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30. März 2022
Cornelia Meier
Telematikinfrastruktur

Digitale Datenautobahn für das Gesundheitswesen

Für Podologinnen und Podologen geht künftig an der Digitalisierung kein Weg mehr vorbei. Die Anbindung der Heilmittelerbringenden an die Telematikinfrastruktur ist beschlossene Sache. Fest steht mittlerweile auch der Zeitplan. Und der ist sportlich: Wer bis 2026 keinen Zugang hat, kann keine Leistungen zulasten der GKV mehr erbringen.
Foto: tadamichi/Adobe Stock

Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens läuft auf Hochtouren. Zusammenbringen soll die Akteure die Telematikinfrastruktur – kurz TI. Sie ist laut § 306 Absatz 1 Satz 2 SGB V definiert als „interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur, die der Vernetzung von Leistungserbringern, Kostenträgern, Versicherten und weiteren Akteuren des Gesundheitswesens sowie der Rehabilitation und der Pflege dient“.

Es geht also um die Schaffung eines flexiblen und dynamischen digitalen Netzwerkes, das alle Akteure des deutschen Gesundheitssystems verbindet. Dazu sollen die Ärzteschaft, Psychotherapeut*innen, Hebammen, Heil- und Hilfsmittelerbringende sowie Kliniken und Krankenkassen so vernetzt werden, dass medizinische Daten und andere wichtige Informationen von Patientinnen und Patienten ebenso schnell wie sicher ausgetauscht werden können.

Mit der Einführung und dem Aufbau der Telematikinfrastruktur beauftragt ist die Gematik GmbH, ein Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes, das auch die elektronische Gesundheitskarte (eGK) verantwortet. Sie trägt die Gesamtverantwortung für den Aufbau und den Betrieb der Telematikinfrastruktur und soll nach eigener Aussage unter anderem gewährleisten, dass die Nutzung für alle Beteiligten „sicher, leistungsfähig und nutzerfreundlich“ ist.

Straffer Zeitplan

Der TI liegt eine Reihe von Gesetzen zugrunde. So konkretisierte etwa das 2019 in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) die TI und damit die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Im Fokus standen dabei allerdings noch Apotheker*innen und Ärzt*innen als Leistungserbringende, während Heilmittelerbringende wie Podolog*innen unberücksichtigt blieben. Das änderte – ebenfalls 2019 – das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz, DVG). Mit ihm wurde unter anderem festgelegt, dass auch Heilmittel langfristig auf elektronischem Weg verordnet werden sollen. Zugang zur TI sollten allerdings zunächst nur Physiotherapeut*innen erhalten und dies auch erst einmal auf freiwilliger Basis.

Dass die TI von allen Heilmittelerbringenden genutzt werden kann und dass der Anschluss zur TI zudem verpflichtend ist, legt das Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG), das seit Juni 2021 in Kraft ist, fest. Folgt man den beiden Gesetzen, gestaltet sich der Zeitplan wie folgt:

  • freiwilliger Anschluss von Physiotherapeut*innen ab Juli 2021
  • Schaffung der technischen Voraussetzungen für den TI-Zugriff bei allen Heilmittelerbringenden bis Ende 2023
  • verpflichtender Anschluss aller Heilmittelerbringenden ab Januar 2026
  • verpflichtende Verordnung von Heilmitteln in elektronischer Form (über die TI) ab Juli 2026

Eine Frage der Finanzierung

Das Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutzgesetz, PDSG) sowie das DVPMG legen fest, dass die Kosten, die für die Anbindung an die TI und den laufenden Betrieb entstehen, auch für Heilmittelerbringende erstattet werden. Physiotherapeuten erhalten die Kostenerstattung bereits ab Mitte 2021. Ab Mitte 2024 soll der finanzielle Ausgleich laut § 380 Abs. 2 SGB V auch für alle anderen Heilmittelerbringenden gelten.

