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1. Dezember 2021
Melanie Roithner
Ross Fraser

Orthonyxiebehandlung in der Podologie-Praxis

Was macht die Therapie von eingewachsenen Nägeln, dem Unguis incarnatus, mit einer epoxidbeschichteten Federstahldrahtspange aus? Was muss beachtet werden? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein? Und wie binde ich die Patientin oder den Patienten ein? Diese und andere Fragen rund um die Ross-Fraser-Spange beantwortet die Podologin Melanie Roithner.
Foto: Melanie Roithner

Bereits seit dem Jahr 1962 nutzen Podologinnen und Podologen Nagelkorrekturspangen nach Ross Fraser. Die zweischenklige Ross-Fraser-Spange lenkt den Zehennagel in seine natürliche Form und besteht in der Regel aus Edelstahldraht. Dabei überzeugt die Technik mit ihrer Hebelwirkung durch ihre charakteristische Schleife – das Omega – als Drehpunkt in der Mitte. Wird sie mit einer Drahtfasszange aktiviert, tritt die Wirkung am lateralen Nagelrand (Sulcusbereich) ein. An dieser Stelle wird ein kleiner ­Acrylklebepunkt mit Onycholit gesetzt, um die Spange zu befestigen.

Einsatzbereiche

Die Ross-Fraser-Technik eignet sich bei Zehennägeln, bei denen sich die trans-versale Wölbung verändert hat. Kann eine Regulierung nicht alle vier Wochen gewährleistet werden, sollte eine Klebespange gewählt werden. Diese verbleibt zwischen drei und zehn Monaten auf dem Nagel.

Foto: Melanie Roithner
Orthonyxiespangen sind bereits seit dem 19. Jahrhundert in Gebrauch. „Orthos“ ist griechisch und heißt übersetzt „gerade“.

Der Vorteil der Ross-Fraser-Spange besteht darin, dass sie manuell reguliert werden kann, und mehrfach verwendbar ist. Dies spart gegenüber den anderen Nagelkorrektursystemen Material ein. Wird die Ross-Fraser-Spange nicht regelmäßig kontrolliert, besteht die Gefahr, dass die Spange sich löst und die Patientin oder den Patienten verletzt. Eine Orthonyxiebehandlung ist nicht möglich bei:

  • stark entzündetem Gewebe und Nagelbett
  • Allergien auf Spangenmaterialien oder Klebstoffe
  • arteriellen Durchblutungsstörungen (pAVK)
  • Neuropathie (Taubheitsgefühl, muss durch die Ärztin oder den Arzt abgeklärt werden)
  • schichtweiser Aufsplitterung der Nägel parallel zur Oberfläche (Onychoschisis)
  • Nägeln, die sich in ihrer Konsistenz verändert haben und brüchig sind (etwa bei Psoriasis)
  • mykotischen Nägeln, die zu mehr als einem Drittel befallen sind beziehungsweise bei denen die Mykose am lateralen Nagelrand sitzt
  • partieller Ablösung eines Nagels (Onycholyse)
  • gestörtem Nagelwachstum (Onychodystrophie)
  • Onychauxis
  • Onychogryppose
  • Aufspaltung der Nagelplatte in horizontale, übereinander geschichtete Platten (Onychomadese)

Wer kann die Ross-Fraser-Technik einsetzen?

Selbstverständlich sollte die Technik nur von Podologinnen oder Podologen eingesetzt werden, die über ausreichend Erfahrung mit der Nagelkorrekturspange verfügen. Gelehrt wird diese Orthonyxietechnik an den Podolologie-Schulen. Wer das Thema Ross Fraser vertiefen will, sollte aber auch die Gelegenheit nutzen und einmal ein Seminar bei einer erfahrenen Kollegin oder einem erfahrenen Kollegen buchen.

Ebenso wichtig ist aber auch die Empathie gegenüber der Patientin oder dem Patienten. Da eine Orthonyxiebehandlung mitunter unangenehm sein kann, ist es äußerst wichtig, der Patientin oder dem Patienten mit emotionaler Wärme und Respekt zu begegnen. Hilfreich ist es, die Patientin oder den Patienten in eine angenehme Position zu lagern, den Raum zu lüften, ein Glas Wasser anzubieten und Blickkontakt zu halten.

