Stark und empfindsam
Woran ich als Podologin als erstes denke, wenn ich den Begriff ‚Haut‘ höre? An Hautprobleme unterschiedlicher Art, wie zum Beispiel Hornhaut.“ Claudia Bouchama-Sprott kümmert sich täglich geduldig darum, Füße fachmännisch zu versorgen und bei Bedarf von Hornhaut zu befreien. Darüber hinaus gibt es Aufgaben, die sie und ihre Kollegin Judith Jovy in punkto Erfahrung, Kompetenz und Geschick weit mehr fordern. Ist der Mensch gesund, reicht in der Regel eine eigene liebevolle und gründliche Pflege der Füße und Nägel. Viele Menschen suchen die podologische Praxis aber mit akuten Verletzungen/Entzündungen auf, oder leiden unter teils genetisch prädestinierten Erkrankungen wie zum Beispiel Psoriasis, Neurodermitis, Lymphödemen oder Diabetes.
Die Haut in der Podologiepraxis
Die Kölner Gemeinschaftspraxis ArtiPodos ist spezialisiert auf vorbeugende, therapeutische und nachsorgende podologische Versorgung von Patienten mit gesunden, aber auch von Schädigungen bedrohten oder bereits geschädigten Füßen. In den Zollstock-Arkaden gibt es zahlreiche Facharztpraxen nahezu jeder Fachrichtung; entsprechend ergeben sich Synergien und Kooperationen. Das Gros der Patienten kommt mit durchaus schwerwiegenden Problemen. Die Haut betreffend sind das vor allem eingewachsene und entzündete Nägel, Rhagaden, Clavi und Warzen. Da helfen Qualifizierung (zertifizierte Wundassis-tentinnen DDG) und Erfahrung der beiden Podologinnen und ihres Praxis-teams. Claudia Bouchama-Sprott: „Entzündungen von Nagelhaut und Nagelbett aufgrund eingewachsener Nägel machen an die 40 Prozent unserer Behandlungen aus. Interessant ist, dass etwa die Hälfte dieser Patienten Kinder und Jugendliche sind. Was meist mit zu rund geschnittenen Nägeln beginnt, wird oft durch ungünstiges Schuhwerk forciert: Viele Jugendliche tragen Chucks mit einer festen, atmungsarmen Kunststoffkappe, unter der die in der Pubertät stark schwitzenden Füße leiden. Etwa 9 von 10 Patienten können wir helfen, eine OP zu vermeiden. Wir therapieren ihre Nägel, geben ihnen aber auch Tipps zur Nachbehandlung, zu Sockenwechsel und Schuhtrageeigenschaften. Wenn die Kinder und Jugendlichen nach einer oft schon lange währenden Odyssee endlich von ihren Schmerzen befreit sind, ist ihre Dankbarkeit meist groß. An dieser Freude dürfen wir dann teilhaben. Wir können wirklich helfen, das ist das Schöne an unserer Profession.“
Das größte Organ des Körpers
Hunde hecheln, Menschen schwitzen – für Kühlung sorgt die Haut. Der Wärmeausgleich ist jedoch nur eine der vielen Aufgaben. Haut hält unseren Körper zusammen, schützt uns vor Druck und Stößen und vor dem Eindringen von Wasser, vor UV-Strahlen, Schmutz und Mikroben. Ohne die Barrierefunktion der Haut könnte der Körper an die 20 Liter Flüssigkeit pro Tag verlieren, wir würden austrocknen. Unsere Schutzhülle ertastet als Sinnesorgan unsere Umwelt und spiegelt unsere Emotionen: Wir werden rot vor Wut oder Scham, bekommen Gänsehaut oder schwitzen vor Angst.