Die erforderlichen Finanzierungsvereinbarungen der Berufsverbände mit dem GKV-Spitzenverband sollen bis zum 1. Januar 2024 abgeschlossen sein. So wurde beispielsweise in der im Februar geschlossenen Vereinbarung zwischen Physiotherapeut*innen und GKV-Spitzenverband festgelegt, dass Physiotherapiepraxen den gleichen Anspruch auf Kostenerstattung haben wie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Auch für Hebammen und die Pflege wurde die Refinanzierung bereits abgestimmt.

Neben den einmaligen Kosten für die benötigten Komponenten, umfasst die Refinanzierung auch die entstehenden laufenden Kosten für den Betrieb. Zur Orientierung: Bei den Physiotherapeuten wurden die einmaligen Aufwände mit rund 3.600 Euro beziffert. Bei den monatlichen Kosten erwartet man – je nach Ausführung des Systems – Ausgaben von 90 bis 100 Euro. Es ist davon auszugehen, dass sich die Berufsverbände der anderen Heilmittelberufe mit dem GKV-Spitzenverband auf ähnliche Beträge einigen werden.

Lückenloser Austausch aller Beteiligten auf Augenhöhe

Digitalisierung schön und gut. Was sind aber nun – zumindest in der Theorie – die konkreten Vorteile? Das zentrale Ziel der TI und der über sie bereitgestellten Dienste oder Anwendungen ist es, die gesundheitliche Versorgung zu verbessern sowie Versorgung und Verwaltung effizienter zu machen. Das heißt, neben den Versicherten sollen auch die Leistungserbringenden von einem vernetzen Gesundheitssystem profitieren. Dazu definiert die Gematik neben verbindlichen Standards auch eine Reihe von Fachanwendungen, die – so der eigene Anspruch – „allen Akteuren immer und überall zur Verfügung stehen und alle gesetzlichen und technischen Anforderungen zuverlässig erfüllen“ sollen.

Welche Medikamente nimmt eine Patientin oder ein Patient ein? Welche Vorerkrankungen bestehen? Welche Untersuchungen wurden bereits durchgeführt und wie verliefen frühere Behandlungen? Die elektronische Patientenakte (ePA) etwa macht als digitaler Dokumentenspeicher wichtige Patienteninformationen wie Befunde, Therapiemaßnahmen oder Behandlungsberichte sowie Überweisungen und Rezepte für alle beteiligten Leistungserbringer zugänglich. Dabei entscheidet stets die Patientin oder der Patient, welche Gesundheitsdaten sie oder er für die Behandlung freigibt. Für viele Podologie-Praxen wird die ePA der erste Berührungspunkt zur TI sein. Versicherte können sich bei ihren Krankenkassen bereits für sie registrieren. Neben den gesetzlich Versicherten können ab diesem Jahr außerdem auch Privatversicherte die ePA nutzen. Für die Nutzung identifizieren sich die Versicherten über ihre eGK.

Erst kürzlich wurde die Einführung auf unbestimmt verschoben, als Weiterentwicklung des klassischen Papierrezepts soll aber auch das E-Rezept, das Medikamentenrezepte digitalisiert, die Abläufe im Gesundheitswesen straffen und mehr Sicherheit schaffen. So sollen künftig keine fälschungsanfälligen Papierrezepte mehr verschickt werden müssen. Um das E-Rezept nutzen zu können, benötigen Versicherte eine spezielle App. Überdies müssen sie sich bei ihrer Krankenkasse für den Dienst registrieren.

Auch die Heilmittelverordnung (Muster 13) soll ab Juli 2026 wie viele andere Verordnungen als elektronische Verordnung (eVO) über die TI übertragen werden. So sollen Verordnungen schneller an Heilmittelerbringende übermittelt werden und auch Änderungen einfacher möglich sein.

