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15. Januar 2020
Redaktion

Diabetes: Immer noch zu viele Majoramputationen – Zweitmeinungsverfahren gefordert

Die Zahl der Majoramputationen bei Diabetes ist in Deutschland nach wie vor viel zu hoch, kritisiert Prof. Dr. Ralf Lobmann, Sprecher der AG Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Das Risiko für eine Majoramputation beträgt in der Regelversorgung 10 bis 20 Prozent. Dagegen warten die DDG-zertifizierten Einrichtungen mit einer Rate von 3,2 Prozent auf. Die Zahl zu reduzieren ist also machbar!“ Um die Zahl der Majoramputationen zu senken fordern Experten ein obligatorisches Zweitmeinungsverfahren. In Baden-Württemberg läuft derzeit ein Pilotversuch.

Foto: Klinikum Stuttgart

40.000 Patienten erleiden jedes Jahr den Verlust von Gliedmaßen infolge eines diabetischen Fußulkus. Voraussetzung für die Vermeidung von Amputationen sei, dass rechtzeitig strukturiert auf den Fußerhalt hin behandelt werde, so Lobmann. Natürlich sei der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Doch müssten Patienten mit Diabetes, einer bekannten Gefäßkomplikation und einer schlecht heilenden Wunde zügig in eine Schwerpunktpraxis, Fußambulanz oder geeignete stationäre Einrichtung geleitet werden. „Viele Patienten kommen zu spät in zertifizierte Zentren“, sagt Lobmann. Oft vergingen zwölf Wochen und mehr und damit wertvolle Zeit. In Holland etwa ist geregelt, dass eine Wunde, die fünf Wochen keine Heilungstendenz zeigt, in einer speziellen Wundsprechstunde vorgestellt werden muss. „Sieben Wochen mehr Zeit, auf höherstufiger Versorgungsebene den Fuß zu retten“, betont der Sprecher der AG FUSS DDG.

Systemfehler: Amputationen finanziell attraktiver als Extremitätenerhalt
Dazu komme ein strukturelles Problem in Deutschland: Im Rahmen der Ökonomisierung der Medizin gerate der Extremitätenerhalt leicht in den Hintergrund zugunsten der finanziell attraktiveren und von der Liegezeit her angemessenen Amputation, erläutert der DFS-Experte. Die langwierigen konservativen Bemühungen um den Fuß bedeuteten bis zu 40 Tage Krankenhausaufenthalt – und der mögliche Erfolg der Behandlung spielt bislang für die Vergütungsbewertung keine Rolle. „Das ist ein Fehler im System“, so Lobmann. Zumal die Kostenrechnung in Deutschland insgesamt viel zu kurz greife.

Ganz davon abgesehen dürften an erster Stelle die Konsequenzen für die Betroffenen nicht unterschätzt werden: Jeder fünfte Patient verstirbt infolge der Operation, weitere 20 Prozent innerhalb der folgenden 12 Monate. Gerade für ältere Patienten mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen bedeute der Verlust eines Beins eine enorme Kreislaufumstellung und die Gefahr einer deutlichen Verschlechterung der kardialen Erkrankung. Auch der Mobilitätsverlust bildet sich unmittelbar in der Sterblichkeit ab.

Pilotversuch in Baden-Württemberg: Telemedizinische Zweitmeinung
Um die Zahl der Majoramputationen zu senken fordern Experten ein obligatorisches Zweitmeinungsverfahren. Um ein solches aber insbesondere in ländlichen Regionen realisieren zu können, in denen es an spezialisierten Fußambulanzen oder „dem Experten um die Ecke“ schlicht fehlt, hat die AG Fuß in Baden-Württemberg ein telemedizinisches Zweitmeinungsverfahren auf den Weg gebracht. Dabei werden via Tablet die entscheidungsrelevanten Daten und Befunde an einen Spezialisten übermittelt.

Auf diese Weise ließe sich auch sicherstellen, dass keine zwingend nötigen Untersuchungen ausgelassen werden. Ohne eine Bildgebung der Gefäße beispielsweise dürfe bei einem elektiven Eingriff gar nicht über eine mögliche Amputation entschieden werden, betont Lobmann. Über einen Testlauf für ein Jahr mit fünf beteiligten Kliniken ausdrücklich nicht der Maximalversorgung wird aktuell mit Kostenträgern verhandelt.

„Das Konzept ist auch unter dem Aspekt der Qualitätssicherung im Krankenhaus interessant“, sagt Lobmann. Es verschaffe dem Operateur, vor allem aber dem Patienten Sicherheit. Denn klar ist: Nicht immer wird sich eine Amputation vermeiden lassen. Mit der Zweitmeinung eines Experten, ist Lobmann sicher, ist ein solch gravierender Einschnitt für den Patienten eher zu akzeptieren und zu ertragen.

Diabetes: Insulinbedarf steigt weltweit

Die globale Diabetesepidemie steigert die Nachfrage von Insulin. Der Bedarf wird nach Berechnungen in Lancet Diabetes & Endocrinology (2018; doi: 10.1016/S2213-8587(18)30303-6) bis zum Jahr 2030 um etwa 20 Prozent zunehmen. Schätzungen gehen dann von einem jährlichen Insulinbedarf von 634 Millionen Phiolen aus.

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