Mehr als nur ein Anhang
Haare und Nägel sind sogenannte Hautanhanggebilde, gehören also zur Haut. Finger- und Fußnägel bestehen aus einer 0,5 bis 0,7 Millimeter dicken Hornplatte, die auf dem Nagelbett liegt. Dazwischen befindet sich das Nagelhäutchen; es schützt vor dem Eindringen von Schmutz und Bakterien. Haare bestehen aus dem gleichen Material wie Nägel. Die Haarwurzeln liegen in der Lederhaut. Drei Schichten formen ein Haar: das innere Haarmark, die pigmenthaltige Faserschicht und die äußere Hornschicht. Zu jeder Haarwurzel gehört ein Muskel, der zum Beispiel beim Frieren für „Gänsehaut“ sorgt. Talgdrüsen geben ein fettiges Sekret ab, das für Geschmeidigkeit sorgt. Mit dem Alter wird die Haut dünner, trockener und faltig. Die Zellen speichern nicht mehr so viel Wasser und das für die Elastizität der Fasern verantwortliche Protein Kollagen wird nur noch bedingt produziert. Günstige Gene, eine gesundheitsfördernde Ernährung, viel Bewegung und wenig UV-Strahlung schieben den offensichtlichen Alterungsprozess gerne nach hinten. Peelings und Cremes versuchen ihren Part.
Hautkrankheiten
Stress, Kummer und Umwelteinflüsse reizen die Haut. In den westlichen Ländern steigt die Zahl der Hauterkrankungen wie Neurodermitis. Und unsere teils übertriebene Einstellung zur Hygiene begünstigt die allergische Reaktion auf bestimmte Stoffe. Die Haut zeigt uns auch, wenn im Körper etwas nicht stimmt, zum Beispiel weist eine trockene und juckende Haut oft auf Diabetes mellitus hin.
Ärztlich abklären lassen
In der Gemeinschaftspraxis ArtiPodos werden die beiden Podologinnen und ihr Team häufig mit der Hauterkrankung Dyshidrose konfrontiert, eine Ekzemform, die sich meistens an den Fingerseiten und Handflächen sichtbar macht. Auch Fußsohlen und Zehenzwischenräume sind gerne betroffen. Die genauen Ursachen dieser chronischen Ekzemform, die meist in Schüben auftritt, sind noch unklar. Häufig leiden Atopiker – also Personen mit einer Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen – unter diesem Ekzem, aber auch Rauchen, Kontaktallergien, Stress und Pilzinfektionen kommen als Auslöser in Frage. Charakteristisch sind kleine, mit klarer, gelber oder bläulicher Flüssigkeit gefüllte Wasserbläschen, die Betroffene durch den extremen Juckreiz stark be-lasten. In fortgeschrittenem Stadium können sich durch die aufplatzenden Bläschen schuppende Hautstellen und Rhagaden bilden. Claudia Bouchama-Sprott: „Wir dürfen als Podologinnen keine Diagnose stellen, aber aufgrund unserer Erfahrungen Vermutungen äußern. Auf Anraten gehen die Patienten in der Regel dann zum Arzt und lassen mögliche Krankheiten abklären. Oft wird die Dyshidrose auch mit einem Pilz verwechselt. Auf jeden Fall können wir Tipps geben, deren Symptome zu mildern. So empfehlen wir zum Beispiel antibakterielle und antimykotische Bäder mit Zusätzen von Eichenrinde. Nach dem Bad sollte die Haut mit parfümfreien, nicht fettenden Präparaten gepflegt werden. Bewährt haben sich auch Umschläge mit Zinksalbe.“ Oft treten Ekzeme an Händen und Füßen bei Patienten auf, die an Neurodermitis oder einer allergischen Erkrankung wie Heuschnupfen, allergischem Asthma oder Nahrungsmittelallergie leiden. Ihr Immunsystem reagiert genetisch bedingt überempfindlich. Bei Neurodermitis zeigen sich dann – vor allem im Winter („Atopic winter feet“) gerne trockene, schuppige und gerötete Stellen an den Zehenspitzen, die manchmal mit Fußpilz verwechselt werden. Auch die Fußsohlen und seitlichen Fußränder neigen bei Neurodermitikern zu Ekzemen mit starker Hornhautbildung und schmerzhaften Hauteinrissen (sogenannte „Plantardermatose“). Die geschwächte Hautbarriere kann das Risiko für Hautinfektionen erhöhen; deshalb muss Fußpilz sorgfältig vorgebeugt werden. Dazu gehören das gründliche Abtrocknen sowie das Vermeiden von starkem Schwitzen beziehungsweise Staunässe. Spezielle Pflaster bieten Schutz vor möglichen Blasen oder Druckstellen.
