Folgen Sie uns
27. Oktober 2023
Petra Zimmermann
Hausbesuche mit dem Rad

Mobil (fast) ohne Auto?

In Zeiten erhöhter Kraftstoff- und Energiepreise denken viele Selbstständige und Arbeitnehmende über die Anschaffung eines ­modernen Fahrrades oder E-Bikes nach. Auch in der ­mobilen Fußpflege bietet sich gerade im Frühjahr/Sommer ein Fahrrad oder E-Bike als Fortbewegungsmittel an. DER FUSS hat einige „Rad-mobile“ Fußpflegerinnen und Podologinnen interviewt und gibt Tipps für den Umgang und die Finanzierung für eine „alternative Fortbewegung“.
Foto: Drobot Dean/Adobe Stock

Wie man in der mobilen Fußpflege zu den Kundinnen und Kunden kommt, hängt natürlich von den Gegebenheiten der Stadt oder des Dorfes ab. Der Kundenradius bestimmt die Mobilität. In verkehrsdichten Gebieten fahren die Fachkräfte eher mit dem Auto, in ländlichen Gegenden oder in Städten mit guter Radwege-Infrastruktur eher mit dem Fahrrad oder E-Bike. Gerätehersteller haben diesen Trend schon aufgegriffen und bieten ein mobiles Fußpflege-Sortiment inklusive Transporttaschen an.

Auf dem Rad unterwegs

Marita Beesten betreibt seit gut 11 Jahren eine podologische Praxis in Witzenhausen. Für ihre Hausbesuche in der Kernstadt nutzt sie ihr Fahrrad mit Anhänger. „Das ist umweltfreundlich, es braucht keinen Parkplatz und die frische Luft und Bewegung tut gut. Außerdem dürfte es die erste mobile podologische Praxis mit dem Fahrrad in Nordhessen und vielleicht darüber hinaus sein …“, merkt die Podologin scherzhaft an.

Umstieg aufs Fahrrad

Praxisvermietern aufs Fahrrad umgestiegen. Die ärztlich geprüfte Fachfußpflegerin hat zwar einen Führerschein, erledigt aber alle ihre Hausbesuche mit dem Fahrrad samt Anhänger. „Der Bedarf an mobiler Fußpflege ist enorm, aber gedacht für diejenigen, die nicht mehr kommen können, nicht für die, die nicht in eine Praxis wollen.“ Mit ihrem Rad ist sie in einem Radius von maximal 10 Kilometern unterwegs. „Man muss die Ausrüstung auf ein Minimum reduzieren, aber trotzdem alles dabeihaben.“

Andrea Haßler hat ihre Ausbildung „jenseits der 50“ gemacht, deswegen kam ein Transport-Rucksack für sie nicht in Frage. „Ich nutze einen flachen Fahrrad-Anhänger mit Regenverdeck, der leer 13 Kilogramm wiegt, und nutze einen Koffer und eine Extra-Tasche für Instrumente usw., die zusammen nochmal 13 Kilogramm wiegen. Die im Großhandel angebotenen Taschen entsprachen in ihrer Einteilung nicht meinen Vorstellungen. Ein Verlängerungskabel transportiere ich separat.“

Die Fußpflegerin informierte sich in Eigenregie über Fahrradanhänger und finanzierte ihn selber: „Ich wollte auf jeden Fall einen leichten, der einfach zu händeln ist, denn ich hatte keine Anhänger-Erfahrung.“

Gebrauchtes Lastenrad erworben

Die schlechten Parkmöglichkeiten und die Verkehrs­situation in Potsdam waren für E. R. (Name der Redaktion bekannt) ausschlaggebend, neben ihrem Auto auch drei- bis viermal in der Woche ihr Lastenrad zu benutzen. Ihre Fachausrüstung transportiert sie mit dem Ruck Mobilsystem. Die Fachfußpflegerin ist seit 2018 als mobile Fußpflegerin solo-selbstständig. „Das Lastenrad, ein umfunktioniertes Kindertransportrad, habe ich 2019 günstig auf einem Umweltfest in Potsdam gekauft. Ich fahre aber nur bei schönem Wetter und nur Fahrten bis circa 2 Kilometer. Ansonsten mit dem Privat-Pkw.“

