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30. Januar 2017
Josef Förster
Zukunftsträchtiger Markt

Beste Perspektiven für die Podologie?

Wer als Betriebswirt den Markt für das Heilmittel podologische Therapie analysiert kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um einen ausbaufähigen und zukunftsträchtigen Markt handelt. Kaum der Hälfte der infrage kommenden Diabeteskranken wird eine podologische Therapie verordnet. Der im Jahre 2015 damit erzielte Umsatz von mehr als 170000000 Euro könnte also leicht verdoppelt werden.
Foto: tonefotografia/Adobe Stock

Die Krankenkassen zahlen diese Leistungen nicht nur aus Nächstenliebe. Sie vermeiden damit sonst vielfach notwendig werdende teure Amputationen. Den Patienten selbst wird vielfältiges Leid erspart. Hinzu kommt die demographische Entwicklung. Die Zahl der älteren Menschen nimmt weiterhin stark zu. Viele legen Wert auf eine hochwertige Fußpflege auf podologischem Niveau, benötigen sie und können sie sich auch leisten. Weitere Entwicklungsmöglichkeiten für die Podologie ergeben sich darüber hinaus auch aus dem zunehmenden Bedürfnis nach Leistungen wie Spangen und Orthosen. Im täglichen Leben werden diese Ansichten voll bestätigt. Von mir begleitete Praxisgründungen – auch bei eher ungünstigen Voraussetzungen – haben schon nach wenigen Monaten wegen des großen Zuspruchs den Wunsch nach Unterstützung. Die Nachfrage ist vielfältig und ungebremst.

Die gesellschaftliche Dimension

Die Tätigkeit der Heilmittelerbringerin Podologin (die weibliche Form umfasst auch immer Podologen) erreicht eine gesellschaftliche Dimension, weil ihre Rolle für die Gesundheit der Bevölkerung immer wichtiger wird. Die daraus erwachsene gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist enorm.

Nach einer langen Zeit der Stagnation und auch Ablehnung kommen nun auch aus der Politik sehr positive Signale. Das Gesundheitsministerium hat eine Gesetzesinitiative gestartet, die zwei wichtige Veränderungen bringen soll.

Die Blankoverordnung

Der Arzt verordnet die Art des Heilmittels, der Heilmittelerbringer bestimmt selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten. Das wäre wie gemacht für die podologische Therapie und sehr positiv zu sehen.

Grundlohnsumme

Es soll eine alte Forderung der Therapeuten erfüllt werden, wonach der Spielraum für Preiserhöhungen bei Kassenleistungen vom Anstieg der Grundlohnsumme entkoppelt wird.

Krisenhafte Zuspitzung?

Alles bestens also? Bei weitem nicht! Ob und wann diese Verbesserungen Gesetz werden ist noch völlig offen. Bis dahin ist die Podologie weiter in einem planwirtschaftlichen Korsett aus zeitlichen und finanziellen Vorgaben gefangen. In weiten Teilen der Podologie sehe ich eine krisenhafte Zuspitzung von Verhältnissen, die einer positiven Sicht in die Zukunft entgegenstehen.

Erschwerter Berufseinstieg

Wer Podologin werden möchte, hat es schwer. Die Ausbildung ist für viele eine unerhörte zusätzliche zeitliche und auch finanzielle Belastung. Es muss dringend ein Weg gefunden werden (einige Praxen versuchen es schon) den Berufseinstieg mit einem Mindestmaß an sozialer und finanzieller Absicherung zu verbinden. Einige Konzepte hierzu gibt es bereits. Das kann sogar eine lohnende Sache werden, nicht nur für den Berufseinsteiger, sondern auch für die Praxis selbst. Eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte kann allerdings nicht die Lösung sein. Die Berufsverbände sollten ein einheitliches Konzept initiieren.

Die Berufsausbildung

Die theoretische Ausbildung in den Podologieschulen ist mit einer Stofffülle aus dem medizinischen Bereich überfrachtet. Es sollen doch Podologinnen ausgebildet werden, keine Schmalspurmediziner. Der medizinische Stoff sollte konzentriert und mit mehr Wert auf Themen wie gesetzliche Grundlagen, Regulierungen, Betriebswirtschaft, Praxisführung, Arbeitsrecht usw. gelegt werden.

