Neurinome am Fuß
Daher ist „Schwannom“ die pathophysiologisch korrekte Bezeichnung für ein Neurinom. Weitere Synonyme sind „Neurilemmon“, „Benigner peripherer Nervenscheidentumor (BPNST)“ oder „Schwann-Zell-Tumor“. Langsam wachsende Neurinome gehen von den Schwann-Zellen aus. Sie befinden sich in den umhüllenden Markscheiden des peripheren Nervs, deren Fortsätze sie umschließen. Sie haben die Aufgabe die Leitgeschwindigkeit des Nervs zu erhöhen. Eine maligne Entartung peripherer Nervenscheidentumoren (MPNST) ist relativ selten. Nach Literaturangaben beträgt die Malignität zirka ein Prozent.
Pathohistologische Merkmale
Neurinome beziehungsweise Schwannome haben eine derbe Konsistenz und weisen in der Regel eine scharfe Begrenzung mit Abkapselung zur gesunden Gewebeumgebung auf. Schwannome können eine Größe von mehreren Zentimetern erreichen. Die Tumorzellen besitzen längliche dünne Kerne und lange Fortsätze. Des Weiteren ist eine Pallisadenanordnung (Zusammenschiebung) der Zellkerne typisch. Histologisch werden zwei Typen unterschieden:
- Der fibrilläre Typ (Typ Antoni A) ist faserreich, hat kernarme Zellfortsätze und zeichnet sich durch fischzug- oder pallisadenartig angeordnete Zellkerne und parallel verlaufende Kernreihen aus.
- Der retikulärer Typ (Typ Antoni B) erscheint faserarm und besitzt typische sternförmige netzartige Tumorzellen. Bei dieser Form kommt es zur Bildung von Schaumzellnestern.
Lokalisation von Neurinomen
Neurinome können sich in jedem Alter entwickeln. Das Prädilektionsalter liegt zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr, wobei Frauen häufiger als Männer betroffen sind. Die Ursachen sind bislang unbekannt. Neurinome können sich an den Hirnnerven, spinalen Nerven (Wurzeln der Rückenmarksnerven) oder peripheren Nerven (der Extremitäten, Kopf- oder Halsregion) bilden. Sensible Nerven sind besonders betroffen; motorische und autonome (nicht dem Willen unterlegene) seltener. Am häufigsten tritt ein Neurinom am Hör- und Gleichgewichtsnerv (8. Hirnnerv, Nervus statoacusticus) im Kleinhirnbrückenwinkel auf, das sogenannte Akustikusneurom. Typische klinische Symptome sind hierbei Tinnitus (Ohrgeräusche), Schwindel und Hörminderung.
Klinische Symptome am Fuß
Am Fuß kommen Neurinome relativ selten vor, aber sie können auftreten. Kleine Tumore sind in der Regel schmerzfrei. Werden sie größer, treten am Fuß öfter zunehmende krampfartige Schmerzen mit Parästhesien, zum Beispiel stark elektrisierendes, pelziges, taubes Gefühl oder permanent anhaltendes Kribbeln mit Ausstrahlung in den Unterschenkel, auf. Die Missempfindungen resultieren aus Irritation und Kompression des peripheren Nervs aufgrund des zunehmend wachsenden Neurinoms. Der Nachtschlaf wird dadurch häufig gestört. Ferner besteht oftmals eine Kälteempfindlichkeit. Des Weiteren geben Betroffene Kraftminderung und zunehmende Belastungseinschränkung an. Typisch ist eine derbe knotenartige Schwellung in der Umgebung des betroffenen Nervs, die druck- und berührungsempfindlich erscheint. Durch Perkussion (Beklopfen) der Region nehmen die elektrischen Missempfindungen beträchtlich zu, das sogenannte „Hoffmann-Tinel-Zeichen“. Wird der Tumor noch größer, kann es zur Verdrängung des umliegenden Gewebes und Kompression des Nervs kommen, sodass sich als Folge eine Lähmung entwickelt.