Für eine schnelle Kommunikation und einen interdisziplinären Austausch soll der Nachrichtendienst „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM) sorgen. Er ermöglicht es den Akteuren im Gesundheitswesen medizinische Dokumente wie Heil- und Kostenpläne, Abrechnungen oder Labordaten elektronisch über die TI zu versenden und zu empfangen – in E-Mail-Form mit oder ohne Anhang, nur wesentlich sicherer. Außerdem können Podologie-Praxen zum Beispiel die behandelnde Ärztin oder andere Leistungserbringer, die die Patientin oder den Patienten bisher behandelt haben, sicher kontaktieren.

Weitere Dienste, die über die TI laufen, sind unter anderem der elektronische Medikationsplan (eMP), das Notfalldatenmanagement (NFDM) und der TI-Messenger-Service, eine Art sicherer Chatdienst wie WhatsApp. Das Angebot an verfügbaren Anwendungen soll kontinuierlich erweitert werden.

Durch elektronische Verordnung, den Zugriff auf die elektronische Patientenakte sowie die geschaffenen Kommunikationsmöglichkeiten soll

  • sich das Fehlerpotenzial verringern,
  • die Kommunikation mit anderen Leistungserbringenden verbessern,
  • die Effizienz von Behandlungen steigern sowie
  • Bürokratie abgebaut und Zeit zugunsten der Patientinnen und Patienten eingespart werden.

Ob sich dies im Tagesgeschäft auch so bewahrheiten wird, wird sich noch herausstellen. Die Anbindung der Ärzteschaft an die TI verläuft derzeit alles andere als reibungslos.

Sicher ist sicher

Als geschlossene „Datenautobahn“, die nur registrierten Akteuren zugänglich ist und alle Daten mehrfach verschlüsselt, soll die TI zudem einen sicheren Datenaustausch ermöglichen und die Gesundheitsdaten vor dem Zugriff unbefugter Dritter schützen. Für eine eindeutige Identifizierung müssen sich alle Leistungserbringenden eindeutig identifizieren und damit als berechtigt ausweisen; auch darf nur spezielle, vom Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnologie (BSI) geprüfte und zertifizierte Technik genutzt werden. Das heißt, es dürfen nur bestimmte Geräte eingesetzt werden.

Technische Voraussetzungen

Benötigt wird mindestens ein stationärer Computer oder ein Laptop mit stabilem Internetanschluss. Wenn darüber problemlos ein Webinar angeschaut oder ein Videomeeting zum Beispiel über Microsoft Teams ausgeführt werden kann, reicht das aus. Erforderlich ist überdies ein TI-fähiges Praxisverwaltungssystem (PVS), da die Anbindung an die TI nicht webbasiert – sprich über einen Internetbrowser wie Chrome oder Thunderbird – erfolgt, sondern allein über ein PVS. Wird bereits ein PVS genutzt, muss eventuell ein Update durchgeführt werden. Die PVS der großen Anbieter werden früher oder später TI-fähig sein. Wird ein System eines kleineren Anbieters genutzt, sollten Praxisinhaberinnen und -inhaber sich zeitnah mit ihnen in Kontakt setzen und die nächsten Schritte besprechen. Welche TI-Fachanwendungen nutzbar sind, ist vom PVS abhängig. Gegebenenfalls bieten nicht alle Software-Anbieter direkt den Zugang zu allen Diensten, auch kann es sein, dass für die Nutzung bestimmter Fachanwendungen neue Programmmodule aktiviert werden müssen.

Benötigt wird darüber hinaus ein für die TI zugelassenes stationäres Kartenlesegerät, das „E-Health-Kartenterminal“. Es verfügt anders als reguläre Kartenlesegeräte über einen zusätzlichen Kartenschlitz. Für Hausbesuche gibt es zudem für die TI zugelassene mobile Kartenterminals. Um die TI-Fachanwendungen zu nutzen, benötigen Praxen darüber hinaus einen für die TI zugelassenen „E-Health-Konnektor“ – eine Art DSL-Router, wie man ihn von zu Hause kennt, nur mit einem höheren Sicherheitsstandard. Er ist mit dem Kartenlesegerät und dem PVS verbunden und öffnet so mithilfe eines VPN-Zugangsdienstes das Tor zur TI. Der VPN-Zugangsdienst, der ähnlich wie ein Internetanbieter den Zugang zur TI ermöglicht, wird in der Regel zusammen mit dem Konnektor angeboten und muss entsprechend zertifiziert sein.