Indikationen Ross Fraser
Kontraindikationen Ross Fraser

Gemeinsam zum Ziel: Patienten-Compliance fördern

Durch Introspektionsfähigkeit, also Beobachtung der eigenen Erlebnis- und Verhaltensweisen, können Patientinnen und Patienten selbst Einfluss auf den Behandlungsverlauf nehmen. Wichtig ist es hier, dass der oder die Behandelnde die Therapiemotivation von Beginn an aktiv fördert.Frühestmöglich sollte die Patientin oder der Patient vom Behandelnden über den weiteren Behandlungsverlauf informiert werden. Dieser umfasst:

  • Kontrolltermine im Rhythmus von vier bis sechs Wochen
  • ggf. den Erwerb neuer Schuhe und/oder Socken
  • 2 x tägliches Auftragen eines Fluids, das die Nagelhaut weich hält

Nutzen sollte man diese Gelegenheit auch, um die Vorteile einer Nagelkorrekturspange zu erläutern. So gibt es für Patientinnen und Patienten unabhängig von der Art der gewählten Spange keinerlei Einschränkungen im Alltag. Auch sportlich betätigen können sie sich wie gewohnt. Oft werde ich gefragt, ob man mit der Spange duschen kann. Dann antworte ich: „Ja, Sie können alles tun damit, sogar Lackieren ist möglich“. Manch eine Spange lässt sich sogar als „Schmuck“ sehen. Gerade die Goldstadt-Spange ist doch durchaus hübsch anzusehen.

Richtige Fußpflege mit Nagelspangen

Bei Ross-Fraser-Spangen liegen die Regulierungsabstände – abhängig vom Nagelwachstum – zwischen drei und fünf Wochen. Das sollte die oder der Behandelnde der Patientin oder dem Patienten gleich zu Beginn mitteilen. Wichtig ist es, die Patientin oder den Patienten darüber zu informieren, den eingewachsenen Nagel selbst zu inspizieren und gegebenenfalls das Vlies wieder zurückzuschieben und Fluid aufzutragen. Auch basische Fußbäder sind geeignet, um den betroffenen Nagel weichzuhalten. Tägliches Eincremen der Füße ist selbstverständlich. Hilfreich kann es sein, Zehenteiler aus Polymergel zwischen Digiti I und II zu tragen, um interdigital Druck und Reibung zu verhindern.

Foto: Melanie Roithner
Der Einsatz einer Ross-Fraser-Spange erfordert einiges Geschick.

Druckvermeidung ist überhaupt das A und O während der Behandlung. Beim Schuhkauf sollte daher am besten ein Schuhgrößenfinder genutzt werden. Auch regemäßige Fußgymnastik wirkt sich positiv auf den Behandlungsverlauf aus. Oft sind zu kleine Socken Auslöser zum Unguis incarnatus. So hatte ich vor einiger Zeit eine junge Dame mit einem Hallux valgus mit diesem Problem in meiner Praxis. Die Ursache für die Beschwerden: eingelaufene Sneaker-Söckchen!

Nägel richtig schneiden – ohne Beratung geht es nicht

Meist ist ein seitlicher Nagelsporn die Ursache für eine tiefliegende Entzündung des ganzen Zehennagels. Hier darf nicht der Fehler gemacht werden, zu viel vom Nagel wegzuschneiden, wie man es im Praxisalltag leider häufig zu sehen bekommt. Oft fehlt den Patientinnen und Patienten beziehungsweise deren Angehörigen einfach das Wissen darüber, wie ein korrekter Nagelschnitt durchgeführt werden sollte. Hier müssen Podologinnen und Podologen unbedingt Aufklärungsarbeit leisten. An der entsprechenden Nagelecke darf nichts weggeschnitten werden. Denn genau dort wächst der Nagel wieder ein. Ausnahme ist eine kleine Stelle am Sulcus. Vorne seitlich gelegen mit einer sehr langen scharfen Eckenzange – dort darf, je nach Bedarf, wenig weggenommen werden.

NAGELKORREKTURSPANGEN IM ZEITVERLAUF

Wann muss man zum Arzt?