Die praktische Ausbildung in den Praxen erfolgt weitgehend ungeregelt und unentgeltlich. Von einer soliden praktischen Ausbildung und Anleitung bis hin zum Einsatz für Putzdienste und Ähnliches kommt alles vor. Der neue Rahmenvertrag mit der AOK beschreitet mit den neu aufgenommenen Vorgaben für die praktische Ausbildung den richtigen Weg:

  • gemeinsame Anamnese und Besprechung der Vorgehensweise;
  • Aufsicht durch den Therapeuten;
  • Begutachtung und Abnahme
  • eventuelle Nachbesserungen durch den Therapeuten selbst oder unter dessen Aufsicht

Der sektorale Heilpraktiker

Dem unbefangenen Beobachter erschließt sich auch nicht, weshalb die Ausbildung nicht auch gleichzeitig mit dem Erwerb der sektoralen Heilpraktikererlaubnis verbunden wird, sondern stattdessen weitere Ausbildungsgänge und Prüfungen abverlangt werden. Aussage eines Juristen: „Mit der Erlaubnis dürfen Sie auch nicht viel mehr machen als vorher.“ Der Erwerb des sektoralen Heilpraktikers ist trotzdem zur Abrundung der Selbstständigkeit der Tätigkeit und auch aus umsatzsteuerlichen Gründen äußerst empfehlenswert.

Der Berufseinstieg

Es fehlen allerorten ausgebildete und einsatzfähige Podologinnen, um den weiter wachsenden Bedarf zu decken. Doch wie sieht eine Beschäftigung in ­einer podologischen Praxis aus?

Wer darauf angewiesen ist, mit einer Vollzeitbeschäftigung in der Podologie seinen Lebensunterhalt und eventuell den seiner Familie zu finanzieren, wird eine böse Überraschung erleben. Wie in dieser Zeitschrift in einer der vorherigen Ausgaben nachzulesen war (siehe FUSS 3/4 2016), kann sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen die Bandbreite des Gehalts für eine Vollzeitbeschäftigung üblicherweise nur zwischen 1800 und etwa 2500 Euro bewegen.

Wird dann berechnet, welche Nettobeträge daraus resultieren höre ich im Unterricht oft die Aussage: „Da bekommt ja meine Putzfrau mehr in der Stunde“.

Finanzierung der Expansion

Ein Riesenproblem für junge Praxen ist die Tatsache, dass nach einer annähernden Auslastung der Praxisinhaberin zwar weitere Nachfrage befriedigt werden könnte, es aber bei weitem nicht für die Einstellung einer Vollzeitkraft reicht. Es werden sodann allerlei rechtlich und finanziell fragwürdige Teilzeit- und freiberufliche Konstruktionen bemüht, um einerseits der Nachfrage gerecht zu werden und andererseits die Kostenentwicklung im Griff zu behalten. Die daraus resultierende Fluktuation und Unzufriedenheit bei Beschäftigten und Kunden ist ziemlich groß. Die von mir vorgeschlagene Lösung einer kreditfinanzierten Personalexpansion stößt nicht auf große Gegenliebe, wäre aber gut machbar.

Flucht in die Selbstständigkeit?

Bei diesen finanziellen Rahmenbedingungen und der Tatsache, dass in manchen Podologiepraxen noch haarsträubende arbeitsrechtliche Verhältnisse wie zur Zeit des Manchester-Kapitalismus herrschen, erscheint vielen Podologinnen die Selbstständigkeit als gute Alter-native. Das ist sie auch, jedenfalls bis sich dann nach einiger Zeit herausstellt, dass zwar die wichtigsten finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können, eine bedeutende persönliche und finanzielle Verbesserung gegenüber einer angestellten Beschäftigung aber nicht erreicht wird. Jedenfalls nicht, wenn alle Regulierungen vollumfänglich beachtet werden sollen:

  • Steuern und Sozialversicherungsbeiträge reduzieren den Gewinn in aller Regel auf die Hälfte;
  • die Zeitvorgaben der Krankenkassen und die Grenzen der zeitlichen und ­arbeitsmäßigen Belastung setzen die Obergrenze für die Zahl der Behandlungen und damit der Einnahmen;
  • Die vereinbarten Behandlungsentgelte sind nicht auskömmlich.

Bei solchen Rahmenbedingungen ist die Versuchung groß, ein Geschäftsmodell mit der Ignorierung dieser Rahmenbedingungen zu entwickeln und einzugehen, was mit erheblichen, insbesondere finanziellen, Risiken verbunden ist.

