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14. Oktober 2016
Redaktion

Teilaspekte einer Fußuntersuchung

Podologie aus einem anderen Blickwinkel bietet Klaus Grünewald in diesem Artikel. Mit Prävention ließe sich einiges erreichen, so seine Meinung; doch dafür muss man die Ursachen von Beschwerden kennen. Eine Möglichkeit, diese festzustellen, ist die „Biomechanische Fußuntersuchung“.
Foto: Klaus Grünewald

Der in der Praxis ermittelte allgemeine Fußstatus (die Befunderstellung vor der Fußbehandlung) lässt nach seiner Auswertung die Behandlungsrisiken des Patienten erkennen. Nach der Erstuntersuchung wird in der Folge über den möglichen Behandlungsverlauf, die Behandlungsmaßnahme und Behandlungsaussicht entschieden. Die Fehlbelastung des Fußes mit ihren Auswirkungen (Schmerzen, Hyperkeratosen etc.) wird dokumentiert und eventuell eine Entlastungsmaßnahme vorgesehen. Die sensorgesteuerten Druckmessplatten können vor einer möglichen Ulcus-Entstehung am Fuß warnen, wenn bestimmte Belastungswerte überschritten werden. Messbar ist hier allerdings nur die Auswirkung auf das letzte Glied einer fehlerhaften Belastungskette. Der eigentliche Ursprung liegt weiter oberhalb – in dem eingeschränkten Zusammenspiel von Muskeln, Bändern und Gelenken des Bewegungsapparates.

Störungen aller ineinandergreifenden Bewegungsabläufe (ihre Biomechanik) führen letztendlich zu Fehlfunktionen, Schmerzen und Verhornungszonen. Für den Fuß allein ist ein Ausgleich (eine Kompensation) der auf ihn einwirkenden Belastung nur zum Teil möglich. Bei den gängigen Druckentlastungen gelangt man an Grenzen, wenn der Fuß – bedingt durch die Grunderkrankung (Diabetes, Arteriopathie, Neuropathie) – zu Entzündungen unterhalb der Verhornung neigt. Die sich darunter entwickelnden Geschwüre (Ulcera) nässen oft sehr stark und lassen Abpolsterungen leicht verrutschen. Durch den Wunsch des Patienten nach uneingeschränkter Mobilität ist deshalb eine regelmäßige Kontrolle erforderlich. Zeit- und Materialaufwand sind für die Behandlung beziehungsweise Erneuerung der Entlastung sehr hoch und natürlich auch kostenaufwändig. Mit der in diesem Zusammenhang (Druckentlastung des Fußes) zu nennende Biomechanik kann ein Lösungsansatz gefunden werden, Anzeichen krankhafter (pathologischer) Bewegungsabläufe des Fußes frühzeitig zu erkennen. Außerdem stellt sie die Aufgabe des Podologen für die prophylaktische (vorbeugende) Betreuung des Risikofußes mit den dazugehörenden Maßnahmen auf eine wissenschaftlich gesicherte Grundlage.

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Ablauf der Untersuchung des oberen Sprunggelenks

Wie bereits aus der allgemeinen Befund-erstellung vor der Fußbehandlung bekannt – Befragung (Anamnese), Betrachtung (Inspektion) und Betasten der Haut (Palpation) – besteht auch die „Biomechanische Fußuntersuchung“ aus einzelnen differenzierteren Schritten. Ich beginne mit einem Teil einer „Klinischen Untersuchung“, die – vollständig ausgeführt – aus mehreren Funktionstests besteht. Sie werden im belasteten und teils unbelasteten Zustand des Patienten durchgeführt. Als Einstieg habe ich die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks (Talo-Cru­ral-Gelenks) ausgewählt. Das Gelenk besteht aus der Sprungbeinrolle (Trochlea tali) und der Basis der Gelenkflächen des Schien- und Wadenbeins sowie den medialen und lateralen Malleolen. Das obere Sprunggelenk bewegt den Fuß hauptsächlich in der Streckrichtung nach oben zum Unterschenkel hin (Dorsalextension des Fußes) und in die entgegengesetzte Richtung nach unten – von der Dorsalseite des Unterschenkels weg (Plantarflexion). Bei der Gangabwicklung des Fußes – kurz bevor die Ferse vom Boden abhebt – sollten 10° Streckung (Dorsalextension) im Talo-Crural-Gelenk vorhanden sein, damit der Fuß seinen „physiologischen“ Abrollvorgang erfüllen kann. Werden diese 10° Streckung nicht erreicht, erfolgen Ausgleichsbewegungen für den Fuß. Der Test für die Beweglichkeit des Talo-Crural-Gelenks wird im unbelasteten Zustand des Patienten entweder im Sitzen oder Liegen (auf einer Massageliege) ausgeführt. Für den Test im Sitzen eignet sich ein Behandlungsstuhl mit geteilter beziehungsweise durchgehender Beinauflage. Das zu testende Bein des Patienten wird mit einer Hand des Therapeuten durch Druck auf das Kniegelenk gestreckt. Mit der anderen Hand wird die Ferse umfasst wobei der Unterarm den Fuß in gerader Linie zum Unterschenkel des Patienten hält. Ausgangsstellung des Fußes ist ein nahezu 90° Winkel zu seinem Unterschenkel. Zur Messung wird der Winkelmesser (Goniometer) auf 10° Dorsalextension voreingestellt (90° – 10° = 80°) und mit dem Drehpunkt des Winkelmessers auf den Referenzpunkt des Fußes (hier: medialer Fußknöchel / Malleolus) gelegt. Durch Streckung des Fußes zum Unterschenkel hin und dem Vergleich der plantaren Fußfläche mit dem voreingestellten Wert auf dem Goniometer ist zu erkennen ob die Dorsalextension von 10° erreicht wird. Zu Beginn der Untersuchungen kann der äußere Fußrand oftmals einen leichteren Vergleich zwischen der Streckung des Fußes und dem voreingestellten Wert des Winkelmessers schaffen (Abb. 2 und 3).

