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28. November 2022
Redaktion

Megamarsch auf Sylt: Grenzerfahrung für Körper und Geist

100 Kilometer in 24 Stunden – Podologin Melanie Roithner war zu Gast beim „Megamarsch“ auf Sylt. Ihre Eindrücke von der Extremwanderung hat sie für DER FUSS festgehalten.

Foto: hundert24 GmbH

Der „Megamarsch“ fand am 22. Oktober 2022 zum dritten Mal auf Sylt statt. 551 Teilnehmer*innen bezwangen – ohne zu schlafen – eine Strecke von extrem herausfordernden 100 Kilometern rund um die Insel. Gestartet wurde in Westerland Richtung Kampen über List, Munkmarsch, Morsum und Rantum bis in den Süden nach Hörnum.

Einige der Teilnehmer*innen haben bereits zum zweiten oder dritten Mal an einem Megamarsch mitgemacht, zum Beispiel in München, Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg. So kannten sich schon viele untereinander und wanderten streckenweise zusammen. Die Teilnehmerzahl ist bei der Challenge streng auf 666 Startplätze limitiert. Tatsächlich ins Ziel geschafft haben es beim Event auf Sylt 388.

Foto: Podologie Melanie RoithnerSportsgeist statt Konkurrenzkampf

Um das Event sicher zu organisieren, waren etliche freiwillige Helfer tatkräftig dabei, so auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Alle 20 Kilometer gab es außerdem eine Verpflegungsstation (VPS), an denen die „Megamärschler“ Wasser, saure Gurken, Knabbereien und Suppe und vieles mehr zur Stärkung bekamen.

Schön war, zu beobachten, wie sich die Teilnehmer*innen untereinander geholfen haben. Immer wieder wurden Ladegeräte oder Powerbanks ausgeliehen, kleine Hilfsmittel ausgetauscht oder einander Mut zugesprochen.

Gegen den inneren Schweinehund

Warum aber setzen sich die Teilnehmer*innen einer solchen Belastung aus? Ich sprach mit einigen über ihre Ansichten und Motivation. So wollen einige „es sich selbst beweisen“ oder „Grenzerfahrungen sammeln“. Anderen ging es darum, einen klaren Kopf zu bekommen, Stress abzubauen oder sich neuen Herausforderungen zu stellen, Körper und Geist zu überlisten und vor allem den inneren Schweinehund zu bezwingen.

Einer der Slogans, die ich auf den Socken der Teilnehmenden las, lautete: „Was tust du, wenn deine Beine sich so anfühlen, als wenn Blut hinunterlaufen würde und du solche Schmerzen hast, dass dein Kopf dir vorschlägt, aufzugeben? – Aufgeben? – Kannst du dein Paket bei der Post.“ Und durchhalten lohnt sich. Im Ziel erwartet jede*n neben einer Urkunde und einer Medaille auch die Aufnahme in die Hall of Fame.

MEGAMARSCH

  • Gründung: Bei einem Bier kamen die Gründer Marco Kamischke und Frederick Hüpkes im Juli 2016 ins Gespräch, eine Wanderung von 100 Kilometern am Stück zu veranstalten, daraus ist durch großen Andrang und Interesse die Veranstaltung „Megamarsch“ entstanden.
  • Challenge: 100 Kilometer in 24 Stunden wandern oder 50 Kilometer in 12 Stunden

Der erste Megamarsch fand am 23. und 24. September 2016 von Köln in die Eifel mit 200 Teilnehmer*innen statt.

www.megamarsch.de

Foto: Podologie Melanie RoithnerOhne passendes Equipment geht es nicht

Eine genaue Liste bekommt man bei dem Veranstalter selbst. Am wichtigsten sind aber sicher die Socken und Schuhe. Gesehen habe ich hier doppellagige Wrightsock Socken, On und HOKA Schuhe, aber auch Trekking-Schuhe. Benötigt wird außerdem eine Wasserblase mit Trinkhalm, für die schluckweise Versorgung aus dem Rucksack, eine Stirnleuchte, wetterfeste, leichte Sportbekleidung, ein Regencape, ein Stirnband und eine Mütze. Zur Versorgung der Füße setzten viele der Läufer*innen auf Pflaster und Druckschutz für die Zehen und Fersen. Zwischendrin wurden sich auch immer wieder die Schuhe ausgezogen, um die Füße zu massieren und einzucremen – oft mit Proben der Marke Fusskrem von Gehwol oder Hirschtalg. Viele hatten ihre Füße von Beginn an getapt. Auch Walking-Stöcke hatten einige dabei, genutzt wurden sie aber nur streckenweise.