Hauttypen und Sonnenschutz?
Es gibt sechs Hauttypen. Hauttyp 6 ist charakteristisch bei Einwohnern Zentralafrikas und Australiens. Ist ein dunklerer Hauttyp 6 unempfindlicher oder trockener als ein europäischer Hauttyp 1 bis 4? Claudia Bouchama-Sprott hat in ihren Erfahrungen bislang keinen großen Unterschied festgestellt: „Ob die Haut fettiger oder trockener ist, das hängt wohl eher mit den Genen, dem Alter oder auch äußeren Einflüssen zusammen.“ Verschiedene Hauttypen entstanden als Anpassung an viel oder wenig Sonne. Dunkelhäutige Menschengruppen leben überwiegend in Äquatornähe, hellhäutige in höheren Breiten. Unter UV-Strahlung erzeugen pigmentbildende Zellen dunkle Pigmente, die Melanine – große Moleküle, die zwei Schutzfunktionen erfüllen: Sie fangen UV-Strahlen bestmöglich ab und neutralisieren die giftigen freien Radikale, die bei Schäden durch eben solche Strahlung entstehen. Melanine sind somit ein natürliches Sonnenschutzmittel, das von Menschen in unterschiedlicher Ausprägung (gelb- oder rotbraune bis schwarze Melanine) und Intensität gebildet wird. Die Pigmentierung dient nicht nur dem Schutz vor Hautkrebs. Sie war und ist stets ein Balanceakt zwischen Vitaminen, die durch UV-Strahlung zerstört oder erzeugt werden. Es geht vor allem um Vitamine wie Folsäure, die wichtig sind, um Kinder zeugen und gesund zur Welt bringen zu können.
Die Komplexität verdeutlichen auch moderne Vitaminmangel-Krankheiten, deren wesentliche Ursache in der heutigen globalen Mobilität zu suchen ist. Beispielsweise leiden Menschen mit Ursprungsland Südasien hier in Deutschland auffällig häufig unter Schuppenflechte. Dauer und Intensität der Sonnenstrahlen sind nicht ausreichend für ihre körperlichen Veranlagungen. Übrigens sind wir die einzigen Primaten mit weitgehend nackter Haut. Das hat damit zu tun, dass aufrecht gehende Vormenschen, wie fossile Funde beweisen, täglich große Strecken in Savannenlandschaften zurücklegten, um Nahrung zu suchen. Ein Hitzeschlag drohte. Vor allem das Gehirn durfte nicht überhitzen. Kräftiges Schwitzen half bei der Kühlung. Damit die Zahl der Schweiß-drüsen anstieg und der Schweiß schnell verdunstete, musste die Behaarung weichen. Zudem erleichterte der Verlust des Haarkleides die Produktion von Vitamin D – wichtig für die nach Norden in sonnenärmere Regionen ziehenden Menschen. Auch Schimpansen sind unter ihrem Haarkleid hellhäutig. Und die wenigen unbehaarten Körperstellen eines Schimpansen wie Gesicht, Hände und Füße, die bei jungen Tieren noch hell hervorstechen, werden mit zunehmendem Alter durch Sonnenstrahlung dunkel. Forscher hatten entdeckt, dass hellhäutige Personen ungewöhnlich niedrige Konzentrationen an Folat (Folsäure) im Blut aufwiesen, nachdem sie sich starkem künstlichem Sonnenlicht ausgesetzt hatten. Sonnenlicht dringt bei ungeschützter Haut bis in die feinen oberflächennahen Blutgefäße ein. Der Gehalt dieses lebenswichtigen B-Vitamins im menschlichen Blutserum sinkt binnen einer Stunde auf die Hälfte, wenn man das Serum mit künstlichem Sonnenlicht bestrahlt, so die Forschungsergebnisse. Für die Fortpflanzung ist dies von enormer Bedeutung, soll aber hier nicht weiter vertieft werden.
