Folgen Sie uns
24. Juni 2022
Redaktion
DER FUSS Kolumne

Was hat eine Spange mit Brot zu tun?

Wussten Sie, dass deutsches Brot seit 2014 immaterielles UNESCO-Kulturerbe ist?
Grafik
Grafik: Cornelia Meier/C. Maurer Fachmedien

Dieser Schritt ist eine Wertschätzung und Anerkennung überlieferten Wissens und Könnens. Unter dem Motto „Wissen. Können. Weitergeben“ setzt Deutschland das Übereinkommen mit verschiedenen Aktivitäten um. Ziel ist, die Vielfalt des lebendigen Kulturerbes in Deutschland und weltweit zu erhalten, zu pflegen und zu fördern.

Wir haben etwas ganz Ähnliches: unsere Nagelkorrektur. Weltweit nahezu einzigartig ist der deutsche Weg, eingerollte und eingewachsene Nägel konservativ zu korrigieren. Klar gibt es auch Spangen in anderen Nationen, aber in dieser Vielfalt, Verbreitung und mit einer solchen Leidenschaft wie unter deutschen Podolog*innen wird Nagelkorrektur in keinem Land angewendet. Internationale Podiatristen operieren. Konservative Methoden sind teilweise vollkommen unbekannt und werden – ähnlich wie von deutschen Ärzten – höchstens mit Interesse beäugt. Nur in Deutschland ist Nagelkorrektur ein Teil der Ausbildung. Und sogar ein zentraler, das bestätigt eine Umfrage unter 16 Podologieschulen. Rund 135 Unterrichtsstunden der schulischen Ausbildung werden der Orthonyxie gewidmet – ohne die praktischen Anteile in den Kooperationspraxen mitzuzählen. Das ist wahre Fan-Kultur!

Im Stellungnahmeverfahren zur Nagelspangentherapie war es deshalb sehr gut möglich, Argumente für die Fachkompetenz von Podolog*innen zu erbringen. Davon abgesehen hat überhaupt keine andere Berufsgruppe einen nachgewiesenen Bildungsweg in „Spange“, weshalb wir selbst mit 20 Stunden und ohne staatliche Prüfung noch die Kompetentesten wären.

Doch es gibt auch einen Wermutstropfen. Die vergangenen Jahre haben den Markt verändert. Durch die Verweigerung der Kostenübernahme durch die GKV seit 2019 sind Spangen in den Praxen rar geworden. Kostengünstige Klebe- oder Einmalprodukte ersetzen aktuell die teureren Drahtvarianten und sollte doch einmal eine Spange „anfallen“, ist diese Chefsache. Erfahrenen Podolog*innen schadet es nicht, wenn dreieinhalb Jahre wenig passiert, in der Ausbildung sind das aber mehrere Generationen. Ich erlebe angehende Podolog*innen, die in ihrer gesamten praktischen Ausbildungszeit nie eine (Draht-)Spange gesetzt haben und außerhalb der Schulen deutlich weniger Möglichkeiten hatten, sich auszuprobieren. Perfide, dass die GKV für die Heilmittel-Richtlinie gleichzeitig umfassende Nachweise über die Kompetenz fordert.

Ich finde Klebespangen wunderbar: Sie bieten fantastische Möglichkeiten für leichte oder schwere Fälle und dank Klebe- oder Modellierspangen gibt es keine Kontraindikationen und „linken Hände“ mehr – zum Vorteil für uns und unsere Patient*innen! Aber ohne Draht wäre mein Leben deutlich ärmer. Doch Draht zu meistern, erfordert wie bei allen komplizierten Arbeiten vor allem eins: eine regelmäßige Anwendung.

Unsere Kultur der konservativen Nagelkorrektur ist einzigartig. Sie als Spangentherapeut oder Spangentherapeutin sind Teil eines deutschen Podologie-Kulturerbes, das wie beim Brot unter dem Motto „Wissen. Können. Weitergeben“ gehegt und gepflegt werden sollte.

Gut, dass wir in den Startlöchern stehen! Viel Spaß und Erfolg in der Anwendung, und (wo immer möglich) in der Anleitung,

Ihre Anja Stoffel

 

 

 

Porträtfoto
Foto: Anja Stoffel/www.podovision.de
Anja Stoffel, Podologin B.Sc. und Physiotherapeutin, ist am liebsten in verschiedenen Settings im Auftrag der Therapieberufe unterwegs. Auf www.podovision.de bietet sie digitale Fortbildungen zu praxisrelevanten Themen unter dem Motto „Kopfsachen für Fußmenschen” an. Besonders am Herzen liegt ihr die nachhaltige Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Podologie – dem schönsten Beruf der Welt!
Foto: Eakrin/Adobe Stock
Draufsicht
Zurück
Speichern
Nach oben