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3. Mai 2023
Redaktion
Studie

Frauen mit pAVK unzureichend versorgt

Wer an der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) leidet, wird in Deutschland häufig nicht leitliniengerecht versorgt. Besonders für Frauen mit einer pAVK im fortgeschrittenen Krankheitsstadium trifft dies zu.
Tisch
Foto: tonefotografia/Adobe Stock

Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von AOK-Krankenkassendaten zu rund 200.000 stationär an pAVK behandelten Patientinnen und -Patienten. In diesem Stadium der pAVK treffen oftmals mehrere Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Rauchen und Fettstoffwechselstörungen (hohes LDL-Cholesterin) sowie Begleiterkrankungen wie chronische Herz- oder Niereninsuffizienz zusammen.

„Wir konnten in unserer Analyse zeigen, dass die Mangelversorgung von Männern und Frauen mit pAVK sowohl die Diagnose als auch Therapie und Nachsorge umfasst. Allerdings ist das bei Frauen noch deutlicher ausgeprägt als bei Männern“, berichtet die Erstautorin der Studie Dr. rer. nat. Lena Makowski von der Klinik für Kardiologie I am Universitätsklinikum Münster.

Frauen erhalten seltener Gefäßdiagnostik und -therapie

Ausgangspunkt für die Versorgungsanalyse der Münsteraner Forscherin und ihres Teams war die Erkenntnis, dass wissenschaftliche Arbeiten in den letzten Jahrzehnten zwar geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Erkrankungshäufigkeit und im Krankheitsverlauf von pAVK-Patientinnen und -Patienten zeigen konnten, Frauen aber in randomisiert kontrollierten Studien deutlich unterrepräsentiert sind.

Bedenkt man mit Blick auf die AOK-Daten, dass pAVK im Stadium der kritischen Extremitätenischämie meist mit Bluthochdruck (90 %) und bei etwa der Hälfte der Betroffenen mit weiteren Risikokrankheiten wie Diabetes (54 %), Fettstoffwechselstörung (58 %) oder Begleiterkrankungen wie Koronare Herzkrankheit (KHK) (58 %), chronische Herzinsuffizienz (45 %) oder Niereninsuffizienz (49 %) einhergeht, ist eine weitreichende Mangelversorgung dieser Patientengruppe ein alarmierendes Signal.

So ergab die Analyse der AOK-Patientendaten von Anfang 2010 bis Ende 2017 und einer Nachverfolgung bis 2018, dass Frauen in diesem pAVK-Stadium und der Hospitalisierung im Durchschnitt zwar fast acht Jahre älter waren als Männer (81 vs. 74 Jahre), dafür aber häufiger an einer kritischen Extremitätenischämie litten und insgesamt jedoch seltener im Krankenhaus behandelt wurden. Bei ihrem ersten Krankenhausaufenthalt wegen pAVK erhielten Frauen seltener eine diagnostische Angiographie (67 % vs. 70 %) oder eine Wiederherstellung des Blutflusses (Revaskularisierung) katheterbasiert über die Leistenarterie oder offen chirurgisch (61 % vs. 65 %).

Auch weniger Lipidsenker und Blutverdünner für Frauen

Die Studie legt auch nahe, dass bei der medikamentösen Therapie ein Versorgungsdefizit zulasten der Frauen besteht. Untersucht haben Dr. Makowski und ihr Team die Verschreibungsrate der in den Leitlinien empfohlenen Lipidsenker (Statine) und oralen Blutverdünner (Blutplättchenhemmer/orale Antikoagulanzien) zur Verhinderung schwerwiegender Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Gefäßkomplikationen in den Beinen.

Schon für beide Geschlechter insgesamt war die Verschreibungsrate nach der Behandlung im Krankenhaus, also nach gesicherter Diagnose der pAVK, zu niedrig (Statine: 57 %; Blutverdünner: 71 %). Doch bei den Frauen war die Verschreibungsrate nochmals deutlich niedriger als bei Männern (Statine: 51 % vs. 62 %; Blutverdünner: 68 % vs. 73 %).

Besseres Langzeitüberleben und weniger Amputationen bei Frauen

In der neunjährigen Nachbeobachtungszeit der Studie war überraschenderweise bei den Frauen mit pAVK trotz der schlechteren Versorgung die Überlebensrate höher und die Amputationsrate geringer im Vergleich zu den Männern. „Allerdings zeigt unsere Versorgungsanalyse auch, dass die pAVK von ärztlicher Seite unterschätzt und oft zu spät oder gar nicht diagnostiziert und häufig nicht leitliniengerecht behandelt wird“, so Dr. Makowski.

Dadurch verschlechtere sich „dramatisch“ die Prognose der Betroffenen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Insbesondere die Multimorbidität von pAVK-Patienten, die mehrere Organ- und Gefäßerkrankungen zugleich aufweisen, trage dazu bei und stelle Mediziner zum Beispiel bei der Medikamententherapie vor Herausforderungen. Frauen wiesen zudem häufig längere asymptomatische Krankheitsverläufe oder atypische Symptome auf, was die Diagnosestellung und somit die rechtzeitige Therapie der pAVK verzögere. Weitere Forschungsarbeiten am Universitätsklinikum Münster sollen sich dieser Problematik widmen, um die Versorgung von pAVK-Patientinnen und -Patienten zu verbessern.

Infos zur pAVK sind abrufbar unter https://herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/pavk

 

Quelle: Deutsche Herzstiftung e. V. | Deutsche Stiftung für Herzforschung

Originalpublikation

Lena Makowski, Jeanette Köppe, Christiane Engelbertz, Leonie Kühnemund, Alicia J Fischer, Stefan A Lange, Patrik Dröge, Thomas Ruhnke, Christian Günster, Nasser Malyar, Joachim Gerß, Eva Freisinger, Holger Reinecke, Jannik Feld, Sex-related differences in treatment and outcome of chronic limb-threatening ischaemia: a real-world cohort, European Heart Journal, Volume 43, Issue 18, 7 May 2022, Pages 1759–1770, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac016

Originalpublikation

Lena Makowski, Jeanette Köppe, Christiane Engelbertz, Leonie Kühnemund, Alicia J Fischer, Stefan A Lange, Patrik Dröge, Thomas Ruhnke, Christian Günster, Nasser Malyar, Joachim Gerß, Eva Freisinger, Holger Reinecke, Jannik Feld, Sex-related differences in treatment and outcome of chronic limb-threatening ischaemia: a real-world cohort, European Heart Journal, Volume 43, Issue 18, 7 May 2022, Pages 1759–1770, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac016

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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