Was ist zu tun?

Für eine Verbesserung der Situation halte ich mindestens die folgenden Schritte für erforderlich:

Ein starker Verband muss her

Leider sind noch viel zu wenige Podologinnen Mitglied eines Verbandes oder gar dort aktiv. Manche Podologinnen verkennen die Vorteile einer Mitgliedschaft oder fühlen sich vom Verband nicht genügend unterstützt und beraten. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit von den Berufsverbänden zu leisten.

Die Einwirkung auf die Politik, das Anstoßen und die Begleitung von Veränderungen und die notwendige Konzeption der Ausbildung durch die Verbandsfunktionäre erfordern einen erheblichen persönlichen und zeitlichen Einsatz. Dieser dürfte mit ehrenamtlichem Engagement nur schwer zu bewältigen sein.

Wirtschaftliche Situation verbessern

Das planwirtschaftliche Zwangskorsett aus Zeit- und Finanzvorgaben muss abgelöst werden, soll die Podologie ihren gesundheitlichen Auftrag auch in Zukunft erfüllen können.

Anstatt starre Zeitvorgaben zu machen, die dem einzelnen Patienten nicht gerecht werden, bietet sich zum Beispiel die Vorgabe von nachvollziehbaren und nachprüfbaren Qualitätsstandards und Qualitätszielen an.

Bis es dahin kommt, gilt es, aus dem bestehenden System und seinen Unzulänglichkeiten das Beste zu machen.

Bei der Beantwortung der Frage, wie es besser werden kann, ist zu beachten:

  • Geld gibt es nur für erbrachte Leistungen;
  • bei der Behandlung von Kassenpatienten herrscht Regulierung nach der ­Leistungsbeschreibung;
  • die Arbeitszeit kann nicht endlos ausgedehnt werden;
  • die Kapazitäten der Praxis und der Podologin sind begrenzt.

Was folgt daraus?

Bei der Behandlung von Kunden auf Rezept und Abrechnung mit der Krankenkasse ist die Leistungsbeschreibung (Anlage 1 zu den Rahmenempfehlungen) verbindlich und einzuhalten. Dazu gehört auch eine Regelbehandlungszeit mit einem Richtwert für die podologische Komplexbehandlung von 40 – 50 Minuten. Zumindest für den überwiegenden Bereich der AOK ist durch den neuen Rahmenvertrag (§ 5 Abs. 2) geklärt, dass darunter alle Leistungen der Ziffern 3. bis 9. der Leistungsbeschreibung gehören.

Diese Grundinformationen geben uns die Strategie vor. Es sind in erster Linie zwei Stoßrichtungen.

Durchsatzerhöhung

Ansatzpunkt ist hier, die Arbeit des Podologen sich auf die entgeltpflichtigen Leistungen beziehungsweise Leistungsbestandteile zu konzentrieren und die anderen Aufgaben an Unterstützungskräfte zu übertragen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass pro Patient für die Krankenkassen ein Zeitaufwand von mindestens 40 Minuten nachzuweisen ist.

Bei den anderen Kunden ist es anders. Zwar verbietet es sich von selbst, bei den Behandlungsstandards, der Hygiene oder der Qualität Abstriche zu machen, doch von dem zeitlichen Rahmen der Leistungsbeschreibung sind Sie befreit.

Ob sich die mögliche Durchsatzerhöhung für Sie „lohnt“ – immerhin werden Sie mehr Behandlungen machen müssen – können Sie selbst ausrechnen und beurteilen. Zahlen Sie zum Beispiel der Unterstützungskraft monatlich 450 Euro Minijobentgelt erreichen Sie bei rund 20 zusätzlichen monatlichen Behandlungen durch deren Einsatz die „Gewinnschwelle“, das heißt jede weitere Behandlung erhöht ihren Gewinn.