Die Potsdamerin zahlte das Lastenrad privat ohne Finanzierung und Zuschüsse. „Ich würde jedem raten, erst einmal mit dem Lastenrad Probe zu fahren – so wie ich damals auf dem Umweltfest – denn es fährt nicht wie ein normales Fahrrad und ist auch nicht jedermanns Sache. Außerdem braucht man einen Unterstand oder einen geeigneten Abstellplatz, wenn das Rad nicht benutzt wird.“ Und wie ist die Reaktion der Kundschaft? „Manchen Kunden gefällt es, wenn ich mit dem Fahrrad komme, vielen aber ist es egal, mit welchem Gefährt ich zur Fußpflege erscheine.“

Foto: Fußpflege Köpenick
Daniela Rusicke ist seit Januar 2020 als mobile Fachfußpflegerin in Berlin Köpenick und Umgebung tätig. Ihren mobilen Koffer inklusive Fußpflegegerät hat sie immer dabei.

Investition E-Bike

Melanie Roithner ist selbstständige Podologin und Fachautorin mit einer kleinen Praxis im Hotel Plumbohms in Bad Harzburg und seit 2 Jahren mit einer Zweitpraxis auf Sylt. Sie schaffte sich zunächst privat ein E-Bike an und überlegte später, es auch für die Fahrt zu ihren Kunden zu nutzen. Die Podologin hat sich ausführlich vor dem Kauf mit den verschiedenen Modellen beschäftigt: „Auch ab 1.000 Euro bekommt man heute schon gute Modelle. Hinzu kommen Taschen und ein guter Fahrradhelm. Ein zweiter Akku ist meiner Meinung nach nicht erforderlich. Mit einer Ladung kommt man sicher 200 Kilometer weit, das reicht aus.“ Wer nicht sicher sei, könne sich zuerst ein E-Bike leasen.

Zusätzlich zum E-Bike nutzt Melanie Roithner auch weiterhin ihr Auto – vor allem, wenn sie an ihren Hausbesuchstagen sehr viel zu tun hat und es schnell gehen muss. „Das Bike wähle ich bewusst, wenn ich es einmal ruhiger angehen will und einen entspannten Arbeitstag haben möchte. Denn so schnell wie mit dem Auto geht es natürlich auch mit einem Elektromotor nicht.“ Ändere man seine übliche Mobilität, müsse man allerdings Arbeitsabläufe neu überdenken: „Wenn ich ein E-Bike nutzen möchte, muss ich bereit sein, bestehende Abläufe anzupassen oder neu zu denken. Vor allem am Anfang benötigt man mehr Zeit, um seine Routen und Termine zu planen. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber daran, dass man umdenken muss.“

Überzeugt vom E-Cargo-Bike

Foto: privat
E-Mobilität mit Werbeeffekt: Uta Heß ist begeisterte Nutzerin eines E-Cargo-Bikes. Die Zuschuss-Finanzierung des Bundeslandes dauerte keine sechs Wochen.

Fußpflegerin Uta Heß aus Weinstadt ist überzeugte E-Lastenrad-Nutzerin und fährt fast täglich, nicht nur zu ihren Kunden, sondern auch zum Einkauf oder die Kinder zum Sport. „Mein Radius beträgt rund 20 Kilometer ab meinem Standort, teilweise mit Weinbergsteigungen. Eine gute Streckenplanung ist immer wichtig, aber oft kann ich quer durch die Weinberge oder über Feldwege abkürzen, anstatt mit dem Pkw außenherum. Das spart Kilometer. Ich fahre rund 1.000 km jährlich und besitze das Rad seit 2019.“

Nach der Babypause fing sie mit der mobilen Tätigkeit an und hat mittlerweile auch eine Praxis. Zunächst fuhr die Fußpflegerin mit dem Auto: „Ich plane sehr penibel, um sowohl Fahrzeit als auch Sprit zu sparen. Bereits nach den ersten Monaten Fahrtenbuch schreiben war klar: Mit den vielen Kurzstrecken schade ich langfristig dem Motor. Fahrtenbuch schreiben macht keinen Spaß und Privates und Betriebliches sollte sauber getrennt werden. Also gingen mein Mann und ich in die Überlegung, ein Betriebsfahrzeug anzuschaffen. Günstig, leicht zu bewegen, klein wegen der Parkplatzsuche, aber groß genug, um den großen Alukoffer von Baehr, Beinstütze, Verbrauchsmaterial, Klappstuhl usw. mitnehmen zu können. E-Roller, E-Bike mit Anhänger? Ach, als Mutter habe ich kaum Zeit für Sport. Also ein bisschen sportlich, aber nicht so, dass ich völlig verschwitzt und ausgelaugt beim Kunden ankomme. Schließlich kamen wir auf die E-Lastenräder… Also los zum Händler und Probefahren.“

