Nagelpilz – oder etwa doch nicht?
Gezielte Diagnostik und enge Zusammenarbeit
Wie immer gilt: Für einen erfolgreichen Behandlungsverlauf ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem medizinischen Fachpersonal unerlässlich. Aber auch die Compliance – also die Therapietreue – der Patientin oder des Patienten trägt wesentlich dazu bei.
Vorausgehen muss stets eine exakte Diagnose durch die*den Ärzt*in. Denn: Je genauer die Diagnose, umso mehr sparen die Betroffenen – vor allem, wenn es um so langwierige Behandlungen wie die einer Onychomykose geht. Liegt der Verdacht auf Nagelpilz nahe, kann neben einer mikroskopischen Untersuchung von spezialisierten Laboren auch eine zytologische Untersuchung von Nagelproben durchgeführt werden. So kann festgestellt werden, ob es sich tatsächlich um eine Onychomykose handelt. Auch die Art des Pilzes kann so bestimmt werden. Es wird besonderer Wert auf die Qualifizierung von Sporen und Hyphenformen (Dauerform) gelegt.
Erkundigen Sie sich bei den Anbietern, Laboren oder Dermatologie-Praxen nach den Kosten. Meist sind diese sehr erschwinglich und geben den Patient*innen ein großes Maß an Sicherheit. Eine histologische Biopsie kann auch eine Psoriasis-Nagelerkrankung ausschließen, die oftmals mit bloßem Auge nicht von einem Nagelpilz zu unterscheiden ist. Die Probenentnahme ist völlig schmerzfrei.
Genau nachforschen
Um die passende Therapie zu finden, ist eine gute kausale Befundung und Dokumentation wichtig. Dazu gehört neben dem Sichtbefund (Verfärbung, Form, Konsistenz, Geruch) der Nägel und des Sulcus durch eine Lupenleuchte oder eine Podo Cam auch der Tastbefund. Fragen Sie die Patientin oder den Patienten dabei, ob es schmerzt und seit wann die Beschwerden aufgetreten sind. Hilfreich können auch eine Nageluntersuchungsleuchte und das Sondieren mit Instrumenten sein.
Durch Abfrage von Erkrankungen und Medikation sowie Ausschluss von Traumata kommt man dem Ergebnis näher. Hilfreich ist auch ein größeres Blutbild, um Nährstoffmangel auszuschließen. Gern verwende ich als kleinen „Stupser“ eine Schüßler-Salz-Drehscheibe aus der Apotheke. Zusammen mit der Patientin oder dem Patienten gelangt man damit schnell zu einer ersten Idee, in welche Richtung es gehen könnte. Auf diese Weise erhält man erste Hinweise – und kommt mit dem Gegenüber ins Gespräch. Viele Apotheken beraten zu homöopathischen Behandlungen. Man kann sich aber natürlich auch an eine*n Heilpraktiker*in beziehungsweise ein*e Homöopath*in wenden. Wichtig ist darüber hinaus ein enger Austausch mit der behandelnden Hausarztpraxis.
Onychodystrophie – angeborene oder erworbene Störungen
Warum verändert sich die Konsistenz, Form und Farbe des Hautanhangsgebildes? Die Ursachen sind vielfältig – sie reichen vom Alterungsprozess über Verrucae, Gicht, Immunschwäche und Durchblutungsstörungen bis hin zu psychischen Erkrankungen.
Onycholyse und traumatische Nägel
Häufig mit Onychomykosen verwechselt werden Onycholysen und traumatische Nägel. Ähnlich wie bei einer Onychomykose erscheint auch hier die Nagelplatte leicht gelblich und löst sich ab. Die oftmals am vorderen und seitlichen Nagelrand beginnende Ablösung kann vielfältige Ursachen haben. Häufig löst sich die Nagelplatte nach Verletzungen, übermäßigem Druck oder aufgrund anderweitiger Traumata. Auslöser kann aber auch eine Psoriasis-Erkrankung sein. Auch zu starke Druckverhältnisse durch Zehen- und Fußdeformitäten können zu unschönen Nägeln und der Nagelablösung führen.