Diagnostik
Bei der ausführlichen Anamneseerhebung ist auf die Schilderung des Betroffenen, besonders auf einschießende elektrisierende und weitere Missempfindungen am Fuß, zu achten. Durch Palpation und Druckmanöver in der derben kugelförmigen angeschwollenen Nervenregion, kann eine Verstärkung der Parästhesien ausgelöst werden. Um das Ausmaß einer Nervenfunktionsstörung zu ermitteln, kommen eine Neurografie (Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, NLG) und/oder eine Elektromyografie (Messung der Muskelaktivität) in Betracht. Bei beiden Verfahren handelt es sich um elektrophysiologische Messungen. Mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) wird der Tumor betreffs Größe und Lokalisation mit typischer Abkapselung sichtbar (Abb. und 3). Ebenso kann eine hochauflösende Sonografie zur Beurteilung angewendet werden. Diese bildgebenden Verfahren sind besonders für eine operative Intervention zur Abklärung der Ausdehnung auf das umliegende gesunde Gewebe notwendig. Letztlich kann mit einer Probeentnahme von Gewebe (Biopsie) histopathologisch die Art des Tumors sicher diagnostiziert werden.
Therapie
Gutartige kleine Neurinome ohne Beschwerden können zunächst in regelmäßigen, vom Arzt vorgegebenen Abständen kontrolliert und beobachtet werden. Bei Beschwerden und neurologischem Defizit des gutartigen Tumors kommt die mikrochirurgische Resektion unter Anwendung eines Operationsmikroskops infrage. Dabei bleibt die Funktion des betroffenen Nervs unter Schonung erhalten. Bei der chirurgischen Minimalinvasion hat das Operationsmikroskop zur Entfernung von Neurinomen einen hohen Stellenwert. Bis zum 40-fachen ist eine Vergrößerung des Operationsgebietes möglich – im Gegensatz zur Lupenbrille, mit der eine Vergrößerung um das 2- bis 7-fache geschieht. Außerdem kann durch eine Kamera die Region des Tumors und Umgebung dokumentiert werden. Nach Entfernung des Tumors erfolgt immer eine histopathologische Untersuchung. Eine weitere Option betrifft gegebenenfalls eine Strahlentherapie des benignen Tumors. Postoperative Rezidive sind sehr selten. Bei seltenen malignen peripheren Nervenscheidentumoren ist eine großzügige komplette Entfernung des Tumors mit einer Distanz zum gesunden Gewebe von mindestens zwei Zentimetern angezeigt. Alternativ kann eine Amputation erforderlich sein. Da maligne periphere Nervenscheidentumore Metastasen in Organen bilden, besteht eine schlechte Prognose.
Prognose
Benigne Neurinome haben nach Resektion eine gute Prognose. Sowohl kleinere als auch größere Tumore sind, unter expliziter Beachtung der anatomischen Gegebenheiten des betroffenen Nervs, gut zu entfernen. Oberste Priorität hat anschließend eine engmaschige ärztliche Kontrolle inklusive MRT-Bilder, um ein seltenes Rezidiv oder dessen maligne Entartung frühzeitig zu diagnostizieren, um dann umgehend die notwendige Therapie einzuleiten. Bei inoperablen Tumoren kommen Chemo- oder Strahlentherapie zum Einsatz.
Das Fallbeispiel
Es handelt sich um eine 48-jährige Frau mit mehreren Neurinomen im Fuß und distalem Unterschenkel links. Anamnestisch erlitt die Betroffene im Jahr 1995 eine Distorsion mit heftigen Schmerzen, Schwellung, Hämatom und Funktionseinschränkung im linken Sprunggelenk infolge eines Sturzes von einer Steintreppe. Nach temporärer Entlastung an zwei Unterarmgehstützen, Kryotherapie, Analgetika und orthopädischen Maßeinlagen kam es zur Besserung. Im Jahr 2016 traten Schmerzen im linken Fuß und Unterschenkel auf. Im weiteren Verlauf bestanden eine krampfartige Schmerzverstärkung besonders bei Kälte, Funktionseinschränkung und Kraftminderung im Fuß. Hinzu kamen elektrisierende Parästhesien vor allem nachts, sodass der Nachtschlaf gestört war. Anfang 2019 erfolgte die Entfernung eines Neurinoms am Fuß (Abb. 1a – c). Die histopathologische Abklärung bestätigte ein benignes Neurinom. Aufgrund weiterer vorliegender Neurinome finden engmaschige Kontrollen beim behandelnden Arzt statt.