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4. August 2021
Redaktion

Aus dem Takt: Ungünstige Essenszeiten können negative Stoffwechselveränderungen hervorrufen

Essen zur falschen Tageszeit stört unseren zirkadianen Rhythmus und steigert das Risiko für Übergewicht und Typ-2-Diabetes. Erste Erklärungen liefert das Team um PD Dr. Olga Ramich vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Professor Achim Kramer und Professor Andreas F. H. Pfeiffer von der Charité – Universitätsmedizin Berlin in einer neuen Studie.

Foto: Margot Kessler/pixelio.de

Unsere innere Uhr steuert nahezu alle physiologischen Prozesse, beispielsweise den Stoffwechsel, den Blutdruck und die Körpertemperatur. Neben der zentralen inneren Uhr gibt es viele untergeordnete Uhren, die in jedem Organ, Gewebe und jeder Zelle des Körpers zu finden sind. Sie basieren dabei auf einem engen Zusammenspiel von sogenannten Clock-Genen, die so einen 24-Stunden-Rhythmus generieren.

Neue Studien zeigen, dass die Essenszeiten und die Nahrungskomposition den zirkadianen Rhythmus verschiedener Gewebe verändern können. Metabolisch aktive, insulinsensitive Gewebe wie Leber und Fettgewebe sind davon besonders betroffen. Zudem steigern Essenszeiten, die nicht im Einklang mit der inneren Uhr stehen, das Risiko für Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen wie Metabolisches Syndrom und Typ-2-Diabetes. Über die zugrunde liegenden Mechanismen ist bislang jedoch wenig bekannt.

Insulin beeinflusst innere Uhr

Für die aktuelle Studie untersuchte das Forschungsteam um Ramich, Kramer und Pfeiffer, welchen Einfluss der erhöhte Insulinspiegel nach einer Mahlzeit auf den zirkadianen Rhythmus des Fettgewebes hat und welche molekularen Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Dafür analysierten sie Fettgewebsproben von 17 adipösen, nicht-diabetischen Männern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler isolierten das genetische Material aus den Fettgewebsproben und bestimmten die Aktivität verschiedener Gene. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die statt Insulin eine Kochsalzlösung erhalten hatte, zeigte sich eine deutlich veränderte Expression der sogenannten Clock-Gene, was auf eine insulinabhängige Regulation der inneren Uhr schließen lässt.

Grafik: DIfE

Zirkadiane Rhythmen sichtbar gemacht

Zur Aufklärung der molekularen Mechanismen, die für diese Regulation verantwortlich sind, nutzten die Forschenden menschliche und tierische Fettzellen, die in Kultur genetisch transformiert oder aus einem genetisch modifizierten Mausmodell isoliert wurden. In diese Zellen wurde ein Luciferase-Gen eingesetzt und an einen Abschnitt des Per2-Gens, eines der Schlüsselgene des molekularen Uhrwerks, gekoppelt. Bei Luciferasen handelt es sich um Enzyme, die Licht erzeugen können. Sie kommen unter anderem in Glühwürmchen, Tiefseefischen und Pilzen vor.

Dank der Luciferase erzeugen die Zellen Licht in Abhängigkeit von der Per2-Aktivität, was den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichte, die zirkadianen Rhythmen in Echtzeit über mehrere Tage zu beobachten. „Wir stellten fest, dass Insulin eine schnelle und vorübergehende Aktivitätssteigerung von Per2 bewirkt und somit den gesamten Rhythmus verändert“, erklärt Dr. Neta Tuvia.

Entscheidende Gen-Abschnitte identifiziert

In molekularbiologischen Versuchen identifizierten die Forschenden dann diejenigen Abschnitte des Gens, welche für den Insulineffekt entscheidend sind. Sie kürzten Stück für Stück den Promotor – jenen DNA-Abschnitt, der die Expression eines Gens steuert – und stellten fest, dass der Bereich zwischen 64 und 43 Basenpaaren eine wesentliche Rolle spielt.

„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, auf welche Weise ungünstige Essenszeiten unsere zirkadianen Rhythmen stören und negative Stoffwechselveränderungen hervorrufen können“, fasst Olga Ramich zusammen. „Das kann auch erklären, warum sich nächtliches Essen besonders ungünstig auf den Stoffwechsel auswirkt.“ Die Forschenden gehen davon aus, dass die Mechanismen, die zur essensbedingten Umstellung der inneren Uhr führen, allerdings noch weitaus komplexer sind. Das gilt es in zukünftigen Studien zu überprüfen.

Originalpublikation
Tuvia, N., Pivovarova-Ramich, O., Murahovschi, V., Lück, S., Grudziecki, A., Ost, A. C., Kruse, M., Nikiforova, V. J., Osterhoff, M., Gottmann, P., Gögebakan, Ö., Sticht, C., Gretz, N., Schupp, M., Schürmann, A., Rudovich, N., Pfeiffer, A. F. H., Kramer, A.: Insulin directly regulates the circadian clock in adipose tissue. Diabetes in press (E-pub ahead of print) (2021).

 

Quelle: Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke/Cornelia Meier

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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