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1. August 2023
Redaktion
Studie

Mehr Jungen entwickelten in der Pandemie Diabetes

Vor allem Jungen entwickelten während der COVID-19-Pandemie häufiger Diabetes Typ 2. Ulmer Forschende zeigen in einer neuen Studie einen Anstieg der Typ 2-Diabetes-Fälle bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland - besonders betroffen waren davon Knaben.
Eine
Foto: Christian Schwier/Adobe Stock

Untersucht haben die Forscherinnen und Forscher des Instituts für Epidemiologie und medizinische Biometrie der Universität Ulm sowie der Sektion Pädiatrische Endokrinologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Düsseldorf, Heidelberg, Witten/Herdecke, Greifswald und Berlin die Angaben in der Ulmer DPV-Datenbank. Diese Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation, die am Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Universität Ulm gepflegt wird, ist eine der größten Diabetes-Patientendatenbanken der Welt. Aufgrund ihrer großen Abdeckung im Kindes- und Jugendalter erlaubt sie Analysen, die auf die ganze Bevölkerung rückschließen lassen.

„Wir konnten feststellen, dass das Auftreten von Diabetes mellitus Typ 2 bei Kindern und Jugendlichen 2021, also im zweiten Jahr der COVID-19-Pandemie, in Deutschland signifikant angestiegen ist und mehr als 40 Prozent oberhalb des Erwartungswertes lag“, sagt Erstautor PD Dr. Christian Denzer, Oberarzt der Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie der Uniklinik Ulm. Dr. Nicole Prinz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Uni Ulm und Koordinatorin der Studie, fügt hinzu: „Bereits vor der Pandemie bestand der Trend zu steigenden Typ-2-Diabetes-Erkrankungen bei männlichen Jugendlichen. 2021 hat sich das Geschlechterverhältnis in Deutschland erstmals sogar umgekehrt und es erkrankten mehr Jungen als Mädchen.“

Ist COVID-19 schuld?

Die zugrundeliegenden Ursachen für dieses Phänomen sind noch unklar und sollten weiter erforscht werden. Neben klassischen Risikofaktoren wie Gewichtszunahme oder weniger körperlicher Aktivität, die durch Pandemiemaßnahmen noch verstärkt wurden, erscheinen auch direkte und indirekte Effekte einer SARS-CoV-2-Infektion denkbar.

„Eine Möglichkeit ist, dass Diabetes als Komplikation einer akuten SARS-CoV-2-Infektion auftreten kann. Zudem zeigen neue Studiendaten, dass das Risiko für Diabetes auch in der postakuten Phase der Erkrankung bei erwachsenen und jungen Patientinnen und Patienten erhöht sein könnte“, so PD Dr. Christian Denzer.

Letztlich überraschte es die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie unmittelbar deutlich die Zunahme gegenüber den Erwartungswerten auftrat: mit einer über 40 Prozent höheren Inzidenz im Kindes- und Jugendalter sowie einer 55 Prozent höheren Inzidenz bei Jungen.

„Interessanterweise war das Ausmaß des Übergewichtes bei neudiagnostizierten Patienten nicht ausgeprägter als im präpandemischen Beobachtungszeitraum. Es liegt also nahe, dass insbesondere ein Mangel an körperlicher Aktivität und somit eine Verstärkung der Insulinresistenz eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Typ-2-Diabetes gespielt haben könnte“, erklärt Dr. Nicole Prinz. Weitere Beobachtungen zeigten außerdem, dass sich die Dauer bis zur Diagnosestellung des Typ-2-Diabetes während der Pandemie wahrscheinlich nicht verlängert hat.

Neue Strategien entwickeln

Als erstes Fazit ihrer Studie zu Typ-2-Diabetes im Kinder- und Jugendalter fordern die Autorinnen und Autoren, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und die getroffenen Pandemie-Maßnahmen auf Kinder und Jugendliche intensiv zu untersuchen und kritisch zu bewerten. „Nur so könnten neue Strategien entwickelt werden, die helfen, vergleichbare Herausforderungen für das Gesundheitssystem – wie eine erneute Pandemie – besser zu bewältigen“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die Durchführung der Studie wurde unterstützt von der Deutschen Diabetes-Stiftung, dem Robert Koch-Institut und der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Ebenso ist die Veröffentlichung Teil des EU-Projekts SOPHIA (Stratification of Obese Phenotypes to Optimize Future Obesity Therapy) mit finanzieller Unterstützung durch die Innovative Medicines Initiative im Rahmen von Horizon 2020.

 

Quelle: Universität Ulm | Redaktion: Cornelia Meier

Originalpublikation

Is COVID-19 to Blame? Trends of Incidence and Sex Ratio in Youth-Onset Type 2 Diabetes in Germany. Christian Denzer, Joachim Rosenbauer, Daniela Klose, Antje Körner, Thomas Reinehr, Christina Baechle, Carmen Schröder, Susanna Wiegand, Reinhard W. Holl and Nicole Prinz for the DPV Initiative. Diabetes Care 2023;46(7):1379–1387. https://doi.org/10.2337/dc22-2257

Originalpublikation

Is COVID-19 to Blame? Trends of Incidence and Sex Ratio in Youth-Onset Type 2 Diabetes in Germany. Christian Denzer, Joachim Rosenbauer, Daniela Klose, Antje Körner, Thomas Reinehr, Christina Baechle, Carmen Schröder, Susanna Wiegand, Reinhard W. Holl and Nicole Prinz for the DPV Initiative. Diabetes Care 2023;46(7):1379–1387. https://doi.org/10.2337/dc22-2257

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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