Die erforderlichen Geräte – also die Hardware – für die Anbindung an die TI werden Praxisinhaberinnen und -inhaber unter anderem über Anschlussdienstleister wie Opta Data oder Noventi beziehen können. Sie bieten zum Teil auch weitergehende Unterstützung und Beratung bei der Anbindung an die TI an. Auch auf den Websites der Dienstleister finden sich eine Menge aktueller Informationen rund um die TI.

Plastik statt Papier

Zugang zur TI erhalten nur berechtigte Akteure. Dazu benötigt wird ein Praxisausweis (Security Module Card Typ B, SMC-B-Karte), der die Praxis gegenüber der TI identifiziert und den Zugriff legitimiert. Sie verbleibt dauerhaft im zweiten Kartenschlitz des E-Health-Kartenterminals und muss beim Einschalten mit einer PIN-Nummer bestätigt werden.

Jede Therapeutin und jeder Therapeut benötigt zudem einen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA). Die personengebundene Chipkarte im Scheckkartenformat mit Lichtbild dient als Sichtausweis, mit dem sich Angehörige von Gesundheitsberufen ausweisen können. Auf dem eHBA sind Daten des Karteninhabers sowie eine qualifizierte elektronische Signatur gespeichert. Die Karte ist nicht übertragbar und wird auch benötigt, um auf die Dienste der TI zugreifen zu können.

Angehörige sogenannter verkammerter Berufe – also Ärzt*innen, Zahnärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Apotheker*innen – erhalten den eHBA sowie den Praxisausweis über ihre jeweiligen Kammern. An nicht-verkammerte Berufe wie Hebammen oder Podolog*innen werden die beiden Nachweise künftig bundesweit zentral vom elektronischen Gesundheitsberuferegister (eGBR) ausgegeben, das bei der Bezirksregierung Münster in Nordrhein-Westfalen angesiedelt ist.

Derzeit befindet sich das eGBR im Aufbau. Zunächst werden die Angehörigen der folgenden Berufsgruppen ihren eHBA beim eGBR beantragen können:

  • Pflegefachmänner und -frauen
  • Altenpfleger*innen
  • Gesundheits- und Krankenpfleger*innen
  • Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*innen
  • Physiotherapeuten*innen
  • Hebammen

Ihren Praxisausweis können in einem ersten Schritt folgende Leistungserbringerinstitutionen beim eGBR beantragen:

  • Betriebsstätten der Geburtshilfe
  • Betriebsstätten der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege
  • Betriebsstätten der Physiotherapie

2022 soll das eGBR in den Vollbetrieb gehen und Angehörigen weiterer nicht approbierter Gesundheitsberufe den Erhalt eines eHBA ermöglichen.

Foto: gematik GmbH
Um die TI und ihre Fachanwendungen zu nutzen, benötigen alle Heilmittelerbringenden einen elektronischen Heilberufsausweis.

Aktiv werden, aber nichts überstürzen

Heilmittelerbringende und damit auch Podologinnen und Podologen können ab sofort Teil der TI werden; ab Januar 2026 ist die Anbindung dann verpflichtend. Wer nicht den Anschluss verlieren oder übereilte Entscheidungen treffen will, sollte die verbleibende Zeit nutzen, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das gilt vor allem für solche Podologie-Praxen, die bislang vorrangig analog arbeiten. Denn bis zur Einrichtung eines entsprechenden Systems samt Praxisverwaltungssystem und der Etablierung der erforderlichen Prozesse können auch in kleinen Praxen gut und gerne sechs Monate vergehen.

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Redakteurin
Cornelia Meier

Nach einem Abstecher in die Öffentlichkeitsarbeit leitet die gebürtige Augsburgerin seit Juli 2021 die Redaktion des Fachmagazins DER FUSS.

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