Mit welchen Fußleiden müssen Extremwander*innen rechnen?

Die Marschfraktur

Die Marschfraktur, auch Ermüdungsbruch genannt, ist eine Form des Knochenbruchs, die aufgrund von wiederkehrender Belastung auftritt. Die dauernde mechanische Überlastung führt zu Schäden an der Knochensubstanz, die durch körpereigene Reparaturvorgänge nicht mehr auszugleichen sind. Betroffene verspüren in der Regel ziehende Schmerzen im Mittelfuß.

Häufig treten Ermüdungsbrüche bei Laufsportler*innen auf, die ihren Trainingsumfang deutlich steigern, etwa für die Teilnahme an einem Marathon. Während ihre körperliche Ausdauer, Muskelkraft und Kreislauf sich dem gesteigerten Trainingspensum schnell anpassen, geschieht dies bei Sehnen und Knochen nur langsam.

Diagnostiziert wird eine Ermüdungsfraktur mithilfe bildgebender Verfahren, die typische Veränderungen am Mittelfuß zeigen: Zunächst sind Knochenödeme (Wassereinlagerungen) sichtbar; im weiteren Verlauf lässt sich die Stressreaktion auch an der geschädigten Knochensubstanz erkennen.

Spürt man während der Wanderung stechende Schmerzen besonders im Mittelfuß, sollte man den Lauf abbrechen, das wäre sonst sehr fahrlässig dem eigenen Körper gegenüber und kann Spätfolgen nach sich ziehen.

Melanie Roithner ist selbstständige Podologin und Fachautorin. Seit über zwei Jahren betreibt sie auf Sylt eine kleine Podologie-Praxis. Und seit 7,5 Jahren in Bad Harzburg. Foto: Podologie Melanie RoithnerBlasen am Fuß

Blasen entstehen durch anhaltenden und intensiven Druck auf die Haut. Sie beginnt sich abzulösen und in den entstandenen Hohlraum dringt Gewebeflüssigkeit ein. Vor allem bei Extremwanderungen wie einem Megamarsch gehören Blasen zur Tagesordnung.

Wichtig ist es, sie schnell und korrekt zu behandeln. So sollte eine geschlossene Blase keinesfalls aufgestochen werden. Zu groß ist die Gefahr, dass Keime eindringen und die Wunde infizieren. Vielmehr sollte man ein fest haftendes Pflaster aufkleben. Es schützt die Blase vor Schmutz und verhindert, dass Schuhe oder Socken weiter auf der Haut reiben. Spezielle Blasenpflaster sind mit einer Gel-Schicht ausgestattet, die im Wundbereich für ein feuchtes Milieu sorgt. Dadurch verheilt die Blase meist schneller. Das Blasenpflaster verbleibt dabei so lange auf der verletzten Haut, bis es sich von selbst ablöst – auch nach dem Duschen.

Chapeau

Was für ein Erlebnis, live mitzuerleben, wie sich die Megamärschler solchen enormen Strapazen aussetzen! Besonders die nächtlichen geradeaus Strecken sollen sehr mühsam gewesen sein; genauso wie das Laufen durch den Sand. Nach 50 Kilometern sind dann auch einige ausgeschieden und mussten sich vom Taxi abholen lassen. Die Enttäuschung stand zwar einigen ins Gesicht geschrieben, aber alles andere wäre fahrlässig und schier lebensgefährlich gewesen. Dabei sein ist doch alles, oder?!

Besonders beeindruckt hat mich eine 60-jährige Dame, die es ins Ziel geschafft hat und wirklich stolz auf ihre Leistung sein kann.

Autorin
Melanie Roithner
Podologin
Herzog-Wilhelm-Straße 97
38667 Bad Harzburg
E-Mail: melanie.roithner@gmail.com
www.podologie.land

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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