Arbeitsorganisation und Technikunterstützung

Bei Besuchen und Beratungen in podologischen Praxen drängt sich unweigerlich die Einsicht auf, dass eine Modernisierung und Professionalisierung des Praxismanagements unausweichlich ist. Erster Schritt dazu wäre eine entsprechende Schulung und Qualifizierung von Praxisinhabern. Dies scheitert prompt, einmal, weil es auf Seiten der Praxisinhaberin kein Problembewusstsein gibt und andererseits, weil es für solche Schulungen keine Fortbildungspunkte gibt. Andere Podologinnen jedoch sind voll guten Willens, machen sich falsche Vorstellungen und legen sich ein Praxisprogramm zu. Dessen Leistung und Unterstützungsfunktionen werden nur unvollkommen in Anspruch genommen. Es fehlt eine zielgerichtete Einarbeitung und die umfassende Kenntnis, was mit dem Programm alles gemacht werden kann (oder auch, was vorgeschrieben und nötig ist). Auch wird die angepriesene Arbeitserleichterung als enttäuschend empfunden, weil zum Beispiel eine Schnittstelle zur Praxisplanung und zur Buchführung in den Programmen nicht vorgesehen ist und dann doch weitere Arbeit anfällt. So kümmern dann die Programme in den Praxen vor sich hin, hin und wieder mit voller Absicht. Denn es entspricht durchaus manchem Geschäftsmodell, für das Finanzamt und die Krankenkassen nicht allzu viel Transparenz in den Geschäftsvorgängen zu haben.

An straffer Arbeitsorganisation und an Technikunterstützung führt auf Dauer kein Weg vorbei. Wobei die Technikunterstützung noch am Anfang steht und die „smarte Praxis“, so etwas wie Industrie 4.0 im Gesundheitswesen, nur in Ansätzen zu erkennen ist. Doch gerade in den Bereichen Dokumentation, Patientenverwaltung, Beratung, Terminplanung, Buchführung, Abrechnung, Datenschutz usw. liegt noch viel Potential zur schnelleren und genaueren Arbeit brach. Stellen Sie sich doch einfach mal vor, was zum Beispiel eine „Datenbrille“ in Ihrer Praxis bewirken könnte. Sie wissen nicht, was eine Datenbrille ist? Informieren Sie sich und tasten Sie sich an das Thema heran.

Was geht noch?

Ein großes Hindernis für eine Weiterentwicklung der Podologie ist die derzeit noch kleinteilige Struktur, die durch Einzelpraxen – oftmals ohne ei­gene Vollzeitmitarbeiter – dominiert wird.

Auslaufmodell Einzelpraxis?

Wenn eine Podologin für sich die Entscheidung trifft, allein zu arbeiten und auch keine Mitarbeiter zu beschäftigen, handelt sie völlig legitim. Sie muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass sie damit auch ihre Möglichkeiten zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation entscheidend einengt.

Expansion und größere Einheiten

Auf längere Sicht wird sich auch die Podologie – zumindest in vielen Fällen –  dem Wunsch und auch der Notwendigkeit zu größeren Einheiten nicht entziehen können. Was vor mehreren Jahrzehnten bei den öffentlichen Gebietskörperschaften als Reaktion auf die Komplexität der Verwaltung und aus betriebswirtschaftlichen Zwängen begann, setzt sich seit Jahren im Gesundheitswesen mit der Bildung größerer Einheiten fort, seien dies Krankenhäuser oder Arztpraxen.

Konzern Podologie?

Was wäre denn an dem Gedanken eines Podologiekonzerns mit mehreren hundert Praxen und tausenden von Mitarbeitern so erschreckend? Es kann auch ein organisierter und gemanagter Praxisverbund sein. Eine ganze Reihe von Problemen, die heute noch auftreten, würden durch einheitlichen Auftritt, einheitliches Qualitätsmanagement, professionelles Management, hierarchische Strukturen, eine sichere Bezahlung, geregelte Freizeit, geordnete und geplante Vertretungsregelungen usw. hinfällig.

Größenvorteile nutzen

Es muss aber nicht gleich ganz so groß sein. Größenvorteile – betriebswirtschaftlich Skaleneffekte genannt – spielen ebenso eine bedeutende Rolle in kleineren Einheiten als in einem Konzern. Sie können die Rentabilität verbessern. Sie erleichtern, beziehungsweise ermöglichen in vielen Fällen sogar erst den Einsatz von hochwertiger Technikunterstützung. Der Zusammenschluss von mehreren oder vielen Praxen zur gemeinsamen Wahrnehmung von kaufmännischen und administrativen Aufgaben könnte ein erster Schritt sein.

Der Patient bleibt im Mittelpunkt

Erreichen Sie Ihre Ziele und arbeiten und therapieren Sie effektiver, verdienen besser und tuen den Vorschriften genüge, profitieren davon auch Ihre Patienten.«

Foto: Eakrin/Adobe Stock
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