REGELN FÜR DIE E-NUTZUNG

Waren die erhöhten Energiepreise auch ein Grund? „Erstmal nein, aber in der Überlegung war klar: Anschaffung und Unterhalt eines Pkw sind immens höher als beim Lastenrad. Mit einer Akkuladung fahre ich je nach Steigung und Fahrverhalten zwischen 45 bis 70 Kilometer, das macht pro Ladung vom Hausstrom circa 20 Cent. Der Akku lädt 500 kWh. Inzwischen kann ich den Akku über unsere eigene Balkon-Photovoltaik-Anlage laden.“

Das E-Cargo-Bike hat aufgrund seines hohen Eigengewichtes eine gute Straßenlage, deshalb nutzt es Uta Heß auch bei Schnee. „Das ist nicht jedermanns Sache. Und zwischendurch nehme ich auch gerne unser Auto. Zum Beispiel bei Starkregen oder Gewitter.“

Förderung durchs Bundesland

Eine Förderung des Landes Baden-Württemberg überzeugte Uta Heß endgültig von der Anschaffung. „Das Land hat am Telefon ausführlich über die Fördermöglichkeiten beraten. Förderung beantragt, E-Cargo-Bike bestellt, abgeholt und bezahlt, Förderung abgerufen. Das hat keine sechs Wochen gedauert. Gerundet: EK 5.400 Euro brutto, davon 1.620 Euro als steuerfreie Förderung.“

Im Gegensatz zum Betriebs-Pkw müsse sie so kein Fahrtenbuch schreiben, da es eine 0-%-Regelung gebe (beim Pkw muss für private Fahrten entweder pauschal 1 % vom Neuwert als geldwerter Vorteil versteuert oder ein Fahrtenbuch geführt und abgerechnet werden).

„Alle Inspektionen, Schläuche, Fahrradhelm etc. sind ­Betriebskosten. Das Rad wird steuerlich abgeschrieben. Ich habe eine zusätzliche Haftpflichtversicherung mit circa 80 Euro jährlich.“

Und wie reagierte Ihre Kundschaft? „Meine Kunden waren durchweg sehr begeistert. Wenn ich zwischendurch beim Bäcker anhalte, genieße ich auch noch den Werbeeffekt. Und inzwischen kennt mich der ganze Gemeindeverbund. Und die kritischen Stimmen in der Familie sind verstummt“, fügt die Fußpflegerin schmunzelnd hinzu.

BEZUSCHUSSUNG VON E-LASTENFAHRRÄDERN

Elektro-Radfahren neu lernen

Käufer*innen eines Elektrofahrrads neigen dazu, dieses wie ein normales Fahrrad zu behandeln. Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass ein Pedelec oder E-Bike gegenüber einem herkömmlichen Fahrrad 25 bis 30 Kilogramm wiegt, es je nach Antriebskonzept und Akku-Positionierung einen veränderten Schwerpunkt hat und unter Umständen auch einen verlängerten Bremsweg. Dazu kommt der Mehraufwand bei Pflege und Wartung. Deshalb sollte die Gebrauchsanleitung des Herstellers gründlich studiert werden, um sich mit dem Rad und insbesondere mit den Bedienelementen vertraut zu machen.

Danach sollte das Elektrofahrrad an die individuellen ergonomischen Bedürfnisse angepasst werden: Sattelhöhe, Einstellung und Neigung des Lenkers sowie die Bremsgriffe sollten so justiert sein, dass eine sichere und bequeme Sitzposition gewährleistet ist. Seriöse Fachhändler helfen E-Bike-Neulingen dabei.

Vor Fahrbeginn sollten auch die Licht- und Bremsanlage sowie der Akku-Ladestand überprüft werden. Für Ungeübte empfiehlt es sich, das Fahrverhalten in einer verkehrsberuhigten Zone in aller Ruhe kennenzulernen.