Mein Hausarzt sagt immer: „Für alle Patientinnen und Patienten gilt: nicht warten, bis der schmerzhafte Zeh eitert und blutet.“ Vor allem bei Menschen mit Diabetes und für Patientinnen und Patientinnen mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ist aufgrund des verminderten Schmerzempfindens Vorsicht geboten. Sobald der eingewachsene Nagel eine Rötung und Schwellung verursacht, empfiehlt es sich, eine podologische Praxis aufzusuchen. Der frühzeitige Einsatz einer Orthonyxiespange führt bei 97 Prozent der Fälle, so lernt man es in der Ausbildung, zu einer Heilung und eine Operation kann vermieden werden. Damit der Erfolg der Spangenbehandlung lange vorhält und ein erneutes Einwachsen von Nägeln vermieden wird, sollten Behandelnde ihre Patientinnen und Patienten über die Ursachen des Unguis incarnatus informieren. Dazu gehört:

  • genetische Veranlagung
  • nicht korrektes Nagelschneiden
  • eine Verletzung oder ein Trauma
  • Adipositas
  • unpassendes Schuhwerk und zu kleine/kurze Socken
  • Schwangerschaft
  • Zehen- und Fußdeformitäten
  • Gangveränderungen
  • Stoffwechselstörungen
  • geschlossene, zu enge Kompressionsstrümpfe
  • Wachstumsstörungen (Psoriasis)
  • Medikamente

Ist der eingewachsene Nagel unter Beachtung der fünf Entzündungszeichen Rubor (Rötung), Calor (Hitze), Tumor (Schwellung), Dolor (Schmerz) und Functio laesea (Bewegungseinschränkung) nicht mehr podologisch behandelbar, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten empfehlenswert. Dabei erfolgt unterstützend ein regelmäßiges Debridement (Wundreinigung) durch Fachkräfte wie Podolog/innen, Pflegepersonal oder Wundassistent/innen.

Exkurs: Sulci-Protektor als Unterstützung

Zum Formen, Ergänzen und Begradigen des seitlichen Nagelrandes sowie zum Abpolstern des Nagels gegen einen entzündeten oder gereizten Nagelwall können neben der Nagelkorrekturspange zusätzlich Sulci-Protektoren eingesetzt werden. So verhindern die kleinen Vlies- oder Distanzeinlagen, dass der Draht im Sulcus drückt. Die Schienen polstern nicht nur, sondern bewirken auch, dass der Nagel am freien Rand seine breite Form behält. Wachstumsstörungen, Aufwölbungen und/oder Veränderungen des Nagelwalls werden dadurch vorgebeugt. Die Industrie hält auch vorgefertigte Sulci-Protektoren bereit. Mit ihnen sollte man aber vorsichtig umgehen, da sie oftmals zu hart sind. Eine selbstgefertigte Tamponade dagegen bewirkt, wenn mit Fluid wie etwa von Gehwol getränkt, dass Nagel und Nagelfalz weich gehalten werden.

Foto: Melanie Roithner
Abdrucknahme (Positiv und Negativ) mit einem Abdrucklöffel aus dem Hause Erkodent. Dieser muss für zwei bis drei Minuten stillgehalten werden.

Eine Tamponade aus Copoline kann beispielsweise mit Nagelmasse abgedeckt werden, die dann aushärtet und der Sulci-Protektor länger hält. Während der Behandlung entscheidet die Podologin oder der Podologe, welche Tinkturen aufgetragen werden. Ist der Nagelfalz sehr empfindlich, empfehle ich das antiphlogistisch wirksame Prontoman Hydrogel. Auch hier ist die oder der Behandelnde auf die Unterstützung der Patientin beziehungsweise des Patienten angewiesen. In meiner Praxis erkläre ich zum Beispiel während der Behandlung, dass man den Streifen auch selbst wieder neu applizieren kann, indem man ihn mit einem spitzen Instrument wieder hineindrückt oder neu einlegt. Eine kleine Demonstration genügt.

Um den Nagelfalz optimal weich zu halten und starke Verhornungen oder gar die Entstehung von Clavi subunguales zu verhindern, empfehle ich den Patientinnen und Patienten zwischen den Behandlungsterminen regelmäßig ein Fluid aufzutragen. Vorsicht aber bei Propolislösungen. Sie färben bräunlich ein. Es sollten während der Behandlung also vorwiegend dunkle Socken getragen werden. Von der Verwendung von Jodsalben rate ich ab. Weil sie braungefärbt sind, lassen sich beginnende Entzündungen – bei denen Wundsekret, Blut oder Exsudat aus der Wunde tritt – nur schwer erkennen.

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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