Umstellung durch Umzug
Was unsere Vorfahren betrifft, so war der vor einigen hunderttausend Jahren in Afrika lebende Homo sapiens sicherlich dunkelhäutig, und er trug kein Fell mehr. Die Menschen, die von Afrika weg in weniger sonnenintensive Gebiete zogen, benötigten keine so starke Pigmentierung mehr als Sonnenschutz. Kulturelle Umstellungen und das Tragen von Bekleidung taten das ihre. Außerdem war diese Anpassung hin zu heller Haut auch wichtig für die Aufnahme von Strahlung wie beispielsweise UV-B, das neben seinen durchaus gefährlich einzustufenden Wirkungsmöglichkeiten unverzichtbar ist, um in der Haut die Synthese von Vitamin-D in Gang zu setzen. Ob im Urlaub oder beim Wechsel des Lebensumfeldes: Viele Menschen stellen ihre Gewohnheiten nicht auf die veränderten Sonnenverhältnisse in einem neuen Land ein und setzen sich dem Risiko einer Erkrankung (Hautkrebs, Vitamin-D-Mangel etc.) aus.
Hornhaut – die etwas andere Art der Haut
Schutz will auch die Hornhaut (Stratum corneum, wie die Medizin die oberste Schicht der Epidermis nennt) den stark beanspruchten Köperstellen, zum Beispiel an Ferse und Ellenbogen bieten. Die Hornhaut besteht aus 14 bis 27 Lagen fest gepackter, flacher Hornzellen. Diese bilden – ähnlich wie Ziegelsteine – eine Mauer und sind für die physikalische und chemische Stabilität der Haut verantwortlich. In einer gesunden Haut hält eine Mischung aus freien Fettsäuren, Cholesterin und Ceramiden sowie strukturbildenden Eiweißstoffen (Filaggrin etc.) die Hornzellen wie ein Kitt zusammen und macht die Hornschicht durch Einbinden von Wasser geschmeidig. Reguliert wird die Hautfeuchtigkeit durch natürliche Feuchthaltefaktoren (Natural Moisturizing Factors / NMF), die bei der Neubildung der Haut ständig nachproduziert werden. Das Baumaterial für die Kittsubstanz liefert die unterhalb der Hornschicht liegende Lederhaut mit ihren vielen Millionen Talk- und Schweißdrüsen. Deren Sekrete bilden auch den „Säureschutzmantel“ der Haut. Das ist eine Emulsion aus Wasser und Fett („Hydrolipidfilm“). Mit einem pH-Wert zwischen 4 und 6 ist er leicht sauer und dient zu Abwehr von Keimen und UV-Strahlung. Wenn zwischen den Zellen der Hornhaut zu wenig Kittsubstanz eingelagert oder deren Zusammensetzung (Feuchtigkeit, Lipidgehalt etc.) gestört ist, wird die Haut trocken, glanzlos und rau. Das führt zu Verhärtungen, die recht häufig endzündete, schmerzende Rhagaden mit sich bringen. Hornhaut-Peelings mit Bimsstein- und Salzpartikeln können Abhilfe schaffen. Hobel und Raspel mit scharfen Klingen sollten gemieden werden. Hier ist die Verletzungsgefahr zu groß! Eine gründliche Behandlung bei der Podologin schafft Abhilfe. Gegen raue Stellen helfen spezielle Fußcremes mit Urea und Salicylsäure. Über Nacht fühlen sich eingecremte Füße dann in Baumwollsocken sehr wohl und können sich regenerieren.
Kennen, was man behandelt
Gehen wir zurück zur Haut der Füße und ihren möglichen Erkrankungen: Voraussetzung für die Therapie ist die richtige Diagnose. Hier bietet das Forum „Seltene Erkrankungen der Haut“ der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) Unterstützung in Form von Informationen für Betroffene und Ärzte an. Im Forum sind Experten zahlreicher Kliniken aktiv. Sie verfügen über Expertisen für die größten Gruppen seltener Hauterkrankungen. «