Technische Eigenarten

Je nach Technik und Einstellung ist die Schubkraft des Elektromotors, vor allem beim Anfahren, keinesfalls zu unterschätzen. Handelt es sich um ein Modell mit Bewegungssensor, reagiert der Elektromotor eventuell mit leichter Verzögerung, dann aber mitunter ruckartig. Ist man darauf im Straßenverkehr nicht vorbereitet, kann es zu Unfällen kommen.

Sind bei dem erworbenen Modell hydraulische Felgen- oder Scheibenbremsen installiert, sollte man sich auch mit der Bremskraft in sicherer Umgebung vertraut machen. Denn diese Bremsanlagen verzögern stärker als normale Fahrradbremsen und verlangen vom Fahrenden Feingefühl bei der Dosierung. Besonders wichtig ist der richtige Reifendruck, der alle zwei Wochen überprüft werden sollte, die Sollwerte sind meist auf den Reifen vermerkt. Geeignete, feste Kleidung sowie ein Fahrradhelm – wenn auch nicht bei allen Elektrofahrrädern Pflicht – sollten zur Grundausstattung gehören. Eine Fahrrad-Vollkaskoversicherung ist empfehlenswert.

Finanzielle Vorteile

Hat ein E-Bike zum Beispiel 2.100 Euro gekostet, wird 7 Jahre lang ein Betrag von 300 Euro abgesetzt. Kostet das E-Bike weniger als 800 Euro netto, kann man es sogar direkt im Jahr des Kaufs absetzen. Denn dann fällt es unter „geringwertige Wirtschaftsgüter“ und gilt demnach als Sofortabschreibung.

Für ein Liefer-E-Bike oder E-Lastenrad braucht es keinen Führerschein und es besteht keine Versicherungspflicht, man darf damit auf Radwegen fahren und auf Fußwegen parken. Denn: Ein Lastenrad gilt nach deutschem Recht als Fahrrad, allerdings nur dann, wenn es nicht breiter als einen Meter, nicht höher als zweieinhalb Meter und nicht länger als vier Meter ist. Bei dichtem Autoverkehr ist man oft schneller als mit dem Auto. Finanziell rechnet sich das auch: Das E-Bike ist preislich unschlagbar im Vergleich mit Pkw und Roller mit nur 0,17 Euro Energiekosten pro 100 Kilometer.

Förderprogramme

Es gibt mittlerweile verschiedene Förderprogramme, entweder vom Bund oder den Bundesländern. Staatlich gefördert werden momentan ausschließlich gewerblich genutzte Modelle. Die Förderanträge zur E-Lastenrad-Richtlinie nimmt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bis zum 29. Februar 2024 entgegen (siehe Kasten). Die Antragstellung erfolgt elektronisch. Die Förderung beträgt bis zu 25 Prozent der Anschaffungskosten, maximal jedoch 2.500 Euro pro E-Lastenrad. Die Förderung gilt auch für E-Anhänger mit einer Nutzlast ab 120 Kilogramm.

Auch wenn es keine generelle Förderung in Deutschland gibt, so finden sich doch vereinzelt Finanzierungsmodelle in einzelnen Bundesländern wie Baden-Württemberg (wie im Artikel beschrieben). Zum Beispiel hilft Nordrhein-Westfalen bei der Finanzierung von Lastenrädern mit E-Motor. In Städten mit hoher Feinstaubbelastung, wie Wuppertal oder Solingen, wird der Neukauf noch bis Ende 2023 vom Land gefördert. Die NBank Niedersachsen bewilligt seit Mai 2023 wieder eine Finanzierung für Lastenräder. Anträge werden prioritär bearbeitet, so dass mit einer Bewilligungszeit von etwa sechs Wochen zu rechnen ist.

Sinnvoll ist es, sich bei der Stadt, Gemeinde oder dem Landkreis zu erkundigen, ob Zuschüsse angeboten werden. Ebenso kommen oft auch neue Angebote hinzu, zum Beispiel durch Energieversorger. Viele Händler bieten zudem eine Ratenzahlung an.

 

 

Autorin
Petra Zimmermann
Schleswiger Straße 30
48147 Münster

Foto: Eakrin/Adobe Stock
Zurück
Speichern
Nach oben