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20. September 2021
Redaktion

Neues aus der Nationalen Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes

Derzeit wird die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes überarbeitet. Autorin Doris Schöning hat die wesentlichen Neuerungen der bereits aktualisierten Kapitel „Partizipative Entscheidungsfindung“ und „Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels“ zusammengefasst. Die Gültigkeit der bisherigen NVL-Therapie des Typ-2-Diabetes endete am 1. August 2018.
Foto: JackF/Adobe Stock

Bestreben der Überarbeitung der Nationalen Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes ist es, aktuelle Evidenz zu bewerten und ggf. aufzunehmen, weitere Leitlinien mit einfließen zu lassen oder darauf zu verweisen. Die ersten Kapitel der Leitlinie liegen bereits in der Konsultationsfassung vor und werden im Rahmen des Artikels näher vorgestellt.

 
Sektorenübergreifende Versorgung
Übergeordnetes Ziel der Leitlinie ist es, eine bestmögliche sektorenübergreifende Versorgung von Menschen mit einem Diabetes mellitus Typ 2 abzubilden. Die Autoren und Autorinnen der Leitliniengruppe bilden diese dafür erforderliche Multidisziplinarität ab. Ich selbst vertrete als Diabetesberaterin DDG und Diabeteswissenschaftlerin in der Leitliniengruppe den Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V.  (VDBD).
 
Schrittweise Überarbeitung
Die Träger der Leitlinie sind die Bundesärztekammer (BÄK), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Die Aufbereitung der Daten und das methodische Vorgehen übernimmt das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Im Rahmen von Telefonkonferenzen wurden die Kapitel „Partizipative Entscheidungsfindung“ und „Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels“ verfasst und Ende März veröffentlicht.
 
Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen
Die ersten 20 Seiten sind dem Kapitel der Partizipation gewidmet. Das Konzept der PEF (Englisch: Shared Decision Making) ist Grundlage einer anzustrebenden Form der Kommunikation und Interaktion zwischen den Behandelnden sowie den Patienten und Patientinnen. Initial und im Rahmen des Krankheitsverlaufes sollen zusammen mit dem oder der Erkrankten individuelle, erreichbare Therapieziele vereinbart werden. Schriftlich verankert wurde in der Leitlinie daher unter anderem, dass Therapieziele sich an den Lebenssituationen und den Bedürfnissen des oder der Erkrankten orientieren und damit durchaus von medizinisch idealen Zielen abweichen können. Ein eigener Absatz ist der Zielformulierung gewidmet. Hier wird exemplarisch die Frage nach „Übergeordneten Lebenszielen“, „Funktionsbezogenen Zielen“ und „Krankheitsbezogenen Zielen“ dargestellt (ÄZQ 2021: 12). Aufgezeigt wird darüber hinaus, wie Kommunikation, Adhärenz und Non-Adhärenz – also das Nicht-Erreichen von gemeinsam festgelegten Zielen – im ständigen Fluss über die Krankheitsdauer hinweg immer wieder betrachtet werden müssen (Abb. 1).
 
Umgang mit einzelnen nicht-erreichten individuell vereinbarten Therapiezielen (Non-Adhärenz) auf Seite der Behandelnden. Quelle: ÄZQ 2021: 25
 
Kommunikation auf Augenhöhe
Ein zentraler Punkt in der PEF ist die Risikokommunikation. Denn nur durch Darlegung von Risiken, Vor- und Nachteilen einer Therapie/Intervention, Nutzen und Alternativen kann der oder die Erkrankte eine fundierte Entscheidung treffen. Diese Kommunikation erfordert Zeit und muss das Sprach- und Verständnisniveau des Betroffenen auch treffen. Unterstützend werden daher für jedes erarbeitete Kapitel der Nationalen Versorgungsleitlinie patientengerechte Informationen vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin aufgearbeitet. Ein Beispiel dafür ist etwa die ebenfalls neu aufgelegte Patienteninformation „Typ-2-Diabetes – Wie soll der Blutzucker eingestellt sein?“. Hier wird der Ziel-HbA1c anhand mehrerer Fragen kommuniziert und so für Patienten und Patientinnen verständlicher gemacht.
 
Vorgehen für die Auswahl der medikamentösen Therapie des Typ-2-Diabetes laut NVL. Quelle: ÄZQ 2021: 31
 
Auch für die Insulintherapie gibt die überabeitete NVL ein strukturiertes Vorgehen vor. Quelle: ÄZQ 2021: 55
 
Neue Empfehlungen zur Medikamentengabe
Für das zweite erarbeitete Kapitel „Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels“ wurden zahlreiche Studien gesichtet und ausgewertet, die die Wirksamkeit von oralen Antidiabetika, GLP-1-Rezeptorenagnosten und Insulinen belegten.
 
Nicht-medikamentöse Behandlung bleibt Basis
Die Ausschöpfung der nicht-medikamentösen Basistherapie steht weiterhin im Vordergrund, bevor eine medikamentöse Therapie eingeleitet wird. Bei der Auswahl der medikamentösen Therapie stehen individuelle Ziele der Erkrankten, die Risikoprofile sowie Begleit- und Folgeerkrankungen im Fokus. Abbildung 2 zeigt das empfohlene Vorgehen zur medikamentösen Behandlung. Dem gerade beschriebenen Ablauf folgt ebenfalls das Vorgehen hinsichtlich einer indizierten Insulintherapie (Abb. 3). Auch hier stellt die Leitlinie mögliche Szenarien für den Beginn einer Insulintherapie für Menschen mit einem Diabetes Typ 2 in Form eines Flussdiagramms dar.
 
Wie geht es weiter?
Die nächsten zu bearbeitenden Themen sind nicht-medikamentöse Therapien (z. B. Schulung, Gewichtsmanagement, Ernährungstherapie, körperliche Aktivitäten), Folge- und Begleiterkrankungen (z. B. DFS, Retinopathie, Nephropathie, psychische Störungen usw.), Therapieplanung/Monitoring, Rehabilitation, Hypoglykämien usw. Zum Abschluss möchte ich Ihnen unbedingt das Lesen der ersten Kapitel der NVL empfehlen und auch auf die Patientenblätter hinweisen. Diese können frei heruntergeladen und an Erkrankte sowie An- und Zugehörigen ausgehändigt werden.
 
Weiterführende Informationen
ÄZQ (2021): Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes. Teilpublikation der Langfassung. Online unter: www.leitlinien.de/themen/diabetes/pdf/diabetes-2aufl-vers1.pdf
NVL Typ-2-Diabetes Patientenblätter. Online unter: www.leitlinien.de/themen/diabetes/patientenblaetter
 
Autorin
Doris Schöning M.Sc.
Diabeteswissenschaftlerin
Diabetesberaterin DDG
Akademie für Gesundheitsberufe Rheine
Frankenburgstraße 31
48431 Rheine
E-Mail: d.schoening@mathias-spital.de
 
Artikel als PDF herunterladen:
 
Foto: Eakrin/Adobe Stock
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