Wichtig ist es zunächst, die sich ablösenden Stellen vor Infektionen zu schützen. Denn selbst wenn der Nagel noch nicht von einem Pilz befallen sein sollte, steigt das Risiko einer Infektion mit Haut- oder Nagelpilz mit einer Onycholyse – begünstigt durch das feucht-warme Milieu in der Fußregion. Hier bietet sich eine vorsorgliche Behandlung mit handelsüblichen Antimykotika an. Zudem sollten die Patient*innen darauf hingewiesen werden, dass die betroffene Stelle auch zu Hause regelmäßig desinfiziert werden sollte. Der weitere Therapieverlauf ist abhängig von der jeweiligen Ursache der Nagelablösung. Oberste Priorität hat es aber immer, den Kontakt zwischen Nagelbett und Nagel zu fördern. So habe ich bei einer jungen Patientin mit Onycholyse über Monate hinweg ein Nagelkorrektursystem appliziert und mit Sulci-Tamponaden fixiert. Zu Hause hat sie auf unser Anraten hin regelmäßige eine sogenannte Matrixmassage mit einem Nagelöl durchgeführt, um die Durchblutung zu fördern. Darüber hinaus hat die Patientin sich auch Barfußschuhe zugelegt.
Da auch starke Druckverhältnisse durch Zehen- und Fußdeformitäten zu unschönen Nägeln und Onycholysen führen können, empfehle ich meinen Patient*innen gern weiche Druckschutzelemente oder individuell angepasste Orthosen. Gefragt ist aber auf beiden Seiten vor allem Geduld, denn die Ursache muss beseitigt werden – das geht nicht von heute auf morgen.
Onychomykose
Onychomykosen sind weit verbreitet und gelten – zu Recht – als Volkskrankheit. Während Kinder kaum betroffen sind, ist der Nagelpilz bei älteren Menschen weitverbreitet. Besonders Männer erkranken häufig. Weil Onychomykosen keine Schmerzen verursachen, dauert es in der Regel recht lange, bis Erkrankte damit zur Arztpraxis oder Podologie-Praxis gehen. Die verdickten und/oder verfärbten Nägel werden von vielen Betroffenen oftmals auch nur als rein ästhetisches Problem betrachtet. Dabei können eine frühzeitige Diagnose und der Beginn einer entsprechenden Therapie die Heilungschancen fördern.
Auslöser für eine Pilzinfektion der Nägel sind meist Dermatophyten. Nagelpilz kann aber auch durch Hefen oder Schimmelpilze entstehen (siehe Kasten). Die prädisponierenden Faktoren sind vielfältig:
- Durchblutungsstörungen
- Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus
- Rauchen
- Varikosis
- Fuß- und Zehenfehlstellungen
- Verletzungen an den Extremitäten
- Durchblutungsstörungen
- Neuropathien
- Schuhdruck
- geschwächtes Immunsystem
Begünstigt wird die Entwicklung von Pilzinfektionen am Nagel durch das Tragen von Gummischuhen oder allgemein unpassendem Schuhwerk.
Therapie
Bei allen Onychomykosen zeigen sich keine Selbstheilungstendenzen. Wird nicht früh genug mit der Therapie begonnen, können Folgeerkrankungen entstehen. Es kann zu Komplikationen führen, wenn das Nagelbett beschädigt wird, beispielsweise können Fremdkörper und Mikroorganismen eindringen. Was vorher „nur“ eine Pilzinfektion war, kann zu einer zusätzlichen bakteriellen Infektion führen. Streptokokken oder Staphylokokken führen zu Erkrankungen der inneren Organe.
Eine Behandlung mit topisch aufzubringenden Lacken etc. ist erst einmal eine gute Lösung. Um die Wirksamkeit zu erhöhen, werden systemische Antimykotika empfohlen. Die Erfolgsrate steigt bei der Kombinationstherapie. Das heißt, wenn zusätzlich Tabletten eingenommen werden.
Unabdingbar ist zudem eine podologische Behandlung mit anschließender regelmäßiger topischer oder gar systemische/orale Behandlung. Erfolgsversprechende Mittel gibt es genug auf dem Markt. Auch reines Kokosöl zum Beispiel verfügt über heilungsfördernde und antibakterielle Eigenschaften. Manche schwören zudem auf Apfelessig. Vor Nebenwirkungen muss man sich bei beiden Substanzen auf jeden Fall nicht fürchten.
