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16. März 2023
Ruth Trenkler
Konfliktlösung

Mit Honig fängt man Fliegen

Für eine konstruktive, faire und empathische Art der Konfliktlösung plädiert podo deutschland ­Präsidentin Ruth Trenkler. Aus gegebenem Anlass.
Grafik
Grafik: Cornelia Meier/C. Maurer Fachmedien

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Büro und bearbeiten Reklamationen. Den ganzen Tag werden Sie mit Fakten konfrontiert, die schiefgelaufen sind, für die Sie selbst nichts können – für die Sie aber am Telefon den Kopf hinhalten müssen. Da ist ein Kunde, der etwas falsch bestellt hat, aber partout nicht einsieht, was er bei der Bestellung falsch gemacht hat. Da ist die anstrengende Kundin, die sich zwar zu Recht beschwert, weil bei der Lieferung ein Fehler gemacht wurde, deren schrille Stimme allein Ihnen aber schon Kopfschmerzen bereitet. Dennoch müssen Sie immer geduldig und freundlich bleiben. Kein leichter Job.

Jetzt setzen wir noch einen drauf: In der Team-Besprechung hat Ihr Chef einen gewissen Ablauf angeordnet. Sprich: Ein Vorgang hat genau nach einem bestimmten Schema abzulaufen. Wird dies nicht eingehalten, bekommt die Kundin oder der Kunde keine Ware. Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn dann die Kunden und Kundinnen bei Ihnen – nicht beim Chef – anrufen und Sie übelst beschimpfen und beleidigen? Sie unter der Gürtellinie angreifen und mit einem Shitstorm überfluten?

Porträtfoto
Foto: Privat
Ruth Trenkler

Wie unfreundlich, wenig empathisch und einfühlsam muss man sein, wenn man seinem – wenn auch gerechten – Zorn an einem unschuldigen Menschen auslässt, der sich nicht wehren kann? Und von dem man dann noch erwartet, dass sie oder er einem hilft. Wie groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass das Gegenüber, an dem Sie gerade Ihren Frust so richtig ausgelassen haben, hergeht und sagt: „Aber gerne bringe ich das für Sie in Ordnung“? Zumal Sie wohl schon die zwanzigste Person sind, die heute verbal mal so richtig die Sau rausgelassen hat. Verzeihen Sie meine Direktheit.

Warum ich das hier schreibe? Das ist so tatsächlich passiert. Uns Therapeutinnen und Therapeuten, die wir uns doch auf die Fahne schreiben, mit Menschen heilend umgehen zu können. Menschen wieder auf die Beine zu helfen. Nicht, sie vom Hocker zu reißen und krank zu machen.

Erinnern Sie sich an die unseligen Absetzungen bei der Barmer? Da wurde in einer Besprechung wohl über das Ziel hinausgeschossen. Keiner konnte ahnen, welche Konsequenzen das haben würde. Nicht nur der Ärger der Betroffenen, der wie ein Orkan über Deutschland fegte, auch der Mehraufwand und die Mehrarbeit für die Barmer selbst durch die ganzen Absetzungen, die letztendlich dann doch bezahlt wurden.

Wer den Sturm in voller Breite abbekam, waren die Sachbearbeiterinnen und -sachbearbeiter, die für die ganze Sache nichts konnten, sondern nur Anweisungen befolgten. Und das ist in meinen Augen nicht fair.

Selbstverständlich verstehe ich den Ärger (auch ich war mit einigen Tausend Euro betroffen). Aber: Mir war immer klar, dass die Person am anderen Ende der Leitung nichts für meinen Ärger konnte. Es waren nicht die DDG oder deren Mitarbeitende, die den Geldfluss blockierten. Sie haben lediglich umgesetzt, was ihnen angeordnet worden war. Natürlich war ich verärgert. Aber es macht einen großen Unterschied, ob man sagt: „Ich ärgere mich momentan wahnsinnig, aber ich weiß, Sie persönlich können nichts dafür. Würden Sie mir bitte helfen, die Sache wieder in Ordnung zu bringen?“ Oder ob man sein Telefongegenüber persönlich angreift oder sogar beschimpft.

Die Mitarbeitenden haben bei Fehlern, die unserseits gemacht wurden, immer die Möglichkeit, kulant zu sein. Meiner Erfahrung nach sind sie das auch. Aber nicht, wenn man sie böse angeht. Da wäre wohl auch keiner von uns kulant.

Es gibt in der Welt genug Bösartigkeit. Bemühen wir uns doch, unsere Konflikte fair und konstruktiv zu lösen. Wenn man Dampf ablassen muss, dann rein in die Joggingschuhe, raus in den Wald, da kann man dann brüllen und Luft ablassen. Im schlimmsten Fall erschreckt man ein paar Wildschweine und die verkraften das schon …

Bleiben Sie gelassen!

Ihre Ruth Trenkler

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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