fokussieren Sie etwa bei der Autofahrt zum nächsten Hausbesuch ferne Ziele und schauen Sie bewusst ins Weite.
 
Ausgleichstraining
Die Wenigsten denken an ein gesunderhaltendes Ausgleichstraining gemäß dem Motto „solange es nicht wehtut“. Aber Ausgleichstraining ist wichtig und kann Ihnen körperliche Schäden ersparen. Die psychischen Herausforderungen des Berufs können ebenso belastend sein: Zuhören, Optimismus ausstrahlen und ständiger Zeitdruck erschweren die Tätigkeit. Die Patienten und Patientinnen wissen dies häufig nicht und haben manchmal auch zu hohe Erwartungen. Zudem mangelt es in unserer Gesellschaft an der Anerkennung des Podologen-Berufes. Umso wichtiger, dass Sie sich selber und Ihren Körper zu schätzen und zu schützen wissen.
 
Bildhinweis
Alle Fotos stammen aus der Broschüre „Alternsgerecht und ergonomisch arbeiten im Bereich Kosmetik, Massage, Fuß- und Handpflege“ (www.auva.at)
 
Anschrift der Verfasserin:
Petra Zimmermann
Schleswiger Straße 30
48147 Münster
 
 
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Foto: Eakrin/Adobe Stock
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