Podologische Nagelbehandlung bei Onychomykose
Damit die Wirkstoffe von Präparaten besser in die Nageloberfläche eindringen können, werden zunächst alle mykotischen Partien mit dem Rosenfräser aus einem Mykosefräsersatz entfernt. Dabei stehen weder Ästhetik noch Druckentlastung im Vordergrund, sondern allein der Umstand, dass erkrankte Nagelteile entfernt werden müssen, damit das Antimykotikum am Infektionsherd besser wirken kann. Zudem wird verhindert, dass erkrankte Nagelteile selbst zu einem Infektionsherd werden.
Die Behandlung einer Onychomykose ist langwierig und nicht immer von Erfolg gekrönt. Podologische Behandlungen alle 5 Wochen sind unerlässlich und das mindestens über ein halbes Jahr lang, wenn nicht sogar ein Jahr. Um ein Rezidiv zu vermeiden, ist eine kontinuierliche Therapie notwendig. Bei der Behandlung unterstützen kann ein ausführlicher Anamnesebogen (siehe Kasten).
Vorbeugen statt heilen
Die Therapie einer Onychomykose ist langwierig und oft auch kostspielig. Umso wichtiger ist es, Patient*innen über die Nagelpilz-Prophylaxe aufzuklären und immer wieder zu beraten. Dazu gehört nicht nur eine umfassende Aufklärung rund um Fußpflege und Nagelpflege – am besten bereits im Kindesalter. Ebenso wichtig ist die Vermeidung von Traumata durch zu enge Schuhe oder Socken, Fuß- und Zehengymnastik für eine verbesserte Durchblutung sowie regelmäßiges Barfußlaufen (wenn es der Gesundheitszustand der Patient*innen erlaubt). Durch eine ausgewogene Ernährung sollte das Immunsystem gestärkt werden. Vor allem Zucker fungiert als wahrer Nährboden für Pilze. Helfen können überdies naturheilkundliche Inhaltsstoffe, die als Fußbad angewendet oder auf Ölbasis aufgetragen werden. Dazu zählen unter anderem Kamille, Zimt, Zitronengras, basische Bäder, Ingwer, Süßholz, Teebaumöl usw.
Um meine Patient*innen bestmöglich zu unterstützen, gebe ich ihnen gerne auch Tipps für die Heimpflege in schriftlicher Form mit (siehe Kasten S. 12). Diese kann man sich selbst zusammenstellen oder aus Fachbüchern entnehmen. Diverse Hersteller von Antimykotika haben schöne Beipackzettel mit wichtigen Informationen. Wichtig sind diese Informationen auch für bereits erkrankte Patient*innen, um ein Rezidiv zu verhindern.
Hygiene ist das A und O
Bei der Behandlung von Betroffenen mit Nagel- und Hautpilz sollte – zum eigenen Schutz und zum Schutz der anderen Patient*innen – ganz besonders auf die Hygiene geachtet werden. Zum Schutz vor einer Ansteckung sollten darüber hinaus ausschließlich Desinfektionsmittel verwendet werden, die VAH- oder BfArM/RKI-gelistet sind.
Sorgfalt gilt es bei der Reinigung der verwendeten Instrumente walten zu lassen. So empfiehlt das Robert Koch-Institut (RKI) etwa folgendes Vorgehen:
- Vorbereitung – Reinigung – Abbürsten der verhornten Teilchen
- Zwischenspülung im Tauchbad
- Desinfektion im Ultraschallbad, danach die Instrumente erneut spülen
- gute Trocknung mit Zellstofftüchern
- Prüfung und Instandhaltung
- Eintüten in Sterilisationsfolien
- Dokumentieren mit Datum und sterilisieren bei 134°C
- Lagerung idealerweise im UV-Fach
Zur Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) gehören Handschuhe und Mundschutz – am besten mit Filter – sowie eine Einmalschürze oder ein Einwegkittel. Um der Keimverbreitung entgegenzuwirken, nutze ich in meinem Praxisalltag einen Kittel mit langem Arm, teilweise auch eine zusätzliche Plastikschürze bei vermehrter Staubentwicklung, Nitrilhandschuhe sowie ein Visier. Neuerdings empfehle ich eine Mütze aus Baumwolle. Die gesamte Arbeitskleidung, also Hose, T-Shirt, Kasack, Arztsocken etc. sollte kochbar sein. Am besten zusätzlich einen Hygienespüler verwenden.
Melanie Roithner
Podologin
Herzog-Wilhelm-Straße 97
38667 Bad Harzburg
E-Mail: melanie.roithner@gmail.com
www.podologie.land