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30. Juni 2023
Margot Hilger

Unguis incarnatus beim Säugling

Ein Unguis incarnatus tritt nicht nur bei Jugendlichen und Erwachsenen auf, auch Kinder und Säuglinge können betroffen sein. Die Behandlung eines eingewachsenen Nagels bei einem Neugeborenen beschreibt Margot Hilger, Podologin und Sektorale Heilpraktikerin, anhand einer Fallbeschreibung aus ihrer Praxis.
Foto: Praxis für Podologie barfuß
Abb.1 D1 re ohne Tape (07.02.2023).

Beim Unguis incarnatus eines neugeborenen Säuglings, handelt es sich oft um den hochgezogenen Apex. Ursache ist im pränatalen Nagelwachstum zu sehen.

Exkurs: Fötale Entwicklung des Nagels nach N. Zaias

An der dorsalen Seite des Endgliedes (der Endphalanx) bildet sich gegen Ende des dritten Schwangerschaftsmonats ein leicht vertieftes Feld. Dieses sogenannte primäre Nagelfeld wird proximal, distal und zu beiden Seiten von einem bogenförmigen Wulst begrenzt.

Zeitgleich zur Bildung des primären Nagelfeldes beginnt die Entwicklung besonderer Körnerzellen unterhalb der Hornschicht des Nagelfeldes (Eponychium), aus denen sich der Nagel entwickelt. Dabei wächst von distal nach proximal, also entgegen seiner späteren Wachstumsrichtung, zur hinteren Grenzfurche vor. Zu Beginn des vierten Schwangerschaftsmonats ist die Nagelanlage bis zur Mitte des Nagelbettes dann bereits deutlich erkennbar.

Es bilden sich Eponychium und Hyponychium. Diese beiden Hautschichten bedecken das Nagelbett. Eponychium und Hyponychium bilden zusammen eine Tasche, in die sich die Körnerzellen schon Ende des fünften Monats einschieben. Am proximal gelegensten Teil der Tasche bildet sich die Matrix aus. Bei einem sechs Monate alten Fötus ist die Matrix in der Nageltasche bereits fest angelegt.

Die nagelbildenden Zellen schieben jetzt den Nagel von proximal nach distal. Nun beginnt auch die Stärke des Nagels allmählich zuzunehmen. Bis Ende der Fötalperiode geht das Eponychium weitgehend verloren. Es erhält sich nur noch im Bereich des hinteren Nagelwalles als Nageloberhäutchen. Die seitlichen Begrenzungen des Nagelwalles bilden sich zum Nagelfalz aus. Der distale Nagelwulst wird mit dem Vorwachsen der fertigen Nagelplatte nach unten gedrückt (Grünewald 2006).

Fallbeschreibung: Vier Wochen alter Säugling mit Unguis incarnatus

Anamnese

Der Kinderarzt hatte im Vorfeld zum Kinderchirurgen überwiesen. Hier erfolgte die Behandlung mit antibiotischer Salbe, da der Apex zu diesem Zeitpunkt entzündet war, vermutlich mit Bildung eines Panaritiums. Eine Wiedervorstellung wurde nach zwei bis drei Wochen empfohlen. Sollte bis dahin keine Besserung auftreten, kämen eventuell chirurgische Maßnahmen in Betracht.

In der vierten Lebenswoche erfolgte die Vorstellung bei mir in der Praxis unter Salbentherapie. Apex D 1 beidseits sehr weit hochgezogen, reizfrei. Nagelplatten wenig, bis gar nicht sichtbar (Abb. 1 – 3 [07.02.2023]).

Anlegen eines Verdrängungstapes distal am Apex. Vorzüglich nachts, da durch das Strampeln das Tape nicht hält. Weil die Haut sehr weich und empfindlich ist, empfiehlt es sich tagsüber nicht zu tapen, da es sonst zu Hautreizungen kommt.

Zudem empfiehlt sich tagsüber eine Hautpflege mit normalen Babycremes, wobei hier einmal tagsüber die Compliance durch die Eltern eingebunden wird.

Compliance in Form von Massagen: Den Nagelwall der betroffenen Zehen lateral und medial nach kaudal massieren. Cave: Vor dem Tapen Haut mit Waschlotion entfetten. Wiedervorstellung nach zwei bis vier Wochen.

Die Notwendigkeit in der Arbeit mit Babys ist durchaus gegeben, da Kinderärzte und Chirurgen einfach andere Schwerpunkte setzen. Hier wie auch bei unseren Risikopatienten können wir als Podologen wertvolle Hilfe leisten.

Margot Hilger
Podologin und sektorale Heilpraktikerin

1. Wiedervorstellung

Die Weiterbehandlung wird wie zuvor aufrechterhalten, nur dass ab sofort an dem Nagelwall bilateral an beiden D1 jede Nacht ein Verdrängungstape angelegt wird (Abb.4 – 6 [15.03.2023]).

2. Wiedervorstellung

D1 re reizfrei, wird nachts nach wie vor getaped und tagsüber massiert. D1 li vollumfänglich ausgebildete Nagelplatte mit Tendenz zum Einwachsen distomedial. Hier die Ecke mit der Eckenzange entschärfen, und eine Tamponade im Sulcus einlegen (Abb. 7 + 8 [26.04.2023])

Weitere Kontrollen/Wiedervorstellung bei Bedarf. Eltern wissen mittlerweile, worauf es ankommt und machen die Therapie in Eigenregie weiter. Die Compliance von Eltern ist erfahrungsgemäß sehr gut.

Umfangreiches Aufgabengebiet

An diesem Beispiel zeigt sich, wie umfangreich unser Aufgabengebiet ist. Die Notwendigkeit in der Arbeit mit Babys ist durchaus gegeben, da Kinderärzte und Chirurgen einfach andere Schwerpunkte setzen. Hier wie auch bei unseren Risikopatienten können wir als Podologen wertvolle Hilfe leisten.

Autorin

Foto: Praxis für Podologie barfuß
Margot Hilger | Podologin, Heilpraktikerin für Podologie | Rastatt
Literatur

Klaus Grünewald (2006): Theorie der medizinischen Fußbehandlung – Band 1, Verlag Neuer Merkur, München, 3. überarbeitete Auflage.

Literatur

Klaus Grünewald (2006): Theorie der medizinischen Fußbehandlung – Band 1, Verlag Neuer Merkur, München, 3. überarbeitete Auflage.

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Foto: Eakrin/Adobe Stock
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