Mit diesem einfachen Test lassen sich gleichzeitig zwei Kriterien für den Fuß feststellen:

  • die vorhandene beziehungsweise fehlende Streckung (Dorsalextension) des Fußes für den Abrollvorgang;
  • das für den Therapeuten spürbare Endgefühl im Gelenk, wenn die Grenze des Bewegungsumfangs erreicht ist.

Der Test auf Beugung (Plantarflexion) des Fußes ist in den meisten Fällen vernachlässigbar, weil sich selten (außer z. B. nach Verletzungen oder operativen Eingriffen) Einschränkungen in diese Bewegungsrichtung ergeben. Ein gesundes oberes Sprunggelenk wird bei der Dorsalextension durch keine knöcherne Begrenzung gestoppt. Das durch die passive Bewegung festzustellende Endgefühl muss in diesem Fall – wegen der die Bewegung begrenzenden Muskeln und Bänder – elastisch sein. Stellt sich ein hartes Endgefühl bei der Dorsalextension des oberen Sprunggelenks heraus, kann ein Knochenvorsprung (eine Knochenexostose) am Gelenk die Ursache sein.

Auswirkungen der Bewegungseinschränkung im OSG

Die Ausgleichsbewegungen (Kompensationsformen) verhindern einen normalen (physiologischen) Abrollvorgang des Fußes. Wenn die Bewegungseinschränkungen allein im oberen Sprunggelenk zu suchen sind, kommen einige Ausgleichsbewegungsn dafür infrage  (siehe Tab. 1). Diese Ausweichbewegungen des Fußes umgehen seine Streckung (Dorsalextension) im oberen Sprunggelenk und führen zu einem überwiegenden Teil zu einer Fehlbelastung des Fußes. Wenn die Bewegungseinschränkung nach Abklärung weiterer Ursachen früh genug erkannt wird, können physiotherapeutische oder eventuell chirurgische Maßnahmen die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks verbessern oder wieder herstellen.

Folgeschäden verhindern

Mit dem Wissen über biomechanische Zusammenhänge lassen sich spätere Folgeschäden besonders bei risikogefährdeten Patienten (Arteriopathie, Neuropathie ….) vermeiden – oder zumindest hinauszögern. Haben sich
an den Spitzenbelastungspunkten des Fußes durch die Fehlhaltung bereits Schwielenentzündungen oder gar Ulcera gebildet, wird die Nachsorge nicht nur für die Betroffenen langwierig und erschöpfend. Im Hinblick auf die Erfüllung des prophylaktischen Betreuungskonzeptes kann die Podologie gegen diese Auswirkungen einen – nicht nur dem Wort nach – wertvollen Beitrag leisten. Die Frage sollte immer lauten: Was lässt sich vorbeugend (präventiv) unternehmen, damit sich die Situation – besonders bei Risikopatienten – erst gar nicht zuspitzt? Die geschilderten Beschreibungen kön­nen jedoch immer nur ein Teil der Biomechanik des Fußes herausgreifen und versuchen, das Interesse für diese Wissenschaft zu wecken.

Literatur
  • Ronald L. Valmassy: „Clinical Biomechanics of the Extremities“, Verlag Mosby (2009)
  • Leonard A. Levy; Vincent J. Hetherington: „Principles and Practice of Podiatric Medicine”, Volume 1, Data Trace Publishing Company (2006)
  • Klaus Grünewald: „Theorie der medizinischen Fußbehandlung Band 3 – Podologische Biomechanik“, Verlag Neuer Merkur, München (2014)
    ISBN: 978-3-95409-013-6)
Literatur
  • Ronald L. Valmassy: „Clinical Biomechanics of the Extremities“, Verlag Mosby (2009)
  • Leonard A. Levy; Vincent J. Hetherington: „Principles and Practice of Podiatric Medicine”, Volume 1, Data Trace Publishing Company (2006)
  • Klaus Grünewald: „Theorie der medizinischen Fußbehandlung Band 3 – Podologische Biomechanik“, Verlag Neuer Merkur, München (2014)
    ISBN: 978-3-95409-013-6)
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